Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.Die akademische Aunstausstellung in Berlin. . von der seichten Berliner Aufklärungsmanie reden, welche alles'supranaturalistische schlicht und wahr aufgefaßt, dem Geiste der evangelischen Erzählung voll¬ Diese felsigen Töne liebt bis zur Widerwärtigkeit der belgische Maler Die akademische Aunstausstellung in Berlin. . von der seichten Berliner Aufklärungsmanie reden, welche alles'supranaturalistische schlicht und wahr aufgefaßt, dem Geiste der evangelischen Erzählung voll¬ Diese felsigen Töne liebt bis zur Widerwärtigkeit der belgische Maler <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0524" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150674"/> <fw type="header" place="top"> Die akademische Aunstausstellung in Berlin. .</fw><lb/> <p xml:id="ID_1684" prev="#ID_1683"> von der seichten Berliner Aufklärungsmanie reden, welche alles'supranaturalistische<lb/> in rationalistische Formeln übersetzt. Nächst der Landschaft ist übrigens die Ge¬<lb/> berde des Heilands, welcher sich energisch von der schon im Nebel halb ver¬<lb/> schwindenden Versucherin abwendet, wohl gelungen. Allerdings auch etwas<lb/> opernhaft, aber doch im Einklang mit der ganzen Scene, die etwas von den?<lb/> Schlußeffect eines Melodramas hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1685"> schlicht und wahr aufgefaßt, dem Geiste der evangelischen Erzählung voll¬<lb/> kommen entsprechend ist dagegen Eduard von Hagens „Heimkehr von der Grab¬<lb/> legung." Der Künstler, ein Zögling der Weimarer Kunstschule, hatte schon im<lb/> vorigen Jahre in der Schilderung des Gleichnisses vom barmherzigen Samariter<lb/> die Probe eines ernsten Strebens und eines beachtenswerthen Compositions-<lb/> talents abgelegt. Der Schwerpunkt des diesjährigen Bildes liegt nicht so sehr<lb/> in der Composition, als in der Charakteristik der Figuren, die unter dem Drucke<lb/> eines tiefschmerzlichen Ereignisses stehen. Es sind Joseph von Arimathia, Niko-<lb/> demus und die drei Marien, welche dem Heiland den letzten Liebesdienst er¬<lb/> wiesen haben und sich nun ganz den Gefühlen der Trauer überlassen. Der<lb/> wilde Schmerz im Mutterherzen ist bereits ruhigern Empfindungen gewichen,<lb/> und auch bei den andern hat der Schmerz um den Freund und Lehrer bereits<lb/> eine verklärte und geläuterte Form angenommen. In der Bildung der Köpfe<lb/> ist der Mittelweg zwischen Gewöhnlichkeit und unwahrer Jdealisirung glücklich<lb/> inne gehalten. Das Colorit ist innerhalb einer ernstgestimmten Farbenscala ge¬<lb/> sund und kräftig. Nur im Fleische stört hie und da noch ein felsiger, kreidiger<lb/> Ton, der uns schon an der vorjährigen Arbeit des Künstlers unangenehm auffiel.</p><lb/> <p xml:id="ID_1686"> Diese felsigen Töne liebt bis zur Widerwärtigkeit der belgische Maler<lb/> Alexander Struys, welcher seit einigen Jahren als Lehrer an der Kunstschule<lb/> in Weimar thätig ist. Er holt seine Stoffe gern aus den socialen Tiefen der<lb/> menschlichen Gesellschaft und hat sich zu diesem Zweck eine überaus crasse<lb/> Farbengebung angeeignet, die sich gern in den äußersten Contrasten bewegt. In<lb/> diesem Jahre hat er ein historisches Bild eingesendet: König Christian II. von<lb/> Dänemark im Thurm von Sonderburg. Es ist auch kein gerade freundliches<lb/> Thema, da der gefangene Monarch, der seine Greuelthaten durch eine sech¬<lb/> zehnjährige Einkerkerung in dem engen und finstern Verließe büßen mußte, uns<lb/> trotz seiner schrecklichen Strafe keine Sympathien einflößt. Unser Mitgefühl<lb/> wendet sich höchstens dem unglücklichen Narren im rothen Faschingskleide zu,<lb/> der verurtheilt ist, das Elend seines Herrn zu theilen. Er sitzt im Halbdunkel<lb/> des Hintergrundes, stört also nicht das Gemisch von schwarzen, grauen, braunen<lb/> und gelblich-weißen Tönen, welche den übrigen Theil der Bildflüche erfüllen.<lb/> Christian steht am Tische, die Hand auf die Platte gestemmt, in welcher die¬<lb/> selbe bekanntlich ihre Spuren hinterlassen haben soll. Ein Gemälde, ungesund<lb/> und unerfreulich durch und durch, wie alles, was Struhs bisher auf deutschen<lb/> Ausstellungen gezeigt hat.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0524]
Die akademische Aunstausstellung in Berlin. .
von der seichten Berliner Aufklärungsmanie reden, welche alles'supranaturalistische
in rationalistische Formeln übersetzt. Nächst der Landschaft ist übrigens die Ge¬
berde des Heilands, welcher sich energisch von der schon im Nebel halb ver¬
schwindenden Versucherin abwendet, wohl gelungen. Allerdings auch etwas
opernhaft, aber doch im Einklang mit der ganzen Scene, die etwas von den?
Schlußeffect eines Melodramas hat.
schlicht und wahr aufgefaßt, dem Geiste der evangelischen Erzählung voll¬
kommen entsprechend ist dagegen Eduard von Hagens „Heimkehr von der Grab¬
legung." Der Künstler, ein Zögling der Weimarer Kunstschule, hatte schon im
vorigen Jahre in der Schilderung des Gleichnisses vom barmherzigen Samariter
die Probe eines ernsten Strebens und eines beachtenswerthen Compositions-
talents abgelegt. Der Schwerpunkt des diesjährigen Bildes liegt nicht so sehr
in der Composition, als in der Charakteristik der Figuren, die unter dem Drucke
eines tiefschmerzlichen Ereignisses stehen. Es sind Joseph von Arimathia, Niko-
demus und die drei Marien, welche dem Heiland den letzten Liebesdienst er¬
wiesen haben und sich nun ganz den Gefühlen der Trauer überlassen. Der
wilde Schmerz im Mutterherzen ist bereits ruhigern Empfindungen gewichen,
und auch bei den andern hat der Schmerz um den Freund und Lehrer bereits
eine verklärte und geläuterte Form angenommen. In der Bildung der Köpfe
ist der Mittelweg zwischen Gewöhnlichkeit und unwahrer Jdealisirung glücklich
inne gehalten. Das Colorit ist innerhalb einer ernstgestimmten Farbenscala ge¬
sund und kräftig. Nur im Fleische stört hie und da noch ein felsiger, kreidiger
Ton, der uns schon an der vorjährigen Arbeit des Künstlers unangenehm auffiel.
Diese felsigen Töne liebt bis zur Widerwärtigkeit der belgische Maler
Alexander Struys, welcher seit einigen Jahren als Lehrer an der Kunstschule
in Weimar thätig ist. Er holt seine Stoffe gern aus den socialen Tiefen der
menschlichen Gesellschaft und hat sich zu diesem Zweck eine überaus crasse
Farbengebung angeeignet, die sich gern in den äußersten Contrasten bewegt. In
diesem Jahre hat er ein historisches Bild eingesendet: König Christian II. von
Dänemark im Thurm von Sonderburg. Es ist auch kein gerade freundliches
Thema, da der gefangene Monarch, der seine Greuelthaten durch eine sech¬
zehnjährige Einkerkerung in dem engen und finstern Verließe büßen mußte, uns
trotz seiner schrecklichen Strafe keine Sympathien einflößt. Unser Mitgefühl
wendet sich höchstens dem unglücklichen Narren im rothen Faschingskleide zu,
der verurtheilt ist, das Elend seines Herrn zu theilen. Er sitzt im Halbdunkel
des Hintergrundes, stört also nicht das Gemisch von schwarzen, grauen, braunen
und gelblich-weißen Tönen, welche den übrigen Theil der Bildflüche erfüllen.
Christian steht am Tische, die Hand auf die Platte gestemmt, in welcher die¬
selbe bekanntlich ihre Spuren hinterlassen haben soll. Ein Gemälde, ungesund
und unerfreulich durch und durch, wie alles, was Struhs bisher auf deutschen
Ausstellungen gezeigt hat.
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