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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Die akademische Kunstausstellung in Berlin.

Ungleich tragischer und ergreifender ist der Tod von Christians Gegner,
dein edlen Reichsverweser Schwedens, Seen Sture, durch einen in München
ansässigen schwedischen Maler Carl Gustav Hellquist dargestellt worden.
Das Bild, welches schon in Düsseldorf zu sehen war, schildert den Moment,
wie Seen Sture, der trotz seiner in der Schlacht bei Bogesund empfangenen
Wunde nach Stockholm eilte, um die Hauptstadt zu schützen, auf dem Eise des
Mälarsee von der Todesstunde überrascht wird. Nur zwei Männer, der Kutscher
und ein Gefährte, wohnen dem Tode des Helden bei. Durch die öde, schnee¬
bedeckte Landschaft, in welcher der Schlitten Halt gemacht hat, wird der er¬
greifende Eindruck der Seene noch verstärkt. In der trostlosen winterlichen
Natur noch die Schrecken des Todes!

An gemalten Mordgeschichten sehlt es auch der Berliner Ausstellung nicht.
Die schauerlichste derselben ist das "Gastmahl des Gero" von Carl Gehrts
in Düsseldorf. Dies Mahl endete damit, daß der Markgraf die Häuptlinge der
Slaven, welche er eingeladen hatte, ermorden ließ, weil sie das Christenthum
nicht annehmen wollten. Die widerliche Schlächterscene ist ebenso roh aufgefaßt
als gemalt. Es fehlt doch den deutschen Malern, die sich an derartige Auf¬
gaben wagen, einerseits die Kraft des Pathos, andrerseits das Raffinement
der technischen Ausführung, durch welche die Franzosen dem Beschauer ein ge¬
wisses Interesse an solchen Greuelgeschichteil abzuzwingen wissen. Auch die
Darstellung einer in Todesqualen sich windenden Kreusa von Georg Jakobides
in München ist lahm in der Composition und flau und ungesund in der
Färbung.

Mit der alten Historie hat die diesjährige Kunstausstellung kein Glück.
Daß die neueste etwas besser weggekommen ist, verdanken wir G. Bleibtreu,
der auf verhältnißmäßig kleinem Raume den ganzen Apparat einer modernen
Schlacht mit Massenkampf und Einzelgefecht entwickelt hat. Der König von
Würtemberg hatte ihm den Auftrag gegeben, den Antheil zu schildern, welchen
die Würtenberger an der Schlacht bei Wörth genommen. Der Künstler wählte
den Schlußmoment: den Sturm der Würtenberger auf Fröschweiler, welcher
die Franzosen aus ihrer letzten Position warf und die allgemeine Deroute des
Feindes besiegelte. Die französische Artillerie, welche das Dorf vertheidigt, ist
eben aufgesessen, um sich dem Rückzüge der Infanterie anzuschließen. Im Hinter¬
gründe sieht man lange Heersäulen die Straße nach Reichshofen hinabziehen.
auf allen Punkten durch deutsche Truppen angegriffen. Inzwischen stürmt im
Vordergründe noch eine Abtheilung würtembergischer Infanterie gegen das Dorf,
um die letzten Franzosen hinauszutreiben und den Fliehenden den Rückzug ab¬
zuschneiden. Hier löst sich der Kampf in einzelne Episoden voll packender Wahr¬
heit auf, während sich im Hintergrunde die Massen entfalten. Das Ganze ist
""gewöhnlich dramatisch belebt, was sich daraus erklärt, daß der Künstler nicht
nur diesem Entscheidungskampfe beigewohnt hat, sondern auch infolge einer un-


Die akademische Kunstausstellung in Berlin.

Ungleich tragischer und ergreifender ist der Tod von Christians Gegner,
dein edlen Reichsverweser Schwedens, Seen Sture, durch einen in München
ansässigen schwedischen Maler Carl Gustav Hellquist dargestellt worden.
Das Bild, welches schon in Düsseldorf zu sehen war, schildert den Moment,
wie Seen Sture, der trotz seiner in der Schlacht bei Bogesund empfangenen
Wunde nach Stockholm eilte, um die Hauptstadt zu schützen, auf dem Eise des
Mälarsee von der Todesstunde überrascht wird. Nur zwei Männer, der Kutscher
und ein Gefährte, wohnen dem Tode des Helden bei. Durch die öde, schnee¬
bedeckte Landschaft, in welcher der Schlitten Halt gemacht hat, wird der er¬
greifende Eindruck der Seene noch verstärkt. In der trostlosen winterlichen
Natur noch die Schrecken des Todes!

An gemalten Mordgeschichten sehlt es auch der Berliner Ausstellung nicht.
Die schauerlichste derselben ist das „Gastmahl des Gero" von Carl Gehrts
in Düsseldorf. Dies Mahl endete damit, daß der Markgraf die Häuptlinge der
Slaven, welche er eingeladen hatte, ermorden ließ, weil sie das Christenthum
nicht annehmen wollten. Die widerliche Schlächterscene ist ebenso roh aufgefaßt
als gemalt. Es fehlt doch den deutschen Malern, die sich an derartige Auf¬
gaben wagen, einerseits die Kraft des Pathos, andrerseits das Raffinement
der technischen Ausführung, durch welche die Franzosen dem Beschauer ein ge¬
wisses Interesse an solchen Greuelgeschichteil abzuzwingen wissen. Auch die
Darstellung einer in Todesqualen sich windenden Kreusa von Georg Jakobides
in München ist lahm in der Composition und flau und ungesund in der
Färbung.

Mit der alten Historie hat die diesjährige Kunstausstellung kein Glück.
Daß die neueste etwas besser weggekommen ist, verdanken wir G. Bleibtreu,
der auf verhältnißmäßig kleinem Raume den ganzen Apparat einer modernen
Schlacht mit Massenkampf und Einzelgefecht entwickelt hat. Der König von
Würtemberg hatte ihm den Auftrag gegeben, den Antheil zu schildern, welchen
die Würtenberger an der Schlacht bei Wörth genommen. Der Künstler wählte
den Schlußmoment: den Sturm der Würtenberger auf Fröschweiler, welcher
die Franzosen aus ihrer letzten Position warf und die allgemeine Deroute des
Feindes besiegelte. Die französische Artillerie, welche das Dorf vertheidigt, ist
eben aufgesessen, um sich dem Rückzüge der Infanterie anzuschließen. Im Hinter¬
gründe sieht man lange Heersäulen die Straße nach Reichshofen hinabziehen.
auf allen Punkten durch deutsche Truppen angegriffen. Inzwischen stürmt im
Vordergründe noch eine Abtheilung würtembergischer Infanterie gegen das Dorf,
um die letzten Franzosen hinauszutreiben und den Fliehenden den Rückzug ab¬
zuschneiden. Hier löst sich der Kampf in einzelne Episoden voll packender Wahr¬
heit auf, während sich im Hintergrunde die Massen entfalten. Das Ganze ist
""gewöhnlich dramatisch belebt, was sich daraus erklärt, daß der Künstler nicht
nur diesem Entscheidungskampfe beigewohnt hat, sondern auch infolge einer un-


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[0525] Die akademische Kunstausstellung in Berlin. Ungleich tragischer und ergreifender ist der Tod von Christians Gegner, dein edlen Reichsverweser Schwedens, Seen Sture, durch einen in München ansässigen schwedischen Maler Carl Gustav Hellquist dargestellt worden. Das Bild, welches schon in Düsseldorf zu sehen war, schildert den Moment, wie Seen Sture, der trotz seiner in der Schlacht bei Bogesund empfangenen Wunde nach Stockholm eilte, um die Hauptstadt zu schützen, auf dem Eise des Mälarsee von der Todesstunde überrascht wird. Nur zwei Männer, der Kutscher und ein Gefährte, wohnen dem Tode des Helden bei. Durch die öde, schnee¬ bedeckte Landschaft, in welcher der Schlitten Halt gemacht hat, wird der er¬ greifende Eindruck der Seene noch verstärkt. In der trostlosen winterlichen Natur noch die Schrecken des Todes! An gemalten Mordgeschichten sehlt es auch der Berliner Ausstellung nicht. Die schauerlichste derselben ist das „Gastmahl des Gero" von Carl Gehrts in Düsseldorf. Dies Mahl endete damit, daß der Markgraf die Häuptlinge der Slaven, welche er eingeladen hatte, ermorden ließ, weil sie das Christenthum nicht annehmen wollten. Die widerliche Schlächterscene ist ebenso roh aufgefaßt als gemalt. Es fehlt doch den deutschen Malern, die sich an derartige Auf¬ gaben wagen, einerseits die Kraft des Pathos, andrerseits das Raffinement der technischen Ausführung, durch welche die Franzosen dem Beschauer ein ge¬ wisses Interesse an solchen Greuelgeschichteil abzuzwingen wissen. Auch die Darstellung einer in Todesqualen sich windenden Kreusa von Georg Jakobides in München ist lahm in der Composition und flau und ungesund in der Färbung. Mit der alten Historie hat die diesjährige Kunstausstellung kein Glück. Daß die neueste etwas besser weggekommen ist, verdanken wir G. Bleibtreu, der auf verhältnißmäßig kleinem Raume den ganzen Apparat einer modernen Schlacht mit Massenkampf und Einzelgefecht entwickelt hat. Der König von Würtemberg hatte ihm den Auftrag gegeben, den Antheil zu schildern, welchen die Würtenberger an der Schlacht bei Wörth genommen. Der Künstler wählte den Schlußmoment: den Sturm der Würtenberger auf Fröschweiler, welcher die Franzosen aus ihrer letzten Position warf und die allgemeine Deroute des Feindes besiegelte. Die französische Artillerie, welche das Dorf vertheidigt, ist eben aufgesessen, um sich dem Rückzüge der Infanterie anzuschließen. Im Hinter¬ gründe sieht man lange Heersäulen die Straße nach Reichshofen hinabziehen. auf allen Punkten durch deutsche Truppen angegriffen. Inzwischen stürmt im Vordergründe noch eine Abtheilung würtembergischer Infanterie gegen das Dorf, um die letzten Franzosen hinauszutreiben und den Fliehenden den Rückzug ab¬ zuschneiden. Hier löst sich der Kampf in einzelne Episoden voll packender Wahr¬ heit auf, während sich im Hintergrunde die Massen entfalten. Das Ganze ist ""gewöhnlich dramatisch belebt, was sich daraus erklärt, daß der Künstler nicht nur diesem Entscheidungskampfe beigewohnt hat, sondern auch infolge einer un-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/525>, abgerufen am 01.09.2024.