Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.politische Rückblicke und Ausblicke. fester Anhänger gebietet, schließt es ein Gefühl der Demüthigung ein, zu welchem Die Aeußerungen der Thronrede, welche die äußere Politik betreffen, scheinen Das klingt alles recht schön, aber besteht man sichs näher, so wird man Was die innern Fragen betrifft, so könnte sich England über die Mager¬ politische Rückblicke und Ausblicke. fester Anhänger gebietet, schließt es ein Gefühl der Demüthigung ein, zu welchem Die Aeußerungen der Thronrede, welche die äußere Politik betreffen, scheinen Das klingt alles recht schön, aber besteht man sichs näher, so wird man Was die innern Fragen betrifft, so könnte sich England über die Mager¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0495" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150645"/> <fw type="header" place="top"> politische Rückblicke und Ausblicke.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1564" prev="#ID_1563"> fester Anhänger gebietet, schließt es ein Gefühl der Demüthigung ein, zu welchem<lb/> man ihr durchaus nicht Glück wünschen kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_1565"> Die Aeußerungen der Thronrede, welche die äußere Politik betreffen, scheinen<lb/> den Zweck einer Entwaffnung der Kritik zu haben. Sie bequemen sich sichtlich<lb/> dem Geschmack jeder Partei an: der Quäker mit dein Olivenzweige wie der An¬<lb/> hänger einer streitbaren Politik, der britische Patriot wie der Kosmopolit kann<lb/> etwas für seinen Gaumen darin finden. Die Beziehungen zu allen Mächten<lb/> sind die einer herzlichen Freundschaft. Frankreich hat hinsichtlich der tunesischen<lb/> Affaire befriedigende Versicherungen ertheilt, und England hat durch den Wunsch,<lb/> den Handelsvertrag mit ihm zu erneuern, den Werth erkennen lassen, deu es<lb/> aus seine Freundschaft legt. Rußland erfährt, daß Gladstone nicht die Absicht<lb/> hat, in Afghanistan zu iutcrveuiren, und keine Befürchtungen wegen Indiens<lb/> hegt. Den Boers wird versichert, daß man ihnen traut und daß man ihnen<lb/> wegen des Vergangnen nicht grollt; daß sie uuter der Snzcränetüt der Königin<lb/> stehen sollen, bleibt verschwiegen. Die Afghanen werden benachrichtigt, daß<lb/> England, wenn sie des Bürgerkriegs müde und überdrüssig siud, ihnen zur<lb/> Wiederherstellung des Friedens seine guten Dienste anbieten will.</p><lb/> <p xml:id="ID_1566"> Das klingt alles recht schön, aber besteht man sichs näher, so wird man<lb/> den optimistischen Ton dieses Theils der Thronrede nicht recht am Orte finden.<lb/> Mau kann zugeben, daß die Bestimmungen des Berliner Tractats soweit aus¬<lb/> geführt worden siud. daß keine Aussichten auf ein baldiges Wicderaufbrechen<lb/> der orientalischen Wunde in gefährlicher Weise zu befürchten steht. Mau wird<lb/> ferner mit Herrn Gladstone der Meinung sein können, daß die nordafrikanische<lb/> Angelegenheit in ihrem nächsten Entwicklungsstadium niemand in Anspruch<lb/> "ebenen wird als Frankreich und einige herumschweifende Araberstämme. daß<lb/> sie also weder englische, noch italienische, noch türkische Interessen berühren wird.<lb/> Man kann endlich annehmen, daß künftig auf der Balkanhalbinsel eine Weile<lb/> Ruhe herrschen wird, daß die Griechen ihre neuen Staatsangehörigen in Thes¬<lb/> salien und Südepirus gut behandeln und ihre weitern Ansprüche auf türkisches<lb/> Gebiet für geraume Zeit vertagen werden, und daß dem Vordringen des rus¬<lb/> sischen Ehrgeizes gegen Konstantinopel auf Jahrzehnte hin Halt geboten ist.<lb/> Aber es würde schweren Bedenken unterliegen, wenn man mit Herrn Gladstone<lb/> hoffen wollte, das Uebereinkommen mit den Boers werde „Stabilität" in die<lb/> Angelegenheiten Südafrikas bringen, und die nordwestliche Grenze Britisch-<lb/> Jndiens sei durch die Preisgebung Kandahars gesichert worden. Lord Hartington<lb/> '"uß wissen, daß eine öffentliche Erklärung Englands, man werde sich der<lb/> Einmischung in die Streitigkeiten der Afghanenfürsten enthalten, einer Er¬<lb/> mutigung'der Russen gleichkommt, sich ihrerseits einzumischen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1567" next="#ID_1568"> Was die innern Fragen betrifft, so könnte sich England über die Mager¬<lb/> keit der Leistungen seines Parlaments in der letzten Session hinwegsetzen, wenn<lb/> es sicher wäre, daß die irische Landaete. die Hauptleistung desselben, ihren</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0495]
politische Rückblicke und Ausblicke.
fester Anhänger gebietet, schließt es ein Gefühl der Demüthigung ein, zu welchem
man ihr durchaus nicht Glück wünschen kann.
Die Aeußerungen der Thronrede, welche die äußere Politik betreffen, scheinen
den Zweck einer Entwaffnung der Kritik zu haben. Sie bequemen sich sichtlich
dem Geschmack jeder Partei an: der Quäker mit dein Olivenzweige wie der An¬
hänger einer streitbaren Politik, der britische Patriot wie der Kosmopolit kann
etwas für seinen Gaumen darin finden. Die Beziehungen zu allen Mächten
sind die einer herzlichen Freundschaft. Frankreich hat hinsichtlich der tunesischen
Affaire befriedigende Versicherungen ertheilt, und England hat durch den Wunsch,
den Handelsvertrag mit ihm zu erneuern, den Werth erkennen lassen, deu es
aus seine Freundschaft legt. Rußland erfährt, daß Gladstone nicht die Absicht
hat, in Afghanistan zu iutcrveuiren, und keine Befürchtungen wegen Indiens
hegt. Den Boers wird versichert, daß man ihnen traut und daß man ihnen
wegen des Vergangnen nicht grollt; daß sie uuter der Snzcränetüt der Königin
stehen sollen, bleibt verschwiegen. Die Afghanen werden benachrichtigt, daß
England, wenn sie des Bürgerkriegs müde und überdrüssig siud, ihnen zur
Wiederherstellung des Friedens seine guten Dienste anbieten will.
Das klingt alles recht schön, aber besteht man sichs näher, so wird man
den optimistischen Ton dieses Theils der Thronrede nicht recht am Orte finden.
Mau kann zugeben, daß die Bestimmungen des Berliner Tractats soweit aus¬
geführt worden siud. daß keine Aussichten auf ein baldiges Wicderaufbrechen
der orientalischen Wunde in gefährlicher Weise zu befürchten steht. Mau wird
ferner mit Herrn Gladstone der Meinung sein können, daß die nordafrikanische
Angelegenheit in ihrem nächsten Entwicklungsstadium niemand in Anspruch
"ebenen wird als Frankreich und einige herumschweifende Araberstämme. daß
sie also weder englische, noch italienische, noch türkische Interessen berühren wird.
Man kann endlich annehmen, daß künftig auf der Balkanhalbinsel eine Weile
Ruhe herrschen wird, daß die Griechen ihre neuen Staatsangehörigen in Thes¬
salien und Südepirus gut behandeln und ihre weitern Ansprüche auf türkisches
Gebiet für geraume Zeit vertagen werden, und daß dem Vordringen des rus¬
sischen Ehrgeizes gegen Konstantinopel auf Jahrzehnte hin Halt geboten ist.
Aber es würde schweren Bedenken unterliegen, wenn man mit Herrn Gladstone
hoffen wollte, das Uebereinkommen mit den Boers werde „Stabilität" in die
Angelegenheiten Südafrikas bringen, und die nordwestliche Grenze Britisch-
Jndiens sei durch die Preisgebung Kandahars gesichert worden. Lord Hartington
'"uß wissen, daß eine öffentliche Erklärung Englands, man werde sich der
Einmischung in die Streitigkeiten der Afghanenfürsten enthalten, einer Er¬
mutigung'der Russen gleichkommt, sich ihrerseits einzumischen.
Was die innern Fragen betrifft, so könnte sich England über die Mager¬
keit der Leistungen seines Parlaments in der letzten Session hinwegsetzen, wenn
es sicher wäre, daß die irische Landaete. die Hauptleistung desselben, ihren
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |