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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Aus und über Amerika.

as kürzlich erschienene in fcnilletonistischer Fassung geschriebene Buch
von Ernst v, Hesse-Wcirtegg, welches unter dem Titel "Mississippi-
Fahrten" (Leipzig, 1881) eine Reihe interessanter Reisebilder aus
den Südstaaten der nordamerikanischen Union darbietet, enthält neben
vielen wahrheitsgetreuer Schilderungen und beachtenswerthen Be¬
merkungen doch auch einzelne Behauptungen, die nur mit großen Ein¬
schränkungen als richtig bezeichnet werden können. Dies gilt namentlich von denjenigen
Mittheilungen, welche der Verfasser über die europäische, bez. deutsche Einwande¬
rung nach den frühern Selavenstaaten macht. So heißt es z, B, S, 151: "Weiße
Emigranten finden heute in deu Plantagen des Südens viel und gut bezahlte Be¬
schäftigung" und S. 347: "Auch der europäische Einwanderer wird jetzt nicht mehr
wie früher mit scheelen Augen angesehen, sondern in den meisten Staaten (des
Südens) sogar mit Freuden begrüßt und ihm jede mögliche Erleichterung gewährt."

Es ist richtig, viele der ehemaligen Sclavenhalter und Plantagenbesitzer im
Süden der Vereinigten Staaten gelangen mehr und mehr zu der Ueberzeugung,
daß seit Aufhebung der Negersclaverei bei ihnen ein andres Wirthschaftssystem Platz
greifen müsse, als wie es vor zwanzig Jahren von ihnen beobachtet und gehand¬
habt wurde. Sie gewöhnen sich, wenn anch meist widerstrebend, an den Gedanken,
daß sie keine Sklavenhalter mehr sind und es nicht sein können; auch begreifen
sie, daß ein Peonensystem, wie es in Mexico und Central-Amerika herrscht, in
der Union unmöglich ist, sowohl mit der schwarzen Bevölkerung, wie mit den
Weißen Eingewanderten. Wie wohlunterrichtete amerikanische Blätter melden, kommen
diejenigen Einwanderer, namentlich die deutschen, welche sich in den Staaten Mis¬
sissippi, Alabama, Tennessee und dem nördlichen Georgia als Ackerbauer oder Hand¬
werker niederließen, durchschnittlich sehr gut durch; auch in Süd-Carolina finden
sich einige blühende deutsche Kolonien. Andrerseits fehlt es aber anch nicht an
traurigen Nachrichten. So veröffentlichte jüngst die "New-Uorker Staatszeitung,"
ein Blatt, welches zu den bedeutendsten und dein demokratischen Süden nicht
feindlich gesinnten deutsch-amerikanischen Zeitungen gehört, verschiedne Mitthei¬
lungen aus den Südstaaten, nach denen die Lage der deutschen Einwanderer in
jenen Gegenden keineswegs beneidenswerth ist. Wir entnehmen einer Zuschrift
aus Barnwell County in Süd-Carolina u. a. folgenden Passus: "Da hier in Süd-
Carolina sowohl, wie im Süden überhaupt, viel agitirt wird, die Einwanderung
aus Europa Hieher zu ziehen, so mag es für die Einwanderungslustigen von
Vortheil sein, wenn sie über die hiesigen Zustände die thatsächliche, ungeschminkte
Wahrheit erfahren. Die besagte Agitation hat einen vorwiegend politischen Grund.
Das Grundeigenthum in diesen Gegenden gehört im großen und ganzen den
Weißen Einwohnern, und die meisten von diesen sind wiederum alte Plantagen-
und Skaveneigenthümer, welche die guten alten Zeiten weder vergessen können
noch wollen. Diese Leute wollen noch jetzt, wie früher, wenig arbeiten, aber
herrschen. Die arbeitenden Klassen sind meistens Neger, doch auch einige Weiße
(wluto wzsli), welche aber kaum auf einer höhern Stufe stehen als die Schwarzen.
Eine Mittelklasse, wie in andern Staaten und Ländern, existirt hier nicht, wenigstens


Aus und über Amerika.

as kürzlich erschienene in fcnilletonistischer Fassung geschriebene Buch
von Ernst v, Hesse-Wcirtegg, welches unter dem Titel „Mississippi-
Fahrten" (Leipzig, 1881) eine Reihe interessanter Reisebilder aus
den Südstaaten der nordamerikanischen Union darbietet, enthält neben
vielen wahrheitsgetreuer Schilderungen und beachtenswerthen Be¬
merkungen doch auch einzelne Behauptungen, die nur mit großen Ein¬
schränkungen als richtig bezeichnet werden können. Dies gilt namentlich von denjenigen
Mittheilungen, welche der Verfasser über die europäische, bez. deutsche Einwande¬
rung nach den frühern Selavenstaaten macht. So heißt es z, B, S, 151: „Weiße
Emigranten finden heute in deu Plantagen des Südens viel und gut bezahlte Be¬
schäftigung" und S. 347: „Auch der europäische Einwanderer wird jetzt nicht mehr
wie früher mit scheelen Augen angesehen, sondern in den meisten Staaten (des
Südens) sogar mit Freuden begrüßt und ihm jede mögliche Erleichterung gewährt."

Es ist richtig, viele der ehemaligen Sclavenhalter und Plantagenbesitzer im
Süden der Vereinigten Staaten gelangen mehr und mehr zu der Ueberzeugung,
daß seit Aufhebung der Negersclaverei bei ihnen ein andres Wirthschaftssystem Platz
greifen müsse, als wie es vor zwanzig Jahren von ihnen beobachtet und gehand¬
habt wurde. Sie gewöhnen sich, wenn anch meist widerstrebend, an den Gedanken,
daß sie keine Sklavenhalter mehr sind und es nicht sein können; auch begreifen
sie, daß ein Peonensystem, wie es in Mexico und Central-Amerika herrscht, in
der Union unmöglich ist, sowohl mit der schwarzen Bevölkerung, wie mit den
Weißen Eingewanderten. Wie wohlunterrichtete amerikanische Blätter melden, kommen
diejenigen Einwanderer, namentlich die deutschen, welche sich in den Staaten Mis¬
sissippi, Alabama, Tennessee und dem nördlichen Georgia als Ackerbauer oder Hand¬
werker niederließen, durchschnittlich sehr gut durch; auch in Süd-Carolina finden
sich einige blühende deutsche Kolonien. Andrerseits fehlt es aber anch nicht an
traurigen Nachrichten. So veröffentlichte jüngst die „New-Uorker Staatszeitung,"
ein Blatt, welches zu den bedeutendsten und dein demokratischen Süden nicht
feindlich gesinnten deutsch-amerikanischen Zeitungen gehört, verschiedne Mitthei¬
lungen aus den Südstaaten, nach denen die Lage der deutschen Einwanderer in
jenen Gegenden keineswegs beneidenswerth ist. Wir entnehmen einer Zuschrift
aus Barnwell County in Süd-Carolina u. a. folgenden Passus: „Da hier in Süd-
Carolina sowohl, wie im Süden überhaupt, viel agitirt wird, die Einwanderung
aus Europa Hieher zu ziehen, so mag es für die Einwanderungslustigen von
Vortheil sein, wenn sie über die hiesigen Zustände die thatsächliche, ungeschminkte
Wahrheit erfahren. Die besagte Agitation hat einen vorwiegend politischen Grund.
Das Grundeigenthum in diesen Gegenden gehört im großen und ganzen den
Weißen Einwohnern, und die meisten von diesen sind wiederum alte Plantagen-
und Skaveneigenthümer, welche die guten alten Zeiten weder vergessen können
noch wollen. Diese Leute wollen noch jetzt, wie früher, wenig arbeiten, aber
herrschen. Die arbeitenden Klassen sind meistens Neger, doch auch einige Weiße
(wluto wzsli), welche aber kaum auf einer höhern Stufe stehen als die Schwarzen.
Eine Mittelklasse, wie in andern Staaten und Ländern, existirt hier nicht, wenigstens


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[0477] Aus und über Amerika. as kürzlich erschienene in fcnilletonistischer Fassung geschriebene Buch von Ernst v, Hesse-Wcirtegg, welches unter dem Titel „Mississippi- Fahrten" (Leipzig, 1881) eine Reihe interessanter Reisebilder aus den Südstaaten der nordamerikanischen Union darbietet, enthält neben vielen wahrheitsgetreuer Schilderungen und beachtenswerthen Be¬ merkungen doch auch einzelne Behauptungen, die nur mit großen Ein¬ schränkungen als richtig bezeichnet werden können. Dies gilt namentlich von denjenigen Mittheilungen, welche der Verfasser über die europäische, bez. deutsche Einwande¬ rung nach den frühern Selavenstaaten macht. So heißt es z, B, S, 151: „Weiße Emigranten finden heute in deu Plantagen des Südens viel und gut bezahlte Be¬ schäftigung" und S. 347: „Auch der europäische Einwanderer wird jetzt nicht mehr wie früher mit scheelen Augen angesehen, sondern in den meisten Staaten (des Südens) sogar mit Freuden begrüßt und ihm jede mögliche Erleichterung gewährt." Es ist richtig, viele der ehemaligen Sclavenhalter und Plantagenbesitzer im Süden der Vereinigten Staaten gelangen mehr und mehr zu der Ueberzeugung, daß seit Aufhebung der Negersclaverei bei ihnen ein andres Wirthschaftssystem Platz greifen müsse, als wie es vor zwanzig Jahren von ihnen beobachtet und gehand¬ habt wurde. Sie gewöhnen sich, wenn anch meist widerstrebend, an den Gedanken, daß sie keine Sklavenhalter mehr sind und es nicht sein können; auch begreifen sie, daß ein Peonensystem, wie es in Mexico und Central-Amerika herrscht, in der Union unmöglich ist, sowohl mit der schwarzen Bevölkerung, wie mit den Weißen Eingewanderten. Wie wohlunterrichtete amerikanische Blätter melden, kommen diejenigen Einwanderer, namentlich die deutschen, welche sich in den Staaten Mis¬ sissippi, Alabama, Tennessee und dem nördlichen Georgia als Ackerbauer oder Hand¬ werker niederließen, durchschnittlich sehr gut durch; auch in Süd-Carolina finden sich einige blühende deutsche Kolonien. Andrerseits fehlt es aber anch nicht an traurigen Nachrichten. So veröffentlichte jüngst die „New-Uorker Staatszeitung," ein Blatt, welches zu den bedeutendsten und dein demokratischen Süden nicht feindlich gesinnten deutsch-amerikanischen Zeitungen gehört, verschiedne Mitthei¬ lungen aus den Südstaaten, nach denen die Lage der deutschen Einwanderer in jenen Gegenden keineswegs beneidenswerth ist. Wir entnehmen einer Zuschrift aus Barnwell County in Süd-Carolina u. a. folgenden Passus: „Da hier in Süd- Carolina sowohl, wie im Süden überhaupt, viel agitirt wird, die Einwanderung aus Europa Hieher zu ziehen, so mag es für die Einwanderungslustigen von Vortheil sein, wenn sie über die hiesigen Zustände die thatsächliche, ungeschminkte Wahrheit erfahren. Die besagte Agitation hat einen vorwiegend politischen Grund. Das Grundeigenthum in diesen Gegenden gehört im großen und ganzen den Weißen Einwohnern, und die meisten von diesen sind wiederum alte Plantagen- und Skaveneigenthümer, welche die guten alten Zeiten weder vergessen können noch wollen. Diese Leute wollen noch jetzt, wie früher, wenig arbeiten, aber herrschen. Die arbeitenden Klassen sind meistens Neger, doch auch einige Weiße (wluto wzsli), welche aber kaum auf einer höhern Stufe stehen als die Schwarzen. Eine Mittelklasse, wie in andern Staaten und Ländern, existirt hier nicht, wenigstens

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/477>, abgerufen am 25.11.2024.