Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Neue Königski'olu'n lin der Do>un>.

seiner Soldaten bei Djunis erfochten, ganz und gar zusaiunien, und der in der
Geburt verunglückte König mußte sich denuithig um die Vermittlung Europas be-
mühen, um dem Schicksale zu entgehen, mit dem ihn der gerechte Zorn seines Su-
zeräns bedrohte. Milan Obreuvwitsch gab, als die siegreichen türkischen Tabors auf
seine Hauptstadt loSmarschirten und die von panischen Schrecken erfüllten Rotten
bewaffneter serbischer Bauern wie der Wolf die Schafheerde vor sich hcrtrieben,
eine lobenswerthe Neigung t'und, für Begnadigung dankbar zu sein, und ver¬
pflichtete sich sofort, für die Zukunft Ruhe zu halten, wenn mau ihn: beim Sultan
Beibehaltung seines fürstliche" Ranges und die Erlaubniß, nach den alten Be¬
dingungen weiter zu regieren, auswirken wollte. Man verfuhr generöser gegen
ihn, als er es verdient hatte. Die Mächte fielen der Türkei in den zum letzten
Schlage erhobnen Arm, und Serbien kam wirklich mit einem blauen Auge davon.
Es hatte nichts gewonnen, aber mich nichts verloren. Dagegen war es an Er¬
fahrung reicher und infolge dessen erheblich vorsichtiger geworden.

So hütete man sich denn weislich vor Betheiligung am russisch-türkischen
Kriege, der bald nach dem Abschlüsse deS Friedens zwischen Serbien und der
Pforte ausgebrochen war, und erst um l2. December 1877 erfolgte eine Pro-
clamation an die Serben, welche sie zur Befreiung des Vaterlandes aufrief,
und die Kriegserklärung an die Pforte. Letztre wurde zwar von Sultan mit
der Absetzung des Fürsten beantwortet, indeß lagen diesmal die Verhältnisse
günstiger. Fürst Milan, der jetzt selbst den Oberbefehl über die Armee über¬
nahm, stieß bei seinem Vormarsch nnr auf geringe Reste türkischer Truppen
und eroberte bis zum Waffenstillstande, Ende Januar 1878, Pirol und Risch
sowie einen großen Theil Altscrbiens. Im Frieden von San Stefano und im
Berliner Vertrage erlangte er die volle Unabhängigkeit von der Pforte und
eine beträchtliche Erweiterung seines Gebietes, worauf er den Titel "Hoheit"
annahm.

Seine Wünsche gingen zwar schon damals weiter. Doch wurden sie in diesem
Umfange nicht sofort befriedigt. Wenn auch der Berliner Congreß den voll¬
endeten Thatsachen in betreff Rumäniens, Montenegros und Serbiens Rechnung
trug und ihnen erhebliche Stücke bisher türkischen Landes znertheilte, so zeigte
er doch taube Ohren für Andentungen, welche ihm von selten der soeben frei¬
gegebnen und vergrößerten Balkan- und Dvuaustaaten bezüglich eiuer Rang¬
erhöhung ihrer Fürsten gemacht wurden. Die Aeußerung dieser ticfempfuudneu
Bedürfnisse schien eben damals noch verfrüht. Rumänien wie Serbien empfingen
den höflichen Rath, sich in der Zahl und dem Wesen ihrer Anliegen zu mäßigen
und zu gedulden und sich vorläufig mit dem immerhin sehr werthvollen Er¬
reichten zufrieden zu geben. Besonders Serbien hatte zu solcher Genügsamkeit
alle Ursache. Sein Antheil an der Beute war unverhältnißmäßig reichlich aus¬
gefallen, wenn mau ihn mit seinen Leistungen während des Krieges zusammenhielt.
Rumänien hatte sehr große Opfer an Blut und Geld gebracht, die Tapferkeit


Neue Königski'olu'n lin der Do>un>.

seiner Soldaten bei Djunis erfochten, ganz und gar zusaiunien, und der in der
Geburt verunglückte König mußte sich denuithig um die Vermittlung Europas be-
mühen, um dem Schicksale zu entgehen, mit dem ihn der gerechte Zorn seines Su-
zeräns bedrohte. Milan Obreuvwitsch gab, als die siegreichen türkischen Tabors auf
seine Hauptstadt loSmarschirten und die von panischen Schrecken erfüllten Rotten
bewaffneter serbischer Bauern wie der Wolf die Schafheerde vor sich hcrtrieben,
eine lobenswerthe Neigung t'und, für Begnadigung dankbar zu sein, und ver¬
pflichtete sich sofort, für die Zukunft Ruhe zu halten, wenn mau ihn: beim Sultan
Beibehaltung seines fürstliche» Ranges und die Erlaubniß, nach den alten Be¬
dingungen weiter zu regieren, auswirken wollte. Man verfuhr generöser gegen
ihn, als er es verdient hatte. Die Mächte fielen der Türkei in den zum letzten
Schlage erhobnen Arm, und Serbien kam wirklich mit einem blauen Auge davon.
Es hatte nichts gewonnen, aber mich nichts verloren. Dagegen war es an Er¬
fahrung reicher und infolge dessen erheblich vorsichtiger geworden.

So hütete man sich denn weislich vor Betheiligung am russisch-türkischen
Kriege, der bald nach dem Abschlüsse deS Friedens zwischen Serbien und der
Pforte ausgebrochen war, und erst um l2. December 1877 erfolgte eine Pro-
clamation an die Serben, welche sie zur Befreiung des Vaterlandes aufrief,
und die Kriegserklärung an die Pforte. Letztre wurde zwar von Sultan mit
der Absetzung des Fürsten beantwortet, indeß lagen diesmal die Verhältnisse
günstiger. Fürst Milan, der jetzt selbst den Oberbefehl über die Armee über¬
nahm, stieß bei seinem Vormarsch nnr auf geringe Reste türkischer Truppen
und eroberte bis zum Waffenstillstande, Ende Januar 1878, Pirol und Risch
sowie einen großen Theil Altscrbiens. Im Frieden von San Stefano und im
Berliner Vertrage erlangte er die volle Unabhängigkeit von der Pforte und
eine beträchtliche Erweiterung seines Gebietes, worauf er den Titel „Hoheit"
annahm.

Seine Wünsche gingen zwar schon damals weiter. Doch wurden sie in diesem
Umfange nicht sofort befriedigt. Wenn auch der Berliner Congreß den voll¬
endeten Thatsachen in betreff Rumäniens, Montenegros und Serbiens Rechnung
trug und ihnen erhebliche Stücke bisher türkischen Landes znertheilte, so zeigte
er doch taube Ohren für Andentungen, welche ihm von selten der soeben frei¬
gegebnen und vergrößerten Balkan- und Dvuaustaaten bezüglich eiuer Rang¬
erhöhung ihrer Fürsten gemacht wurden. Die Aeußerung dieser ticfempfuudneu
Bedürfnisse schien eben damals noch verfrüht. Rumänien wie Serbien empfingen
den höflichen Rath, sich in der Zahl und dem Wesen ihrer Anliegen zu mäßigen
und zu gedulden und sich vorläufig mit dem immerhin sehr werthvollen Er¬
reichten zufrieden zu geben. Besonders Serbien hatte zu solcher Genügsamkeit
alle Ursache. Sein Antheil an der Beute war unverhältnißmäßig reichlich aus¬
gefallen, wenn mau ihn mit seinen Leistungen während des Krieges zusammenhielt.
Rumänien hatte sehr große Opfer an Blut und Geld gebracht, die Tapferkeit


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0053" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150203"/>
          <fw type="header" place="top"> Neue Königski'olu'n lin der Do&gt;un&gt;.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_162" prev="#ID_161"> seiner Soldaten bei Djunis erfochten, ganz und gar zusaiunien, und der in der<lb/>
Geburt verunglückte König mußte sich denuithig um die Vermittlung Europas be-<lb/>
mühen, um dem Schicksale zu entgehen, mit dem ihn der gerechte Zorn seines Su-<lb/>
zeräns bedrohte. Milan Obreuvwitsch gab, als die siegreichen türkischen Tabors auf<lb/>
seine Hauptstadt loSmarschirten und die von panischen Schrecken erfüllten Rotten<lb/>
bewaffneter serbischer Bauern wie der Wolf die Schafheerde vor sich hcrtrieben,<lb/>
eine lobenswerthe Neigung t'und, für Begnadigung dankbar zu sein, und ver¬<lb/>
pflichtete sich sofort, für die Zukunft Ruhe zu halten, wenn mau ihn: beim Sultan<lb/>
Beibehaltung seines fürstliche» Ranges und die Erlaubniß, nach den alten Be¬<lb/>
dingungen weiter zu regieren, auswirken wollte. Man verfuhr generöser gegen<lb/>
ihn, als er es verdient hatte. Die Mächte fielen der Türkei in den zum letzten<lb/>
Schlage erhobnen Arm, und Serbien kam wirklich mit einem blauen Auge davon.<lb/>
Es hatte nichts gewonnen, aber mich nichts verloren. Dagegen war es an Er¬<lb/>
fahrung reicher und infolge dessen erheblich vorsichtiger geworden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_163"> So hütete man sich denn weislich vor Betheiligung am russisch-türkischen<lb/>
Kriege, der bald nach dem Abschlüsse deS Friedens zwischen Serbien und der<lb/>
Pforte ausgebrochen war, und erst um l2. December 1877 erfolgte eine Pro-<lb/>
clamation an die Serben, welche sie zur Befreiung des Vaterlandes aufrief,<lb/>
und die Kriegserklärung an die Pforte. Letztre wurde zwar von Sultan mit<lb/>
der Absetzung des Fürsten beantwortet, indeß lagen diesmal die Verhältnisse<lb/>
günstiger. Fürst Milan, der jetzt selbst den Oberbefehl über die Armee über¬<lb/>
nahm, stieß bei seinem Vormarsch nnr auf geringe Reste türkischer Truppen<lb/>
und eroberte bis zum Waffenstillstande, Ende Januar 1878, Pirol und Risch<lb/>
sowie einen großen Theil Altscrbiens. Im Frieden von San Stefano und im<lb/>
Berliner Vertrage erlangte er die volle Unabhängigkeit von der Pforte und<lb/>
eine beträchtliche Erweiterung seines Gebietes, worauf er den Titel &#x201E;Hoheit"<lb/>
annahm.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_164" next="#ID_165"> Seine Wünsche gingen zwar schon damals weiter. Doch wurden sie in diesem<lb/>
Umfange nicht sofort befriedigt. Wenn auch der Berliner Congreß den voll¬<lb/>
endeten Thatsachen in betreff Rumäniens, Montenegros und Serbiens Rechnung<lb/>
trug und ihnen erhebliche Stücke bisher türkischen Landes znertheilte, so zeigte<lb/>
er doch taube Ohren für Andentungen, welche ihm von selten der soeben frei¬<lb/>
gegebnen und vergrößerten Balkan- und Dvuaustaaten bezüglich eiuer Rang¬<lb/>
erhöhung ihrer Fürsten gemacht wurden. Die Aeußerung dieser ticfempfuudneu<lb/>
Bedürfnisse schien eben damals noch verfrüht. Rumänien wie Serbien empfingen<lb/>
den höflichen Rath, sich in der Zahl und dem Wesen ihrer Anliegen zu mäßigen<lb/>
und zu gedulden und sich vorläufig mit dem immerhin sehr werthvollen Er¬<lb/>
reichten zufrieden zu geben. Besonders Serbien hatte zu solcher Genügsamkeit<lb/>
alle Ursache. Sein Antheil an der Beute war unverhältnißmäßig reichlich aus¬<lb/>
gefallen, wenn mau ihn mit seinen Leistungen während des Krieges zusammenhielt.<lb/>
Rumänien hatte sehr große Opfer an Blut und Geld gebracht, die Tapferkeit</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0053] Neue Königski'olu'n lin der Do>un>. seiner Soldaten bei Djunis erfochten, ganz und gar zusaiunien, und der in der Geburt verunglückte König mußte sich denuithig um die Vermittlung Europas be- mühen, um dem Schicksale zu entgehen, mit dem ihn der gerechte Zorn seines Su- zeräns bedrohte. Milan Obreuvwitsch gab, als die siegreichen türkischen Tabors auf seine Hauptstadt loSmarschirten und die von panischen Schrecken erfüllten Rotten bewaffneter serbischer Bauern wie der Wolf die Schafheerde vor sich hcrtrieben, eine lobenswerthe Neigung t'und, für Begnadigung dankbar zu sein, und ver¬ pflichtete sich sofort, für die Zukunft Ruhe zu halten, wenn mau ihn: beim Sultan Beibehaltung seines fürstliche» Ranges und die Erlaubniß, nach den alten Be¬ dingungen weiter zu regieren, auswirken wollte. Man verfuhr generöser gegen ihn, als er es verdient hatte. Die Mächte fielen der Türkei in den zum letzten Schlage erhobnen Arm, und Serbien kam wirklich mit einem blauen Auge davon. Es hatte nichts gewonnen, aber mich nichts verloren. Dagegen war es an Er¬ fahrung reicher und infolge dessen erheblich vorsichtiger geworden. So hütete man sich denn weislich vor Betheiligung am russisch-türkischen Kriege, der bald nach dem Abschlüsse deS Friedens zwischen Serbien und der Pforte ausgebrochen war, und erst um l2. December 1877 erfolgte eine Pro- clamation an die Serben, welche sie zur Befreiung des Vaterlandes aufrief, und die Kriegserklärung an die Pforte. Letztre wurde zwar von Sultan mit der Absetzung des Fürsten beantwortet, indeß lagen diesmal die Verhältnisse günstiger. Fürst Milan, der jetzt selbst den Oberbefehl über die Armee über¬ nahm, stieß bei seinem Vormarsch nnr auf geringe Reste türkischer Truppen und eroberte bis zum Waffenstillstande, Ende Januar 1878, Pirol und Risch sowie einen großen Theil Altscrbiens. Im Frieden von San Stefano und im Berliner Vertrage erlangte er die volle Unabhängigkeit von der Pforte und eine beträchtliche Erweiterung seines Gebietes, worauf er den Titel „Hoheit" annahm. Seine Wünsche gingen zwar schon damals weiter. Doch wurden sie in diesem Umfange nicht sofort befriedigt. Wenn auch der Berliner Congreß den voll¬ endeten Thatsachen in betreff Rumäniens, Montenegros und Serbiens Rechnung trug und ihnen erhebliche Stücke bisher türkischen Landes znertheilte, so zeigte er doch taube Ohren für Andentungen, welche ihm von selten der soeben frei¬ gegebnen und vergrößerten Balkan- und Dvuaustaaten bezüglich eiuer Rang¬ erhöhung ihrer Fürsten gemacht wurden. Die Aeußerung dieser ticfempfuudneu Bedürfnisse schien eben damals noch verfrüht. Rumänien wie Serbien empfingen den höflichen Rath, sich in der Zahl und dem Wesen ihrer Anliegen zu mäßigen und zu gedulden und sich vorläufig mit dem immerhin sehr werthvollen Er¬ reichten zufrieden zu geben. Besonders Serbien hatte zu solcher Genügsamkeit alle Ursache. Sein Antheil an der Beute war unverhältnißmäßig reichlich aus¬ gefallen, wenn mau ihn mit seinen Leistungen während des Krieges zusammenhielt. Rumänien hatte sehr große Opfer an Blut und Geld gebracht, die Tapferkeit

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/53
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/53>, abgerufen am 24.11.2024.