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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Die moderne Geschütz-Industrie.

eignen Truppen trennen konnten, um ein wirksames Geschützfeuer zu eröffnen,
so wurden sie schon, ohne alle Gegenwirkung, eine Beute der verheerenden Effecte
der französischen gezogenen Geschütze, und es wird unvergeßlich bleiben, daß die
österreichischen glatten Geschütze gar nicht imstande waren, der fürchterlichen und
wesentlich entscheidenden Mitwirkung der beiden französischen Gardebatterien gegen
den letzten heldenmüthigen Widerstand des Prinzen von Hessen in der Schlacht
von Solferino auch nur durch die mindeste Gefährdung derselben entgegen zu
treten. Die österreichische allgemeine Artilleriereserve von etwa 100 Geschützen
konnte überhaupt gar nicht zum Schuß gebracht werden." Dabei muß ausdrück¬
lich hervorgehoben werden, daß die österreichische Artillerie nicht allein einen
reichen Schatz rühmlicher kriegerischer Auszeichnungen, von Wagram bis Novara
hin, hütete, sondern sich auch eines hohen Rufes ein wissenschaftlicher und perso¬
neller Ausbildung mit vollem Rechte erfreute. Daß aber auch bei Waffen ähnlicher
Art die Ueberlegenheit der besser gelungenen stets zur Geltung kommen wird,
ist durch die ruhmvolle Bethätigung der deutschen Artillerie in dem letzten fran¬
zösischen Kriege deutlich dargethan worden; die bessere Waffenrüstung wird in
jeder Art des Kampfes eine hohe Bedeutung behalten.

Mit dem Auftreten der gezogenen Geschütze ist aber noch eine andre Frage
zu neu belebter Entwicklung gekommen. Contre-Admiral Werner sagt in seinem
"Buche von der deutschen Flotte": "Früher wurden die Geschütze von artille¬
ristischen Behörden construirt und fertig gemacht; seitdem jedoch so viel höhere
Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der Kanone gestellt worden und es darauf
ankommt, dem Metalle die größte Widerstandsfähigkeit zu geben, ist die Fabri¬
kation der Geschütze in die Hände der Privatindustrie übergegangen, und mit
vollem Rechte; denn nur Techniker, die mit den Eigenschaften und der Bearbeitung
der Metalle vollständig vertraut sind, können das liefern, was jetzt von Geschützen,
namentlich von größeren Kalibern verlangt wird." Diese Richtung erscheint
wichtig genug, um sie nach ihren charakteristischen Momenten einer besondern
Betrachtung zu unterziehen. Eine solche soll in der nachfolgenden Darstellung,
unter Erweiterung der Gesichtspunkte, versucht werden.

Bis gegen die Mitte dieses Jahrhunderts bestanden die von den verschiedenen
Artillerien hergestellten Geschütze aus Bronze oder aus Gußeisen. Durch die
ziemlich geringe absolute Festigkeit des Gußeisens waren für den Gebrauch pein¬
liche Beschränkungen auferlegt und bei der im Vergleich zum Gußeisen sehr halt¬
baren Bronze traten durch die niedrige Lage der Elasticitätsgrenze, je nach den
Umständen mehr oder weniger schnell, Erweiterungen ein, welche zu ungelegeneil
Folgen führten. Beide Umstände steigerten sich beträchtlich mit der wachsenden
Größe der Kaliber, und es war daher erklärlich, daß man bei den großen Fort¬
schritten, welche die Behandlung des schmiedbaren Eisens in der modernen In¬
dustrie erfuhr, diesem wahrscheinlich zuerst zu Geschützen verwendeten Metall
wiederum seine Aufmerksamkeit zuwandte. Das Maschinenwesen selbst hatte Pro-


Die moderne Geschütz-Industrie.

eignen Truppen trennen konnten, um ein wirksames Geschützfeuer zu eröffnen,
so wurden sie schon, ohne alle Gegenwirkung, eine Beute der verheerenden Effecte
der französischen gezogenen Geschütze, und es wird unvergeßlich bleiben, daß die
österreichischen glatten Geschütze gar nicht imstande waren, der fürchterlichen und
wesentlich entscheidenden Mitwirkung der beiden französischen Gardebatterien gegen
den letzten heldenmüthigen Widerstand des Prinzen von Hessen in der Schlacht
von Solferino auch nur durch die mindeste Gefährdung derselben entgegen zu
treten. Die österreichische allgemeine Artilleriereserve von etwa 100 Geschützen
konnte überhaupt gar nicht zum Schuß gebracht werden." Dabei muß ausdrück¬
lich hervorgehoben werden, daß die österreichische Artillerie nicht allein einen
reichen Schatz rühmlicher kriegerischer Auszeichnungen, von Wagram bis Novara
hin, hütete, sondern sich auch eines hohen Rufes ein wissenschaftlicher und perso¬
neller Ausbildung mit vollem Rechte erfreute. Daß aber auch bei Waffen ähnlicher
Art die Ueberlegenheit der besser gelungenen stets zur Geltung kommen wird,
ist durch die ruhmvolle Bethätigung der deutschen Artillerie in dem letzten fran¬
zösischen Kriege deutlich dargethan worden; die bessere Waffenrüstung wird in
jeder Art des Kampfes eine hohe Bedeutung behalten.

Mit dem Auftreten der gezogenen Geschütze ist aber noch eine andre Frage
zu neu belebter Entwicklung gekommen. Contre-Admiral Werner sagt in seinem
„Buche von der deutschen Flotte": „Früher wurden die Geschütze von artille¬
ristischen Behörden construirt und fertig gemacht; seitdem jedoch so viel höhere
Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der Kanone gestellt worden und es darauf
ankommt, dem Metalle die größte Widerstandsfähigkeit zu geben, ist die Fabri¬
kation der Geschütze in die Hände der Privatindustrie übergegangen, und mit
vollem Rechte; denn nur Techniker, die mit den Eigenschaften und der Bearbeitung
der Metalle vollständig vertraut sind, können das liefern, was jetzt von Geschützen,
namentlich von größeren Kalibern verlangt wird." Diese Richtung erscheint
wichtig genug, um sie nach ihren charakteristischen Momenten einer besondern
Betrachtung zu unterziehen. Eine solche soll in der nachfolgenden Darstellung,
unter Erweiterung der Gesichtspunkte, versucht werden.

Bis gegen die Mitte dieses Jahrhunderts bestanden die von den verschiedenen
Artillerien hergestellten Geschütze aus Bronze oder aus Gußeisen. Durch die
ziemlich geringe absolute Festigkeit des Gußeisens waren für den Gebrauch pein¬
liche Beschränkungen auferlegt und bei der im Vergleich zum Gußeisen sehr halt¬
baren Bronze traten durch die niedrige Lage der Elasticitätsgrenze, je nach den
Umständen mehr oder weniger schnell, Erweiterungen ein, welche zu ungelegeneil
Folgen führten. Beide Umstände steigerten sich beträchtlich mit der wachsenden
Größe der Kaliber, und es war daher erklärlich, daß man bei den großen Fort¬
schritten, welche die Behandlung des schmiedbaren Eisens in der modernen In¬
dustrie erfuhr, diesem wahrscheinlich zuerst zu Geschützen verwendeten Metall
wiederum seine Aufmerksamkeit zuwandte. Das Maschinenwesen selbst hatte Pro-


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[0422] Die moderne Geschütz-Industrie. eignen Truppen trennen konnten, um ein wirksames Geschützfeuer zu eröffnen, so wurden sie schon, ohne alle Gegenwirkung, eine Beute der verheerenden Effecte der französischen gezogenen Geschütze, und es wird unvergeßlich bleiben, daß die österreichischen glatten Geschütze gar nicht imstande waren, der fürchterlichen und wesentlich entscheidenden Mitwirkung der beiden französischen Gardebatterien gegen den letzten heldenmüthigen Widerstand des Prinzen von Hessen in der Schlacht von Solferino auch nur durch die mindeste Gefährdung derselben entgegen zu treten. Die österreichische allgemeine Artilleriereserve von etwa 100 Geschützen konnte überhaupt gar nicht zum Schuß gebracht werden." Dabei muß ausdrück¬ lich hervorgehoben werden, daß die österreichische Artillerie nicht allein einen reichen Schatz rühmlicher kriegerischer Auszeichnungen, von Wagram bis Novara hin, hütete, sondern sich auch eines hohen Rufes ein wissenschaftlicher und perso¬ neller Ausbildung mit vollem Rechte erfreute. Daß aber auch bei Waffen ähnlicher Art die Ueberlegenheit der besser gelungenen stets zur Geltung kommen wird, ist durch die ruhmvolle Bethätigung der deutschen Artillerie in dem letzten fran¬ zösischen Kriege deutlich dargethan worden; die bessere Waffenrüstung wird in jeder Art des Kampfes eine hohe Bedeutung behalten. Mit dem Auftreten der gezogenen Geschütze ist aber noch eine andre Frage zu neu belebter Entwicklung gekommen. Contre-Admiral Werner sagt in seinem „Buche von der deutschen Flotte": „Früher wurden die Geschütze von artille¬ ristischen Behörden construirt und fertig gemacht; seitdem jedoch so viel höhere Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der Kanone gestellt worden und es darauf ankommt, dem Metalle die größte Widerstandsfähigkeit zu geben, ist die Fabri¬ kation der Geschütze in die Hände der Privatindustrie übergegangen, und mit vollem Rechte; denn nur Techniker, die mit den Eigenschaften und der Bearbeitung der Metalle vollständig vertraut sind, können das liefern, was jetzt von Geschützen, namentlich von größeren Kalibern verlangt wird." Diese Richtung erscheint wichtig genug, um sie nach ihren charakteristischen Momenten einer besondern Betrachtung zu unterziehen. Eine solche soll in der nachfolgenden Darstellung, unter Erweiterung der Gesichtspunkte, versucht werden. Bis gegen die Mitte dieses Jahrhunderts bestanden die von den verschiedenen Artillerien hergestellten Geschütze aus Bronze oder aus Gußeisen. Durch die ziemlich geringe absolute Festigkeit des Gußeisens waren für den Gebrauch pein¬ liche Beschränkungen auferlegt und bei der im Vergleich zum Gußeisen sehr halt¬ baren Bronze traten durch die niedrige Lage der Elasticitätsgrenze, je nach den Umständen mehr oder weniger schnell, Erweiterungen ein, welche zu ungelegeneil Folgen führten. Beide Umstände steigerten sich beträchtlich mit der wachsenden Größe der Kaliber, und es war daher erklärlich, daß man bei den großen Fort¬ schritten, welche die Behandlung des schmiedbaren Eisens in der modernen In¬ dustrie erfuhr, diesem wahrscheinlich zuerst zu Geschützen verwendeten Metall wiederum seine Aufmerksamkeit zuwandte. Das Maschinenwesen selbst hatte Pro-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/422>, abgerufen am 26.11.2024.