Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Dresdener Zustände in den Jahre" ^31^5 bis ^330,

sich Champagner bringen und nöthigten die Vorübergehenden, gleichviel ob sie
herrisch oder fremd waren, auf die Gesundheit des Neugebornen anzustoßen.
Diese improvisirte patriotische Feier kam auch zu Ohren des Vaters, des Prinzen
Johann, der sich herzlichst darüber freute, zumal da dabei einige von denen sich
betheiligt hatten, welche zu dem Cirkel gehörten, den der Prinz seit der Mitte
der zwanziger Jahre von Zeit zu Zeit bei sich versammelte. Er selbst erzählt von
diesen Versammlungen: "Diese Stunden gehören zu meinen angenehmsten Er¬
innerungen, und sie gewährten mir oft die Vortheile, auf die leichteste Art die
Blüthe von manchem, mir fremden wissenschaftlichen Strauße zu pflücken. Außer
Miltitz j der Oberhofmeister des Prinzen >, welcher die Discussion zuweilen durch
Paradoxe Aufstellungen belebte, und meinem Bruder öder spätere König Friedrich
August j, der sich auch meist im Laufe des Abends einstellte, habe ich besonders
folgende Mitglieder namhaft zu machen. Ein stehender Gast war der geistreiche
und fast in allem Wissenswerthen bewanderte Geheime Legationsrath Breuer,
der auch einen rüstigen Kämpen in der Discussion abgab; nächstdem der liebens¬
würdige Förster, Lehrer am Cadettenhause, dein ich besonders in den italienischen
Studien begegnete; ferner war es der ausgezeichnete, mancherlei Studien liebende,
auch musikalisch durchgebildete Regierungsrath Scharschmidt; der belehrende, treff¬
liche Ccirus; der Erfinder der künstlichen Mineralwässer Dr. Struve; der Hofrath
Reichenbach, als Botaniker und naturgeschichtlicher Schriftsteller bekannt; der
^berhofprediger Dr. von Ammon und andre Notabilitäten." Diese Gesellschaft
wurde mehr und mehr, den Studien des Prinzen Johann folgend, eine Academia
Dantesca, in welcher dieser seine treffliche Uebersetzung des großen italienischen
Dichters, wie sie nach und nach entstand, vorlesen und beurtheilen ließ. So
betheiligte sich auch das Königshaus an den: Kunstleben der Residenz durch
die Prinzen Johann und Friedrich August, wie dann nicht minder durch die
Prinzessin Amalie, die beliebte Schauspieldichterin.*)

Ludwig Tieck, der wohl auch bisweilen zu der Academia Dcmtesea gezogen
Wurde, dankte dies vor allem seiner Meisterschaft im Vorlesen; er hatte dann
die Aufgabe, die prinzliche Uebersetzung in ihren einzelnen Theilen zu recitiren.
War doch seiue Kunst, Dichterwerke, besonders dramatische Stücke unvergleichlich
!chön zu lesen, weit über Dresdens Mauern hinaus bekannt und gerühmt; ihn
gehört zu haben, verlangte man im Auslande von jedem, der Dresden besucht
hatte. Oft, zeitweilig fast jeden Abend, sammelte er dann einen Kreis um sich
von seinen einheimischen Freunden und von zugereister Fremden, die sich bei ihm
hatten einführen lasse", um seine von niemand wieder, auch von Holtet nicht
^reichte Meisterschaft zu zeigen und ein Drama Shakespeares, Schillers oder



Karl Förster aber, der an jenem Aprilabend nicht bei Chiappone gewesen war und
°>e Geburt des künftigen Thronfolgers nicht mitgefeiert hatte, sandte um andern Morgen
^ beglückwünschendes Gedicht um den Prinzen, welches dieser mit einem ebenso poetisch
ü^Milanen als von hoher Vaterfreude und trefflichster Gesinnung zeugenden erwiederte.
Dresdener Zustände in den Jahre» ^31^5 bis ^330,

sich Champagner bringen und nöthigten die Vorübergehenden, gleichviel ob sie
herrisch oder fremd waren, auf die Gesundheit des Neugebornen anzustoßen.
Diese improvisirte patriotische Feier kam auch zu Ohren des Vaters, des Prinzen
Johann, der sich herzlichst darüber freute, zumal da dabei einige von denen sich
betheiligt hatten, welche zu dem Cirkel gehörten, den der Prinz seit der Mitte
der zwanziger Jahre von Zeit zu Zeit bei sich versammelte. Er selbst erzählt von
diesen Versammlungen: „Diese Stunden gehören zu meinen angenehmsten Er¬
innerungen, und sie gewährten mir oft die Vortheile, auf die leichteste Art die
Blüthe von manchem, mir fremden wissenschaftlichen Strauße zu pflücken. Außer
Miltitz j der Oberhofmeister des Prinzen >, welcher die Discussion zuweilen durch
Paradoxe Aufstellungen belebte, und meinem Bruder öder spätere König Friedrich
August j, der sich auch meist im Laufe des Abends einstellte, habe ich besonders
folgende Mitglieder namhaft zu machen. Ein stehender Gast war der geistreiche
und fast in allem Wissenswerthen bewanderte Geheime Legationsrath Breuer,
der auch einen rüstigen Kämpen in der Discussion abgab; nächstdem der liebens¬
würdige Förster, Lehrer am Cadettenhause, dein ich besonders in den italienischen
Studien begegnete; ferner war es der ausgezeichnete, mancherlei Studien liebende,
auch musikalisch durchgebildete Regierungsrath Scharschmidt; der belehrende, treff¬
liche Ccirus; der Erfinder der künstlichen Mineralwässer Dr. Struve; der Hofrath
Reichenbach, als Botaniker und naturgeschichtlicher Schriftsteller bekannt; der
^berhofprediger Dr. von Ammon und andre Notabilitäten." Diese Gesellschaft
wurde mehr und mehr, den Studien des Prinzen Johann folgend, eine Academia
Dantesca, in welcher dieser seine treffliche Uebersetzung des großen italienischen
Dichters, wie sie nach und nach entstand, vorlesen und beurtheilen ließ. So
betheiligte sich auch das Königshaus an den: Kunstleben der Residenz durch
die Prinzen Johann und Friedrich August, wie dann nicht minder durch die
Prinzessin Amalie, die beliebte Schauspieldichterin.*)

Ludwig Tieck, der wohl auch bisweilen zu der Academia Dcmtesea gezogen
Wurde, dankte dies vor allem seiner Meisterschaft im Vorlesen; er hatte dann
die Aufgabe, die prinzliche Uebersetzung in ihren einzelnen Theilen zu recitiren.
War doch seiue Kunst, Dichterwerke, besonders dramatische Stücke unvergleichlich
!chön zu lesen, weit über Dresdens Mauern hinaus bekannt und gerühmt; ihn
gehört zu haben, verlangte man im Auslande von jedem, der Dresden besucht
hatte. Oft, zeitweilig fast jeden Abend, sammelte er dann einen Kreis um sich
von seinen einheimischen Freunden und von zugereister Fremden, die sich bei ihm
hatten einführen lasse», um seine von niemand wieder, auch von Holtet nicht
^reichte Meisterschaft zu zeigen und ein Drama Shakespeares, Schillers oder



Karl Förster aber, der an jenem Aprilabend nicht bei Chiappone gewesen war und
°>e Geburt des künftigen Thronfolgers nicht mitgefeiert hatte, sandte um andern Morgen
^ beglückwünschendes Gedicht um den Prinzen, welches dieser mit einem ebenso poetisch
ü^Milanen als von hoher Vaterfreude und trefflichster Gesinnung zeugenden erwiederte.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0459" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150609"/>
          <fw type="header" place="top"> Dresdener Zustände in den Jahre» ^31^5 bis ^330,</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1462" prev="#ID_1461"> sich Champagner bringen und nöthigten die Vorübergehenden, gleichviel ob sie<lb/>
herrisch oder fremd waren, auf die Gesundheit des Neugebornen anzustoßen.<lb/>
Diese improvisirte patriotische Feier kam auch zu Ohren des Vaters, des Prinzen<lb/>
Johann, der sich herzlichst darüber freute, zumal da dabei einige von denen sich<lb/>
betheiligt hatten, welche zu dem Cirkel gehörten, den der Prinz seit der Mitte<lb/>
der zwanziger Jahre von Zeit zu Zeit bei sich versammelte. Er selbst erzählt von<lb/>
diesen Versammlungen: &#x201E;Diese Stunden gehören zu meinen angenehmsten Er¬<lb/>
innerungen, und sie gewährten mir oft die Vortheile, auf die leichteste Art die<lb/>
Blüthe von manchem, mir fremden wissenschaftlichen Strauße zu pflücken. Außer<lb/>
Miltitz j der Oberhofmeister des Prinzen &gt;, welcher die Discussion zuweilen durch<lb/>
Paradoxe Aufstellungen belebte, und meinem Bruder öder spätere König Friedrich<lb/>
August j, der sich auch meist im Laufe des Abends einstellte, habe ich besonders<lb/>
folgende Mitglieder namhaft zu machen. Ein stehender Gast war der geistreiche<lb/>
und fast in allem Wissenswerthen bewanderte Geheime Legationsrath Breuer,<lb/>
der auch einen rüstigen Kämpen in der Discussion abgab; nächstdem der liebens¬<lb/>
würdige Förster, Lehrer am Cadettenhause, dein ich besonders in den italienischen<lb/>
Studien begegnete; ferner war es der ausgezeichnete, mancherlei Studien liebende,<lb/>
auch musikalisch durchgebildete Regierungsrath Scharschmidt; der belehrende, treff¬<lb/>
liche Ccirus; der Erfinder der künstlichen Mineralwässer Dr. Struve; der Hofrath<lb/>
Reichenbach, als Botaniker und naturgeschichtlicher Schriftsteller bekannt; der<lb/>
^berhofprediger Dr. von Ammon und andre Notabilitäten." Diese Gesellschaft<lb/>
wurde mehr und mehr, den Studien des Prinzen Johann folgend, eine Academia<lb/>
Dantesca, in welcher dieser seine treffliche Uebersetzung des großen italienischen<lb/>
Dichters, wie sie nach und nach entstand, vorlesen und beurtheilen ließ. So<lb/>
betheiligte sich auch das Königshaus an den: Kunstleben der Residenz durch<lb/>
die Prinzen Johann und Friedrich August, wie dann nicht minder durch die<lb/>
Prinzessin Amalie, die beliebte Schauspieldichterin.*)</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1463" next="#ID_1464"> Ludwig Tieck, der wohl auch bisweilen zu der Academia Dcmtesea gezogen<lb/>
Wurde, dankte dies vor allem seiner Meisterschaft im Vorlesen; er hatte dann<lb/>
die Aufgabe, die prinzliche Uebersetzung in ihren einzelnen Theilen zu recitiren.<lb/>
War doch seiue Kunst, Dichterwerke, besonders dramatische Stücke unvergleichlich<lb/>
!chön zu lesen, weit über Dresdens Mauern hinaus bekannt und gerühmt; ihn<lb/>
gehört zu haben, verlangte man im Auslande von jedem, der Dresden besucht<lb/>
hatte. Oft, zeitweilig fast jeden Abend, sammelte er dann einen Kreis um sich<lb/>
von seinen einheimischen Freunden und von zugereister Fremden, die sich bei ihm<lb/>
hatten einführen lasse», um seine von niemand wieder, auch von Holtet nicht<lb/>
^reichte Meisterschaft zu zeigen und ein Drama Shakespeares, Schillers oder</p><lb/>
          <note xml:id="FID_86" place="foot"> Karl Förster aber, der an jenem Aprilabend nicht bei Chiappone gewesen war und<lb/>
°&gt;e Geburt des künftigen Thronfolgers nicht mitgefeiert hatte, sandte um andern Morgen<lb/>
^ beglückwünschendes Gedicht um den Prinzen, welches dieser mit einem ebenso poetisch<lb/>
ü^Milanen als von hoher Vaterfreude und trefflichster Gesinnung zeugenden erwiederte.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0459] Dresdener Zustände in den Jahre» ^31^5 bis ^330, sich Champagner bringen und nöthigten die Vorübergehenden, gleichviel ob sie herrisch oder fremd waren, auf die Gesundheit des Neugebornen anzustoßen. Diese improvisirte patriotische Feier kam auch zu Ohren des Vaters, des Prinzen Johann, der sich herzlichst darüber freute, zumal da dabei einige von denen sich betheiligt hatten, welche zu dem Cirkel gehörten, den der Prinz seit der Mitte der zwanziger Jahre von Zeit zu Zeit bei sich versammelte. Er selbst erzählt von diesen Versammlungen: „Diese Stunden gehören zu meinen angenehmsten Er¬ innerungen, und sie gewährten mir oft die Vortheile, auf die leichteste Art die Blüthe von manchem, mir fremden wissenschaftlichen Strauße zu pflücken. Außer Miltitz j der Oberhofmeister des Prinzen >, welcher die Discussion zuweilen durch Paradoxe Aufstellungen belebte, und meinem Bruder öder spätere König Friedrich August j, der sich auch meist im Laufe des Abends einstellte, habe ich besonders folgende Mitglieder namhaft zu machen. Ein stehender Gast war der geistreiche und fast in allem Wissenswerthen bewanderte Geheime Legationsrath Breuer, der auch einen rüstigen Kämpen in der Discussion abgab; nächstdem der liebens¬ würdige Förster, Lehrer am Cadettenhause, dein ich besonders in den italienischen Studien begegnete; ferner war es der ausgezeichnete, mancherlei Studien liebende, auch musikalisch durchgebildete Regierungsrath Scharschmidt; der belehrende, treff¬ liche Ccirus; der Erfinder der künstlichen Mineralwässer Dr. Struve; der Hofrath Reichenbach, als Botaniker und naturgeschichtlicher Schriftsteller bekannt; der ^berhofprediger Dr. von Ammon und andre Notabilitäten." Diese Gesellschaft wurde mehr und mehr, den Studien des Prinzen Johann folgend, eine Academia Dantesca, in welcher dieser seine treffliche Uebersetzung des großen italienischen Dichters, wie sie nach und nach entstand, vorlesen und beurtheilen ließ. So betheiligte sich auch das Königshaus an den: Kunstleben der Residenz durch die Prinzen Johann und Friedrich August, wie dann nicht minder durch die Prinzessin Amalie, die beliebte Schauspieldichterin.*) Ludwig Tieck, der wohl auch bisweilen zu der Academia Dcmtesea gezogen Wurde, dankte dies vor allem seiner Meisterschaft im Vorlesen; er hatte dann die Aufgabe, die prinzliche Uebersetzung in ihren einzelnen Theilen zu recitiren. War doch seiue Kunst, Dichterwerke, besonders dramatische Stücke unvergleichlich !chön zu lesen, weit über Dresdens Mauern hinaus bekannt und gerühmt; ihn gehört zu haben, verlangte man im Auslande von jedem, der Dresden besucht hatte. Oft, zeitweilig fast jeden Abend, sammelte er dann einen Kreis um sich von seinen einheimischen Freunden und von zugereister Fremden, die sich bei ihm hatten einführen lasse», um seine von niemand wieder, auch von Holtet nicht ^reichte Meisterschaft zu zeigen und ein Drama Shakespeares, Schillers oder Karl Förster aber, der an jenem Aprilabend nicht bei Chiappone gewesen war und °>e Geburt des künftigen Thronfolgers nicht mitgefeiert hatte, sandte um andern Morgen ^ beglückwünschendes Gedicht um den Prinzen, welches dieser mit einem ebenso poetisch ü^Milanen als von hoher Vaterfreude und trefflichster Gesinnung zeugenden erwiederte.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/459
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/459>, abgerufen am 01.09.2024.