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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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dort an dem Huldiguugsfeste, dann wieder später ein der Grundsteinlegung seines
neuen Schlosses, das Quandt auf einem in einer Kapsel geborgenen Briefe
Goethes aufführen ließ. Wie herzlich wurden aber auch von diefem Kreise Be¬
suche ausgezeichneter Fremder aufgenommen! Und Besuch kam Wohl das ganze
Jahr über. Alle literarischen und künstlerischen Größen berührten Dresden und
grüßten das Handwerk. Es waren Namen unter ihnen von bestem Klänge:
Heeren und Ottfried Müller, Schleiermacher und Blumenbach, Thiersch und
Schadow, Oken und Raumer, Ranke und Alexander v. Humboldt, Gottfried
Hermann und wiederholt auch Hegel, Von Dichtern kamen Müllner und Mahl¬
mann, Immermann und Andersen, Chamisso, der Weltumsegler, der aber doch
noch nicht in Dresden gewesen war, und Wilhelm Müller, der hochgefeierte
Dichter der Gricchenlieder; Matthisson erschien wiederholt, auch Oehleuschläger,
der "nordische Süngerkönig." 1823 streifte auch Grabbe Dresden, um Tiecks
Vermittlung nachzusuchen bei seinem Versuche, Anstellung beim Theater zu finden.
Tieck vermochte nichts für ihn zu thun, und so trieb er weiter, seinem schreck¬
lichen Untergange zu. Auch Wilhelm Hauff sprach 1826 auf seiner Reise ein
und schrieb von Leipzig aus an einen Freund, nicht ganz zutreffend: "Was
für einem Anblick gehe ich in Dresden entgegen! Da sitzt Tieck, der herrliche Tieck,
bei dem ganz Deutschland in die Schule gehen sollte, allein und verlassen!
Niemand glaubt an ihn, niemand will etwas von ihm. Gegenüber tanzt das
Gnomen- und Zwergvolk um den Abcndzeitungsgott Theodor Hell, machen So-
ncttchcn und Glossen, Dramachen, Lustspielchen, Triolettchcn, quaken lustig im
Sumpfe und halten sich für ganz tüchtige Nachtigallen, weil es immer einer dem
andern versichert, mit der Voraussetzung, der andre fahre retour," Friedrich Schlegel
kam noch einmal zu Ende des Jahres 1828, um Vorlesungen über Lebensphilo-
sophie zu halten. Mehr denn je erschien "der Oberpriester aller philosophischen,
politischen und poetischen Mystiker" von dunkler Prophetik erfüllt, sprach bisweilen
glänzend, öfter sophistisch, unklar und verworren, und so war er wohl mehr Gegen¬
stand der Neugier als der wahren Theilnahme. Er erkrankte in Dresden und starb
am 1l). Januar 1829. Am meisten wurde Jean Paul gefeiert, als er 1822 auf fünf
Wochen in Dresden verweilte. Festmahl auf Festmahl folgte ihm zu Ehren,
bei Frau von der Recke, bei Graf Loben, bei Baron Malsburg, bei Kühn, bei
Förster u. a., auch bei der Chezh, Als er bei der Chezy dinirte, wo er die
Elbbrücke überschauen konnte, bemerkte er, hindeutend auf das dort herrschende
Treiben: "So habe ichs gern, man sieht den Lärm und hört ihn doch nicht."
Doch schlug er auch gelegentlich ein ihm zu Ehren verunstaltetes Gastmahl
aus, wenn er etwa fürchtete, seinen Pudel Porto, den er sehr liebte, uicht mit¬
bringen zu dürfen, so beim Grafen Kalkreuth. Auch nach Pillnitz zu dem
Prinzen Johann ward er beschicken. Bei seiner Rückkehr äußerte er: "Die
Welt muß einem immer lieber werden, da es darin Prinzen von solchem Geiste,
von solchen Gesinnungen und Kenntnissen giebt, wie ich heute einen kennen und


dort an dem Huldiguugsfeste, dann wieder später ein der Grundsteinlegung seines
neuen Schlosses, das Quandt auf einem in einer Kapsel geborgenen Briefe
Goethes aufführen ließ. Wie herzlich wurden aber auch von diefem Kreise Be¬
suche ausgezeichneter Fremder aufgenommen! Und Besuch kam Wohl das ganze
Jahr über. Alle literarischen und künstlerischen Größen berührten Dresden und
grüßten das Handwerk. Es waren Namen unter ihnen von bestem Klänge:
Heeren und Ottfried Müller, Schleiermacher und Blumenbach, Thiersch und
Schadow, Oken und Raumer, Ranke und Alexander v. Humboldt, Gottfried
Hermann und wiederholt auch Hegel, Von Dichtern kamen Müllner und Mahl¬
mann, Immermann und Andersen, Chamisso, der Weltumsegler, der aber doch
noch nicht in Dresden gewesen war, und Wilhelm Müller, der hochgefeierte
Dichter der Gricchenlieder; Matthisson erschien wiederholt, auch Oehleuschläger,
der „nordische Süngerkönig." 1823 streifte auch Grabbe Dresden, um Tiecks
Vermittlung nachzusuchen bei seinem Versuche, Anstellung beim Theater zu finden.
Tieck vermochte nichts für ihn zu thun, und so trieb er weiter, seinem schreck¬
lichen Untergange zu. Auch Wilhelm Hauff sprach 1826 auf seiner Reise ein
und schrieb von Leipzig aus an einen Freund, nicht ganz zutreffend: „Was
für einem Anblick gehe ich in Dresden entgegen! Da sitzt Tieck, der herrliche Tieck,
bei dem ganz Deutschland in die Schule gehen sollte, allein und verlassen!
Niemand glaubt an ihn, niemand will etwas von ihm. Gegenüber tanzt das
Gnomen- und Zwergvolk um den Abcndzeitungsgott Theodor Hell, machen So-
ncttchcn und Glossen, Dramachen, Lustspielchen, Triolettchcn, quaken lustig im
Sumpfe und halten sich für ganz tüchtige Nachtigallen, weil es immer einer dem
andern versichert, mit der Voraussetzung, der andre fahre retour," Friedrich Schlegel
kam noch einmal zu Ende des Jahres 1828, um Vorlesungen über Lebensphilo-
sophie zu halten. Mehr denn je erschien „der Oberpriester aller philosophischen,
politischen und poetischen Mystiker" von dunkler Prophetik erfüllt, sprach bisweilen
glänzend, öfter sophistisch, unklar und verworren, und so war er wohl mehr Gegen¬
stand der Neugier als der wahren Theilnahme. Er erkrankte in Dresden und starb
am 1l). Januar 1829. Am meisten wurde Jean Paul gefeiert, als er 1822 auf fünf
Wochen in Dresden verweilte. Festmahl auf Festmahl folgte ihm zu Ehren,
bei Frau von der Recke, bei Graf Loben, bei Baron Malsburg, bei Kühn, bei
Förster u. a., auch bei der Chezh, Als er bei der Chezy dinirte, wo er die
Elbbrücke überschauen konnte, bemerkte er, hindeutend auf das dort herrschende
Treiben: „So habe ichs gern, man sieht den Lärm und hört ihn doch nicht."
Doch schlug er auch gelegentlich ein ihm zu Ehren verunstaltetes Gastmahl
aus, wenn er etwa fürchtete, seinen Pudel Porto, den er sehr liebte, uicht mit¬
bringen zu dürfen, so beim Grafen Kalkreuth. Auch nach Pillnitz zu dem
Prinzen Johann ward er beschicken. Bei seiner Rückkehr äußerte er: „Die
Welt muß einem immer lieber werden, da es darin Prinzen von solchem Geiste,
von solchen Gesinnungen und Kenntnissen giebt, wie ich heute einen kennen und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/464>, abgerufen am 01.09.2024.