Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Dresdener Zustände in den Jahren ^31^5 bis ^330.

tiefen Landschaftsmalers Kaspar David Friedrich aus Greifswald, Friedrich
war ein unermüdlicher Moudscheinmaler, Bald sah man von ihm "Das Meer,
vom Monde beschienen" oder "Zwei Jünglinge, die begeistert hinausblicken in
die Mondscheinlandschaft" -- "die machen demagogische Umtriebe," setzte er Wohl
ironisch hinzu -- oder "Schilf, darin zwei Schwäne im magischen Mondschein
schwimmen." "Das Göttliche ist überall," bemerkte der Künstler erläuternd,
"anch im Sandkorn, da habe ich es einmal im Schilfe dargestellt." "An dem
Tage, wo er Luft malt," sagte seine Gattin zur Chezy, "darf man nicht mit
ihm reden." Man besuchte auch den liebenswürdigen, das Deutsch seltsam rade¬
brechenden norwegischen Landschafter Dahl oder den seit 1821 aus Italien zurück¬
gekehrten Vogel von Vogelstein oder Gerhard von Kügelgen, dem nach
einer Bemerkung seines Sohnes überall, wo er sich zeigte, die Freunde und Ver¬
ehrer wie Thau aus der Morgenröthe geboren wurden.*) Dann hielt etwa Hof¬
rath Böttiger im Antikencabinet eine kunstmythologische Vorlesung über Pallas,
über Artemis oder sprach über andre archäologische Gegenstände. Er führte die
Freunde in der Sammlung umher, gelegentlich auch einmal bei Fackelbeleuchtung.
Die Fackel des Aufwärters wurde dann, wie Förster bemerkt, zur Prvmetheus-
fackcl; in ihrem Lichte schien der starre Marmor lebendig zu werden, und die
hohen, mächtigen Gestalten traten erst in ihrer ganzen vollendeten Schönheit
hervor.

Oder man traf sich im Theater. Ein neues Stück war angekündigt, viel¬
leicht ein neues Trauerspiel von einem der Dresdner Freunde: "Heinrich der
Vierte von Frankreich" von Eduard Gehe -- man wollte die Premiere sehen
und erwartete den Erfolg mit größter Spannung. Oder das Gastspiel berühmter
Künstler regte die Gemüther auf. Sophie Schröder aus Wien, die große Tra¬
gödin, gab die Sappho -- für sie hatte Grillparzer das Stück geschrieben, und
nur von ihr konnte die Rolle so gewaltig gegeben werden. Das unter Goethe
in Weimar gebildete, jetzt in Berlin engagirte Wolfsche Ehepaar trat in des
Meisters "Iphigenie" auf. Man war erfreut und verwundert, wie die plastische
Großartigkeit des Stückes in ihrem Spiele sich aussprach. Der gehaltene Ton
ohne Einförmigkeit, die Ruhe in der Bewegung, die künstlerische Besonnenheit
im Momente der höchsten Leidenschaft, die durchaus treffliche Declamation, welche
"n Parzenlicde fast zu einem melodienreichen Gesang wurde, die reine Darstellung
der Verse, die vollendete Plastik in Stellung und Geberde, alles zeugte von der
großen Schule, in der sie gebildet worden, und war für die Dresdner Freunde
ein neuer Beweis, daß Talent und Schule der bloßen Natur gegenüber stets
den Sieg davonträgt. Das größte Ereigniß aber in der damaligen Theater-



Wie gruß und allgemein war die Theilnahme und der Schreck, als die Kunde durch
die Stadt lief,' daß er unmittelbar vor dem Thore ermordet worden sei! Noch heute er¬
innert ein kleines Kreuz ans Metall an einem Kastanienbaum der Schillerstrasze an die
Frevelthat und an die Stelle, wo sie im Miirz des Jahres 1820 verübt wurde.
Ärenzboteu III. 1381. S7
Dresdener Zustände in den Jahren ^31^5 bis ^330.

tiefen Landschaftsmalers Kaspar David Friedrich aus Greifswald, Friedrich
war ein unermüdlicher Moudscheinmaler, Bald sah man von ihm „Das Meer,
vom Monde beschienen" oder „Zwei Jünglinge, die begeistert hinausblicken in
die Mondscheinlandschaft" — „die machen demagogische Umtriebe," setzte er Wohl
ironisch hinzu — oder „Schilf, darin zwei Schwäne im magischen Mondschein
schwimmen." „Das Göttliche ist überall," bemerkte der Künstler erläuternd,
„anch im Sandkorn, da habe ich es einmal im Schilfe dargestellt." „An dem
Tage, wo er Luft malt," sagte seine Gattin zur Chezy, „darf man nicht mit
ihm reden." Man besuchte auch den liebenswürdigen, das Deutsch seltsam rade¬
brechenden norwegischen Landschafter Dahl oder den seit 1821 aus Italien zurück¬
gekehrten Vogel von Vogelstein oder Gerhard von Kügelgen, dem nach
einer Bemerkung seines Sohnes überall, wo er sich zeigte, die Freunde und Ver¬
ehrer wie Thau aus der Morgenröthe geboren wurden.*) Dann hielt etwa Hof¬
rath Böttiger im Antikencabinet eine kunstmythologische Vorlesung über Pallas,
über Artemis oder sprach über andre archäologische Gegenstände. Er führte die
Freunde in der Sammlung umher, gelegentlich auch einmal bei Fackelbeleuchtung.
Die Fackel des Aufwärters wurde dann, wie Förster bemerkt, zur Prvmetheus-
fackcl; in ihrem Lichte schien der starre Marmor lebendig zu werden, und die
hohen, mächtigen Gestalten traten erst in ihrer ganzen vollendeten Schönheit
hervor.

Oder man traf sich im Theater. Ein neues Stück war angekündigt, viel¬
leicht ein neues Trauerspiel von einem der Dresdner Freunde: „Heinrich der
Vierte von Frankreich" von Eduard Gehe — man wollte die Premiere sehen
und erwartete den Erfolg mit größter Spannung. Oder das Gastspiel berühmter
Künstler regte die Gemüther auf. Sophie Schröder aus Wien, die große Tra¬
gödin, gab die Sappho — für sie hatte Grillparzer das Stück geschrieben, und
nur von ihr konnte die Rolle so gewaltig gegeben werden. Das unter Goethe
in Weimar gebildete, jetzt in Berlin engagirte Wolfsche Ehepaar trat in des
Meisters „Iphigenie" auf. Man war erfreut und verwundert, wie die plastische
Großartigkeit des Stückes in ihrem Spiele sich aussprach. Der gehaltene Ton
ohne Einförmigkeit, die Ruhe in der Bewegung, die künstlerische Besonnenheit
im Momente der höchsten Leidenschaft, die durchaus treffliche Declamation, welche
»n Parzenlicde fast zu einem melodienreichen Gesang wurde, die reine Darstellung
der Verse, die vollendete Plastik in Stellung und Geberde, alles zeugte von der
großen Schule, in der sie gebildet worden, und war für die Dresdner Freunde
ein neuer Beweis, daß Talent und Schule der bloßen Natur gegenüber stets
den Sieg davonträgt. Das größte Ereigniß aber in der damaligen Theater-



Wie gruß und allgemein war die Theilnahme und der Schreck, als die Kunde durch
die Stadt lief,' daß er unmittelbar vor dem Thore ermordet worden sei! Noch heute er¬
innert ein kleines Kreuz ans Metall an einem Kastanienbaum der Schillerstrasze an die
Frevelthat und an die Stelle, wo sie im Miirz des Jahres 1820 verübt wurde.
Ärenzboteu III. 1381. S7
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0457" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150607"/>
          <fw type="header" place="top"> Dresdener Zustände in den Jahren ^31^5 bis ^330.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1457" prev="#ID_1456"> tiefen Landschaftsmalers Kaspar David Friedrich aus Greifswald, Friedrich<lb/>
war ein unermüdlicher Moudscheinmaler, Bald sah man von ihm &#x201E;Das Meer,<lb/>
vom Monde beschienen" oder &#x201E;Zwei Jünglinge, die begeistert hinausblicken in<lb/>
die Mondscheinlandschaft" &#x2014; &#x201E;die machen demagogische Umtriebe," setzte er Wohl<lb/>
ironisch hinzu &#x2014; oder &#x201E;Schilf, darin zwei Schwäne im magischen Mondschein<lb/>
schwimmen." &#x201E;Das Göttliche ist überall," bemerkte der Künstler erläuternd,<lb/>
&#x201E;anch im Sandkorn, da habe ich es einmal im Schilfe dargestellt." &#x201E;An dem<lb/>
Tage, wo er Luft malt," sagte seine Gattin zur Chezy, &#x201E;darf man nicht mit<lb/>
ihm reden." Man besuchte auch den liebenswürdigen, das Deutsch seltsam rade¬<lb/>
brechenden norwegischen Landschafter Dahl oder den seit 1821 aus Italien zurück¬<lb/>
gekehrten Vogel von Vogelstein oder Gerhard von Kügelgen, dem nach<lb/>
einer Bemerkung seines Sohnes überall, wo er sich zeigte, die Freunde und Ver¬<lb/>
ehrer wie Thau aus der Morgenröthe geboren wurden.*) Dann hielt etwa Hof¬<lb/>
rath Böttiger im Antikencabinet eine kunstmythologische Vorlesung über Pallas,<lb/>
über Artemis oder sprach über andre archäologische Gegenstände. Er führte die<lb/>
Freunde in der Sammlung umher, gelegentlich auch einmal bei Fackelbeleuchtung.<lb/>
Die Fackel des Aufwärters wurde dann, wie Förster bemerkt, zur Prvmetheus-<lb/>
fackcl; in ihrem Lichte schien der starre Marmor lebendig zu werden, und die<lb/>
hohen, mächtigen Gestalten traten erst in ihrer ganzen vollendeten Schönheit<lb/>
hervor.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1458" next="#ID_1459"> Oder man traf sich im Theater. Ein neues Stück war angekündigt, viel¬<lb/>
leicht ein neues Trauerspiel von einem der Dresdner Freunde: &#x201E;Heinrich der<lb/>
Vierte von Frankreich" von Eduard Gehe &#x2014; man wollte die Premiere sehen<lb/>
und erwartete den Erfolg mit größter Spannung. Oder das Gastspiel berühmter<lb/>
Künstler regte die Gemüther auf. Sophie Schröder aus Wien, die große Tra¬<lb/>
gödin, gab die Sappho &#x2014; für sie hatte Grillparzer das Stück geschrieben, und<lb/>
nur von ihr konnte die Rolle so gewaltig gegeben werden. Das unter Goethe<lb/>
in Weimar gebildete, jetzt in Berlin engagirte Wolfsche Ehepaar trat in des<lb/>
Meisters &#x201E;Iphigenie" auf. Man war erfreut und verwundert, wie die plastische<lb/>
Großartigkeit des Stückes in ihrem Spiele sich aussprach. Der gehaltene Ton<lb/>
ohne Einförmigkeit, die Ruhe in der Bewegung, die künstlerische Besonnenheit<lb/>
im Momente der höchsten Leidenschaft, die durchaus treffliche Declamation, welche<lb/>
»n Parzenlicde fast zu einem melodienreichen Gesang wurde, die reine Darstellung<lb/>
der Verse, die vollendete Plastik in Stellung und Geberde, alles zeugte von der<lb/>
großen Schule, in der sie gebildet worden, und war für die Dresdner Freunde<lb/>
ein neuer Beweis, daß Talent und Schule der bloßen Natur gegenüber stets<lb/>
den Sieg davonträgt. Das größte Ereigniß aber in der damaligen Theater-</p><lb/>
          <note xml:id="FID_85" place="foot"> Wie gruß und allgemein war die Theilnahme und der Schreck, als die Kunde durch<lb/>
die Stadt lief,' daß er unmittelbar vor dem Thore ermordet worden sei! Noch heute er¬<lb/>
innert ein kleines Kreuz ans Metall an einem Kastanienbaum der Schillerstrasze an die<lb/>
Frevelthat und an die Stelle, wo sie im Miirz des Jahres 1820 verübt wurde.</note><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Ärenzboteu III. 1381. S7</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0457] Dresdener Zustände in den Jahren ^31^5 bis ^330. tiefen Landschaftsmalers Kaspar David Friedrich aus Greifswald, Friedrich war ein unermüdlicher Moudscheinmaler, Bald sah man von ihm „Das Meer, vom Monde beschienen" oder „Zwei Jünglinge, die begeistert hinausblicken in die Mondscheinlandschaft" — „die machen demagogische Umtriebe," setzte er Wohl ironisch hinzu — oder „Schilf, darin zwei Schwäne im magischen Mondschein schwimmen." „Das Göttliche ist überall," bemerkte der Künstler erläuternd, „anch im Sandkorn, da habe ich es einmal im Schilfe dargestellt." „An dem Tage, wo er Luft malt," sagte seine Gattin zur Chezy, „darf man nicht mit ihm reden." Man besuchte auch den liebenswürdigen, das Deutsch seltsam rade¬ brechenden norwegischen Landschafter Dahl oder den seit 1821 aus Italien zurück¬ gekehrten Vogel von Vogelstein oder Gerhard von Kügelgen, dem nach einer Bemerkung seines Sohnes überall, wo er sich zeigte, die Freunde und Ver¬ ehrer wie Thau aus der Morgenröthe geboren wurden.*) Dann hielt etwa Hof¬ rath Böttiger im Antikencabinet eine kunstmythologische Vorlesung über Pallas, über Artemis oder sprach über andre archäologische Gegenstände. Er führte die Freunde in der Sammlung umher, gelegentlich auch einmal bei Fackelbeleuchtung. Die Fackel des Aufwärters wurde dann, wie Förster bemerkt, zur Prvmetheus- fackcl; in ihrem Lichte schien der starre Marmor lebendig zu werden, und die hohen, mächtigen Gestalten traten erst in ihrer ganzen vollendeten Schönheit hervor. Oder man traf sich im Theater. Ein neues Stück war angekündigt, viel¬ leicht ein neues Trauerspiel von einem der Dresdner Freunde: „Heinrich der Vierte von Frankreich" von Eduard Gehe — man wollte die Premiere sehen und erwartete den Erfolg mit größter Spannung. Oder das Gastspiel berühmter Künstler regte die Gemüther auf. Sophie Schröder aus Wien, die große Tra¬ gödin, gab die Sappho — für sie hatte Grillparzer das Stück geschrieben, und nur von ihr konnte die Rolle so gewaltig gegeben werden. Das unter Goethe in Weimar gebildete, jetzt in Berlin engagirte Wolfsche Ehepaar trat in des Meisters „Iphigenie" auf. Man war erfreut und verwundert, wie die plastische Großartigkeit des Stückes in ihrem Spiele sich aussprach. Der gehaltene Ton ohne Einförmigkeit, die Ruhe in der Bewegung, die künstlerische Besonnenheit im Momente der höchsten Leidenschaft, die durchaus treffliche Declamation, welche »n Parzenlicde fast zu einem melodienreichen Gesang wurde, die reine Darstellung der Verse, die vollendete Plastik in Stellung und Geberde, alles zeugte von der großen Schule, in der sie gebildet worden, und war für die Dresdner Freunde ein neuer Beweis, daß Talent und Schule der bloßen Natur gegenüber stets den Sieg davonträgt. Das größte Ereigniß aber in der damaligen Theater- Wie gruß und allgemein war die Theilnahme und der Schreck, als die Kunde durch die Stadt lief,' daß er unmittelbar vor dem Thore ermordet worden sei! Noch heute er¬ innert ein kleines Kreuz ans Metall an einem Kastanienbaum der Schillerstrasze an die Frevelthat und an die Stelle, wo sie im Miirz des Jahres 1820 verübt wurde. Ärenzboteu III. 1381. S7

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/457
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/457>, abgerufen am 01.09.2024.