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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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vor nicht langer Zeit gesprungen. Die Zweifel an der Zuverlässigkeit der Halt¬
barkeit schmiedeeiserner Rohre überhaupt sind also nicht vermindert.

Etwa zu gleicher Zeit mit Armstrong trat Whitworth in Manchester auf.
Er nannte das von ihm zur Gcschützfabrikation verwendete Metall "Homogen-
cisen." Nach seiner eignen Angabe wird dasselbe aus Stangen schwedischen
Eisens hergestellt, die in kurze Stücke geschnitten, in Tiegeln geschmolzen und
zu einem großen chlindrischen Stücke gegossen werden, welches dann unter dem
Dampfhammer in die verlangte Form geschmiedet wird. Es erschien dieses
Homogeneisen von vornherein als eine Art Gußstahl, und es wurde später be¬
stätigend angegeben, daß die Gattirung für die Tiegel aus schwedischen Holz¬
kohleneisen und deutschem Spiegeleisen gebildet werde. Die absolute Festigkeit
wurde als zweiundeinhalbmal so groß als die des Schmiedeeisens angegeben.
Die Herstellung der Geschützrohre erfolgt durch das Aufziehen einer Anzahl
einzelner Ringlagen auf das massiv geschmiedete Kernrohr. Die Außenringe
werden kalt durch hydraulischen Druck aufgezwüugt, und man urtheilte früher dahin,
daß durch diese Art des Aufsetzens in den Rohren unvorteilhafte Spannungs¬
verhältnisse erzeugt würden. Heutigen Tages nach den eingehenden Ermittlungen,
welche in Oesterreich General von Uchatins über die Steigerung der Leistungs¬
fähigkeit von Metallen, besonders von Bronze, in langjährigen Beobachtungen
angestellt hat, erkennen wir in dieser Operation die Vornahme einer Veränderung
der Mvlekularanordunng der Metalle durch Dehnung, sonach eine Anspannung
über die Elasticitätsgrenze hinaus, vermöge deren ihre Haltbarkeit und Wider¬
standsfähigkeit in wesentlichem Grade erhöht wird. Welche Ansprüche Whitworth
an die Haltbarkeit seiner Geschütze stellte, geht aus der Anschußprobe hervor,
welcher ein jedes Rohr vor der Einstellung in den Gebrauch unterzogen werden
soll. Jedes Rohr wird, nachdem es mit dem Quantum der Gebrauchsladuug
geladen ist, an der Mündung durch eine Metallkappe fest abgeschlossen und dann
wird der Ladung Feuer gegeben; die entwickelten Pulvergase sind demnach ge¬
zwungen, allein durch das enge Zündloch aufzublasen. Erst wenn das Rohr
diese Gewaltprobe tadellos aushält, wird es für gebrauchsfähig erklärt.

Im Jahre 1855 wurden aber auch in England, zu Woolwich, Schießver¬
suche mit einem Gußstahl-68-Pfündcr angestellt, welcher von der deutschen Firma
Friedrich Krupp in Essen geliefert war. Man muß sagen, daß dies ein Ge-
lvnltversnch war, aus welchem jeder den Erweis einer ganz ungewöhnlichen
Leistungsfähigkeit in Bezug auf Haltbarkeit gezogen haben würde. Aber das
englische Nationalgefühl ließ eine solche Consequenz nicht zu, mau ging darum
herum, und wir hätten Wohl den Wunsch, daß auch die Deutschen einmal solch
ein Stolz auszeichnen möchte, auch wenn es zum Nachtheile gereichte wie hier,
anstatt der schwächlichen Bewunderungsfähigkeit, mit welcher leider so viele welt-
vcrschmelzcnde Seelen sich dem Cultus alles Ausländischen hingeben. Nachdem
die Versuche mit Gußstahl-Feldgeschützen bei der Artillerie-Prüfungs-Commission


vor nicht langer Zeit gesprungen. Die Zweifel an der Zuverlässigkeit der Halt¬
barkeit schmiedeeiserner Rohre überhaupt sind also nicht vermindert.

Etwa zu gleicher Zeit mit Armstrong trat Whitworth in Manchester auf.
Er nannte das von ihm zur Gcschützfabrikation verwendete Metall „Homogen-
cisen." Nach seiner eignen Angabe wird dasselbe aus Stangen schwedischen
Eisens hergestellt, die in kurze Stücke geschnitten, in Tiegeln geschmolzen und
zu einem großen chlindrischen Stücke gegossen werden, welches dann unter dem
Dampfhammer in die verlangte Form geschmiedet wird. Es erschien dieses
Homogeneisen von vornherein als eine Art Gußstahl, und es wurde später be¬
stätigend angegeben, daß die Gattirung für die Tiegel aus schwedischen Holz¬
kohleneisen und deutschem Spiegeleisen gebildet werde. Die absolute Festigkeit
wurde als zweiundeinhalbmal so groß als die des Schmiedeeisens angegeben.
Die Herstellung der Geschützrohre erfolgt durch das Aufziehen einer Anzahl
einzelner Ringlagen auf das massiv geschmiedete Kernrohr. Die Außenringe
werden kalt durch hydraulischen Druck aufgezwüugt, und man urtheilte früher dahin,
daß durch diese Art des Aufsetzens in den Rohren unvorteilhafte Spannungs¬
verhältnisse erzeugt würden. Heutigen Tages nach den eingehenden Ermittlungen,
welche in Oesterreich General von Uchatins über die Steigerung der Leistungs¬
fähigkeit von Metallen, besonders von Bronze, in langjährigen Beobachtungen
angestellt hat, erkennen wir in dieser Operation die Vornahme einer Veränderung
der Mvlekularanordunng der Metalle durch Dehnung, sonach eine Anspannung
über die Elasticitätsgrenze hinaus, vermöge deren ihre Haltbarkeit und Wider¬
standsfähigkeit in wesentlichem Grade erhöht wird. Welche Ansprüche Whitworth
an die Haltbarkeit seiner Geschütze stellte, geht aus der Anschußprobe hervor,
welcher ein jedes Rohr vor der Einstellung in den Gebrauch unterzogen werden
soll. Jedes Rohr wird, nachdem es mit dem Quantum der Gebrauchsladuug
geladen ist, an der Mündung durch eine Metallkappe fest abgeschlossen und dann
wird der Ladung Feuer gegeben; die entwickelten Pulvergase sind demnach ge¬
zwungen, allein durch das enge Zündloch aufzublasen. Erst wenn das Rohr
diese Gewaltprobe tadellos aushält, wird es für gebrauchsfähig erklärt.

Im Jahre 1855 wurden aber auch in England, zu Woolwich, Schießver¬
suche mit einem Gußstahl-68-Pfündcr angestellt, welcher von der deutschen Firma
Friedrich Krupp in Essen geliefert war. Man muß sagen, daß dies ein Ge-
lvnltversnch war, aus welchem jeder den Erweis einer ganz ungewöhnlichen
Leistungsfähigkeit in Bezug auf Haltbarkeit gezogen haben würde. Aber das
englische Nationalgefühl ließ eine solche Consequenz nicht zu, mau ging darum
herum, und wir hätten Wohl den Wunsch, daß auch die Deutschen einmal solch
ein Stolz auszeichnen möchte, auch wenn es zum Nachtheile gereichte wie hier,
anstatt der schwächlichen Bewunderungsfähigkeit, mit welcher leider so viele welt-
vcrschmelzcnde Seelen sich dem Cultus alles Ausländischen hingeben. Nachdem
die Versuche mit Gußstahl-Feldgeschützen bei der Artillerie-Prüfungs-Commission


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[0427] vor nicht langer Zeit gesprungen. Die Zweifel an der Zuverlässigkeit der Halt¬ barkeit schmiedeeiserner Rohre überhaupt sind also nicht vermindert. Etwa zu gleicher Zeit mit Armstrong trat Whitworth in Manchester auf. Er nannte das von ihm zur Gcschützfabrikation verwendete Metall „Homogen- cisen." Nach seiner eignen Angabe wird dasselbe aus Stangen schwedischen Eisens hergestellt, die in kurze Stücke geschnitten, in Tiegeln geschmolzen und zu einem großen chlindrischen Stücke gegossen werden, welches dann unter dem Dampfhammer in die verlangte Form geschmiedet wird. Es erschien dieses Homogeneisen von vornherein als eine Art Gußstahl, und es wurde später be¬ stätigend angegeben, daß die Gattirung für die Tiegel aus schwedischen Holz¬ kohleneisen und deutschem Spiegeleisen gebildet werde. Die absolute Festigkeit wurde als zweiundeinhalbmal so groß als die des Schmiedeeisens angegeben. Die Herstellung der Geschützrohre erfolgt durch das Aufziehen einer Anzahl einzelner Ringlagen auf das massiv geschmiedete Kernrohr. Die Außenringe werden kalt durch hydraulischen Druck aufgezwüugt, und man urtheilte früher dahin, daß durch diese Art des Aufsetzens in den Rohren unvorteilhafte Spannungs¬ verhältnisse erzeugt würden. Heutigen Tages nach den eingehenden Ermittlungen, welche in Oesterreich General von Uchatins über die Steigerung der Leistungs¬ fähigkeit von Metallen, besonders von Bronze, in langjährigen Beobachtungen angestellt hat, erkennen wir in dieser Operation die Vornahme einer Veränderung der Mvlekularanordunng der Metalle durch Dehnung, sonach eine Anspannung über die Elasticitätsgrenze hinaus, vermöge deren ihre Haltbarkeit und Wider¬ standsfähigkeit in wesentlichem Grade erhöht wird. Welche Ansprüche Whitworth an die Haltbarkeit seiner Geschütze stellte, geht aus der Anschußprobe hervor, welcher ein jedes Rohr vor der Einstellung in den Gebrauch unterzogen werden soll. Jedes Rohr wird, nachdem es mit dem Quantum der Gebrauchsladuug geladen ist, an der Mündung durch eine Metallkappe fest abgeschlossen und dann wird der Ladung Feuer gegeben; die entwickelten Pulvergase sind demnach ge¬ zwungen, allein durch das enge Zündloch aufzublasen. Erst wenn das Rohr diese Gewaltprobe tadellos aushält, wird es für gebrauchsfähig erklärt. Im Jahre 1855 wurden aber auch in England, zu Woolwich, Schießver¬ suche mit einem Gußstahl-68-Pfündcr angestellt, welcher von der deutschen Firma Friedrich Krupp in Essen geliefert war. Man muß sagen, daß dies ein Ge- lvnltversnch war, aus welchem jeder den Erweis einer ganz ungewöhnlichen Leistungsfähigkeit in Bezug auf Haltbarkeit gezogen haben würde. Aber das englische Nationalgefühl ließ eine solche Consequenz nicht zu, mau ging darum herum, und wir hätten Wohl den Wunsch, daß auch die Deutschen einmal solch ein Stolz auszeichnen möchte, auch wenn es zum Nachtheile gereichte wie hier, anstatt der schwächlichen Bewunderungsfähigkeit, mit welcher leider so viele welt- vcrschmelzcnde Seelen sich dem Cultus alles Ausländischen hingeben. Nachdem die Versuche mit Gußstahl-Feldgeschützen bei der Artillerie-Prüfungs-Commission

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/427>, abgerufen am 01.09.2024.