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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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das Hauptstück des Ganze", die Ringlagcn dienen nur zu dessen Verstärkung.
Bei den Armstrong-Geschützen liegt, abgesehen von der Verschiedenheit des Ma¬
terials, die Hauptsache in den Hohlcylindern, welche durch das Schmieden und
Schweißen von spiralförmig aufgewickelten Barren (evils) entstanden sind; über¬
dies können solche Hohlcylinder, deren Höhe größer ist als der Durchmesser ihrer
Basis, kaum uoch Ringe genannt werden; es sind vielmehr Röhren. Wenn aber
etwa Whitworth oder Vlakely gemeint sein sollten, so haben diese selbst, wie in
vorstehendem ausgeführt, die sehr bekannt gewesenen Vorgänger gehabt. In
Betreff des anderen Umstandes aber war die Lehre von der Verstärkung von
Hohlkörpern durch Umlegung von Reifen oder durch Drahtnmwicklungen nach
besonders berechneter Weise eine sowohl in der Industrie wie in der Geschütz¬
fabrikation durchaus bekannte Sache, und wir glauben durchaus nicht, daß die
Fabrik zur Ausbildung des Fabrikationsverfahrens der Ringgeschütze jener theo¬
retischen Beihilfe bedurft hätte, wie werthvoll und zutreffend deren Formulirungen
auch gewesen sein mögen. Gewiß werden die neuern Herstellungsweiseu noch
mehr der Ausdruck der eigensten Fortentwicklung auf dem Boden der technischen
Erfahrung und wissenschaftlichen Behandlung sein, und es ist unbestritten, daß
diese Leistungen an keiner Stelle sonst erreicht sind, daß also der Kruppsche
Gußstahl in Verbindung mit der Art des Zusammenbaues der Röhre für die
Geschützfabrikation durchaus den Vorrang behauptet hat. Entnehmen wir zur
Veranschnulichuug aus den Beschreibungen der Rohre die der 35,5 Centimeter-
Kauvue: "Das Rohr ist aus Tiegel-(Kanonen-)Stahl angefertigt und nach
dem Ningsystem aufgebaut. An der Pulverkammer liegen fünf Schichten, an der
Mündung zwei Schichten übereinander." Für diese Fabrikationsweise ist in der
Neuzeit die Bezeichnung "künstliche Metalleonstruetion" gebräuchlich geworden.
Die Spannung jeder folgenden Schicht überschreitet die der vorhergehenden, und
es befinden sich also in gewöhnlichem Zustande die innern Schichten unter
einem bestimmten Drucke.

Das, was man unter Gußstahl zu verstehen hat, ist ein so weitgehender
Begriff, daß wohl die Lehrbücher schwerlich in der Lage sein werden, darüber
erschöpfende Lösungen geben zu können. Abgesehen von den Verschiedenartig-
keiten, die sich ans dem Verwendungszweck ergeben, dürfte auch uoch ein jedes
Gußstahlwerk seine besondern kleinen oder großen Geheimnisse wahren. So wird
z. B. angeführt: "Wenn Herr Whitworth Fremde von Bedeutung persönlich in
seinen Werken umherführt, fo pflegt er, wie man sagt, vor einer gewissen ver¬
schlossenen Thüre, die eben zu den Räumen der Stahlfabrikation führt, stehen zu
bleiben und mit feierlicher Miene zu erklären: Durch diese Thüre dürfen nur
Angehörige der Fabrik eintreten." Daß die Theorie allein hier zu recht großen
Täuschungen führen kann, ist durch die Thatsache dargethan, daß um" es mit
Versuchsrvhren zu thun bekam, welche nach ihrer Qualität nicht wesentlich über
der des Gußeisens standen. Aber es giebt mehrere andre deutsche Gußstahl-


das Hauptstück des Ganze», die Ringlagcn dienen nur zu dessen Verstärkung.
Bei den Armstrong-Geschützen liegt, abgesehen von der Verschiedenheit des Ma¬
terials, die Hauptsache in den Hohlcylindern, welche durch das Schmieden und
Schweißen von spiralförmig aufgewickelten Barren (evils) entstanden sind; über¬
dies können solche Hohlcylinder, deren Höhe größer ist als der Durchmesser ihrer
Basis, kaum uoch Ringe genannt werden; es sind vielmehr Röhren. Wenn aber
etwa Whitworth oder Vlakely gemeint sein sollten, so haben diese selbst, wie in
vorstehendem ausgeführt, die sehr bekannt gewesenen Vorgänger gehabt. In
Betreff des anderen Umstandes aber war die Lehre von der Verstärkung von
Hohlkörpern durch Umlegung von Reifen oder durch Drahtnmwicklungen nach
besonders berechneter Weise eine sowohl in der Industrie wie in der Geschütz¬
fabrikation durchaus bekannte Sache, und wir glauben durchaus nicht, daß die
Fabrik zur Ausbildung des Fabrikationsverfahrens der Ringgeschütze jener theo¬
retischen Beihilfe bedurft hätte, wie werthvoll und zutreffend deren Formulirungen
auch gewesen sein mögen. Gewiß werden die neuern Herstellungsweiseu noch
mehr der Ausdruck der eigensten Fortentwicklung auf dem Boden der technischen
Erfahrung und wissenschaftlichen Behandlung sein, und es ist unbestritten, daß
diese Leistungen an keiner Stelle sonst erreicht sind, daß also der Kruppsche
Gußstahl in Verbindung mit der Art des Zusammenbaues der Röhre für die
Geschützfabrikation durchaus den Vorrang behauptet hat. Entnehmen wir zur
Veranschnulichuug aus den Beschreibungen der Rohre die der 35,5 Centimeter-
Kauvue: „Das Rohr ist aus Tiegel-(Kanonen-)Stahl angefertigt und nach
dem Ningsystem aufgebaut. An der Pulverkammer liegen fünf Schichten, an der
Mündung zwei Schichten übereinander." Für diese Fabrikationsweise ist in der
Neuzeit die Bezeichnung „künstliche Metalleonstruetion" gebräuchlich geworden.
Die Spannung jeder folgenden Schicht überschreitet die der vorhergehenden, und
es befinden sich also in gewöhnlichem Zustande die innern Schichten unter
einem bestimmten Drucke.

Das, was man unter Gußstahl zu verstehen hat, ist ein so weitgehender
Begriff, daß wohl die Lehrbücher schwerlich in der Lage sein werden, darüber
erschöpfende Lösungen geben zu können. Abgesehen von den Verschiedenartig-
keiten, die sich ans dem Verwendungszweck ergeben, dürfte auch uoch ein jedes
Gußstahlwerk seine besondern kleinen oder großen Geheimnisse wahren. So wird
z. B. angeführt: „Wenn Herr Whitworth Fremde von Bedeutung persönlich in
seinen Werken umherführt, fo pflegt er, wie man sagt, vor einer gewissen ver¬
schlossenen Thüre, die eben zu den Räumen der Stahlfabrikation führt, stehen zu
bleiben und mit feierlicher Miene zu erklären: Durch diese Thüre dürfen nur
Angehörige der Fabrik eintreten." Daß die Theorie allein hier zu recht großen
Täuschungen führen kann, ist durch die Thatsache dargethan, daß um» es mit
Versuchsrvhren zu thun bekam, welche nach ihrer Qualität nicht wesentlich über
der des Gußeisens standen. Aber es giebt mehrere andre deutsche Gußstahl-


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[0429] das Hauptstück des Ganze», die Ringlagcn dienen nur zu dessen Verstärkung. Bei den Armstrong-Geschützen liegt, abgesehen von der Verschiedenheit des Ma¬ terials, die Hauptsache in den Hohlcylindern, welche durch das Schmieden und Schweißen von spiralförmig aufgewickelten Barren (evils) entstanden sind; über¬ dies können solche Hohlcylinder, deren Höhe größer ist als der Durchmesser ihrer Basis, kaum uoch Ringe genannt werden; es sind vielmehr Röhren. Wenn aber etwa Whitworth oder Vlakely gemeint sein sollten, so haben diese selbst, wie in vorstehendem ausgeführt, die sehr bekannt gewesenen Vorgänger gehabt. In Betreff des anderen Umstandes aber war die Lehre von der Verstärkung von Hohlkörpern durch Umlegung von Reifen oder durch Drahtnmwicklungen nach besonders berechneter Weise eine sowohl in der Industrie wie in der Geschütz¬ fabrikation durchaus bekannte Sache, und wir glauben durchaus nicht, daß die Fabrik zur Ausbildung des Fabrikationsverfahrens der Ringgeschütze jener theo¬ retischen Beihilfe bedurft hätte, wie werthvoll und zutreffend deren Formulirungen auch gewesen sein mögen. Gewiß werden die neuern Herstellungsweiseu noch mehr der Ausdruck der eigensten Fortentwicklung auf dem Boden der technischen Erfahrung und wissenschaftlichen Behandlung sein, und es ist unbestritten, daß diese Leistungen an keiner Stelle sonst erreicht sind, daß also der Kruppsche Gußstahl in Verbindung mit der Art des Zusammenbaues der Röhre für die Geschützfabrikation durchaus den Vorrang behauptet hat. Entnehmen wir zur Veranschnulichuug aus den Beschreibungen der Rohre die der 35,5 Centimeter- Kauvue: „Das Rohr ist aus Tiegel-(Kanonen-)Stahl angefertigt und nach dem Ningsystem aufgebaut. An der Pulverkammer liegen fünf Schichten, an der Mündung zwei Schichten übereinander." Für diese Fabrikationsweise ist in der Neuzeit die Bezeichnung „künstliche Metalleonstruetion" gebräuchlich geworden. Die Spannung jeder folgenden Schicht überschreitet die der vorhergehenden, und es befinden sich also in gewöhnlichem Zustande die innern Schichten unter einem bestimmten Drucke. Das, was man unter Gußstahl zu verstehen hat, ist ein so weitgehender Begriff, daß wohl die Lehrbücher schwerlich in der Lage sein werden, darüber erschöpfende Lösungen geben zu können. Abgesehen von den Verschiedenartig- keiten, die sich ans dem Verwendungszweck ergeben, dürfte auch uoch ein jedes Gußstahlwerk seine besondern kleinen oder großen Geheimnisse wahren. So wird z. B. angeführt: „Wenn Herr Whitworth Fremde von Bedeutung persönlich in seinen Werken umherführt, fo pflegt er, wie man sagt, vor einer gewissen ver¬ schlossenen Thüre, die eben zu den Räumen der Stahlfabrikation führt, stehen zu bleiben und mit feierlicher Miene zu erklären: Durch diese Thüre dürfen nur Angehörige der Fabrik eintreten." Daß die Theorie allein hier zu recht großen Täuschungen führen kann, ist durch die Thatsache dargethan, daß um» es mit Versuchsrvhren zu thun bekam, welche nach ihrer Qualität nicht wesentlich über der des Gußeisens standen. Aber es giebt mehrere andre deutsche Gußstahl-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/429>, abgerufen am 01.09.2024.