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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Dcis deutsche Lied seit Robert Schramm.

Nummern von Opus 27 verdient besonders das mächtige "Thurmwächterlied"
Beachtung

Sinter den Liedern von Ricks Gabe ist die "Schneekönigin" bemerkeils-
üierth, ein balladenartiges Stück, in dein das phantastische Element und das
nordische Colorit einen Platz hat. Originell ist mich ein "Fischerknabenlied"
durch die Dndelsackharmonien, über welche die leichte Melodie dahingleitet und
das "Lebwohl, liebes Gretchen", das humoristisch volksliedartig verläuft und
durch den Contrast von Allegro und Lcntv, in welchen es das "Lebwvhl" setzt,
sich auszeichnet. Im allgemeinen erschöpft Gabe die Texte nicht mit seiner
Musik und tritt als Liedereomponist zurück.

Ernster hat es Robert Vvlkmann mit seinen Liedern genommen. Sie
haben manchen Zug jener lapidnren Große, in welcher das erste Thema seiner
I)-irioU-Sinfonie vor uns steht, und erschließen eine Fülle schlichter, biedrer
Innigkeit, wenn man sie erst näher kennen lernt. Nur das Blendende, was beim
ersten Hören entscheidet, fehlt ihnen, um populär zu sein. Ausnahmen hiervon
sind z. B. "Am See", wo das ruhig plätschernde Begleitungsmvtiv sofort ge¬
winnt, und die stürmische "Neue" (in Opus 16), auch die bekannten "Nachti¬
gallen." Werth, gekannt zu sein, sind die meisten. Allerdings aber hat Volt-
mann überhaupt uicht so viele Lieder geschrieben, um seinen Namen auf diesem
Felde in den Vordergrund zu stellen.

Von größrer Bedeutung als Liedereomponist ist Ferdinand Hiller. In
den kleinern Formen hat sein Talent immer die meisten Treffer erhalten. Wie
reizend sind seine kurzen Clavierstttcke, das Impromptu "Zur Guitarre" oder
die herrlichen, gemüth- und geistvollen Bilder aus dem Militärlcbc" und auch
seine Etüden. Gewiß, er ist einer unsrer feinsten musikalischen Genremaler, in
Kleinigkeiten ein großer Poet. Ein andrer, dem zu seineu Gaben noch ein ruhigerer
Geist bescheert gewesen, würde vielleicht strenger über seine Individualität gewacht
haben, der Hiller zu viel Spielraum gelassen hat. Auch in seinen Liedern hat
er mit dem Stile sehr viel gewechselt und verschiedne Gastrollen in fremden
Sprechweisen gegeben, in der Mcndelssvhnschen, in der italienischen und ab und
zu auch in gewöhnlichern. Sein bestes Fach kann man das Volksliedartige
nennen; Lieder wie "Vergebliche Liebesmüh" machen einen Eindruck, als wen"
">an einen feinen gebildeten Mann in seinem Heimntsdialette sprechen hört, und
awar einem der weniger groben Dialekte, wie z, B. dem rheinischen. Da klinge"
die guten Einfälle dann noch einmal so frisch. Seine Melodik ist manchmal da
etwas kokett, wo es nicht am Platze ist, wie z. V. in dem "Gebet" (Opus 46),
über die warm musikalischen Regungen, die doch immer wieder zum Vorschein
kommen, machen das quitt. Einzelne Lieder freilich sollten seinen Namen nicht
tragen, wie z. V. "Die drei Zigeuner", andre wieder, wie "Der Doctor von
Bernkastel" sind von gemischter Qualität, der Gesammtton ist zu gewöhnlich.
Jedoch so herzliche, erheiternde Stelle" wie die: "Mein guter Bischof ist so


Gmizlwlni >U, 1"81. 5
Dcis deutsche Lied seit Robert Schramm.

Nummern von Opus 27 verdient besonders das mächtige „Thurmwächterlied"
Beachtung

Sinter den Liedern von Ricks Gabe ist die „Schneekönigin" bemerkeils-
üierth, ein balladenartiges Stück, in dein das phantastische Element und das
nordische Colorit einen Platz hat. Originell ist mich ein „Fischerknabenlied"
durch die Dndelsackharmonien, über welche die leichte Melodie dahingleitet und
das „Lebwohl, liebes Gretchen", das humoristisch volksliedartig verläuft und
durch den Contrast von Allegro und Lcntv, in welchen es das „Lebwvhl" setzt,
sich auszeichnet. Im allgemeinen erschöpft Gabe die Texte nicht mit seiner
Musik und tritt als Liedereomponist zurück.

Ernster hat es Robert Vvlkmann mit seinen Liedern genommen. Sie
haben manchen Zug jener lapidnren Große, in welcher das erste Thema seiner
I)-irioU-Sinfonie vor uns steht, und erschließen eine Fülle schlichter, biedrer
Innigkeit, wenn man sie erst näher kennen lernt. Nur das Blendende, was beim
ersten Hören entscheidet, fehlt ihnen, um populär zu sein. Ausnahmen hiervon
sind z. B. „Am See", wo das ruhig plätschernde Begleitungsmvtiv sofort ge¬
winnt, und die stürmische „Neue" (in Opus 16), auch die bekannten „Nachti¬
gallen." Werth, gekannt zu sein, sind die meisten. Allerdings aber hat Volt-
mann überhaupt uicht so viele Lieder geschrieben, um seinen Namen auf diesem
Felde in den Vordergrund zu stellen.

Von größrer Bedeutung als Liedereomponist ist Ferdinand Hiller. In
den kleinern Formen hat sein Talent immer die meisten Treffer erhalten. Wie
reizend sind seine kurzen Clavierstttcke, das Impromptu „Zur Guitarre" oder
die herrlichen, gemüth- und geistvollen Bilder aus dem Militärlcbc» und auch
seine Etüden. Gewiß, er ist einer unsrer feinsten musikalischen Genremaler, in
Kleinigkeiten ein großer Poet. Ein andrer, dem zu seineu Gaben noch ein ruhigerer
Geist bescheert gewesen, würde vielleicht strenger über seine Individualität gewacht
haben, der Hiller zu viel Spielraum gelassen hat. Auch in seinen Liedern hat
er mit dem Stile sehr viel gewechselt und verschiedne Gastrollen in fremden
Sprechweisen gegeben, in der Mcndelssvhnschen, in der italienischen und ab und
zu auch in gewöhnlichern. Sein bestes Fach kann man das Volksliedartige
nennen; Lieder wie „Vergebliche Liebesmüh" machen einen Eindruck, als wen»
»>an einen feinen gebildeten Mann in seinem Heimntsdialette sprechen hört, und
awar einem der weniger groben Dialekte, wie z, B. dem rheinischen. Da klinge»
die guten Einfälle dann noch einmal so frisch. Seine Melodik ist manchmal da
etwas kokett, wo es nicht am Platze ist, wie z. V. in dem „Gebet" (Opus 46),
über die warm musikalischen Regungen, die doch immer wieder zum Vorschein
kommen, machen das quitt. Einzelne Lieder freilich sollten seinen Namen nicht
tragen, wie z. V. „Die drei Zigeuner", andre wieder, wie „Der Doctor von
Bernkastel" sind von gemischter Qualität, der Gesammtton ist zu gewöhnlich.
Jedoch so herzliche, erheiternde Stelle» wie die: „Mein guter Bischof ist so


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[0041] Dcis deutsche Lied seit Robert Schramm. Nummern von Opus 27 verdient besonders das mächtige „Thurmwächterlied" Beachtung Sinter den Liedern von Ricks Gabe ist die „Schneekönigin" bemerkeils- üierth, ein balladenartiges Stück, in dein das phantastische Element und das nordische Colorit einen Platz hat. Originell ist mich ein „Fischerknabenlied" durch die Dndelsackharmonien, über welche die leichte Melodie dahingleitet und das „Lebwohl, liebes Gretchen", das humoristisch volksliedartig verläuft und durch den Contrast von Allegro und Lcntv, in welchen es das „Lebwvhl" setzt, sich auszeichnet. Im allgemeinen erschöpft Gabe die Texte nicht mit seiner Musik und tritt als Liedereomponist zurück. Ernster hat es Robert Vvlkmann mit seinen Liedern genommen. Sie haben manchen Zug jener lapidnren Große, in welcher das erste Thema seiner I)-irioU-Sinfonie vor uns steht, und erschließen eine Fülle schlichter, biedrer Innigkeit, wenn man sie erst näher kennen lernt. Nur das Blendende, was beim ersten Hören entscheidet, fehlt ihnen, um populär zu sein. Ausnahmen hiervon sind z. B. „Am See", wo das ruhig plätschernde Begleitungsmvtiv sofort ge¬ winnt, und die stürmische „Neue" (in Opus 16), auch die bekannten „Nachti¬ gallen." Werth, gekannt zu sein, sind die meisten. Allerdings aber hat Volt- mann überhaupt uicht so viele Lieder geschrieben, um seinen Namen auf diesem Felde in den Vordergrund zu stellen. Von größrer Bedeutung als Liedereomponist ist Ferdinand Hiller. In den kleinern Formen hat sein Talent immer die meisten Treffer erhalten. Wie reizend sind seine kurzen Clavierstttcke, das Impromptu „Zur Guitarre" oder die herrlichen, gemüth- und geistvollen Bilder aus dem Militärlcbc» und auch seine Etüden. Gewiß, er ist einer unsrer feinsten musikalischen Genremaler, in Kleinigkeiten ein großer Poet. Ein andrer, dem zu seineu Gaben noch ein ruhigerer Geist bescheert gewesen, würde vielleicht strenger über seine Individualität gewacht haben, der Hiller zu viel Spielraum gelassen hat. Auch in seinen Liedern hat er mit dem Stile sehr viel gewechselt und verschiedne Gastrollen in fremden Sprechweisen gegeben, in der Mcndelssvhnschen, in der italienischen und ab und zu auch in gewöhnlichern. Sein bestes Fach kann man das Volksliedartige nennen; Lieder wie „Vergebliche Liebesmüh" machen einen Eindruck, als wen» »>an einen feinen gebildeten Mann in seinem Heimntsdialette sprechen hört, und awar einem der weniger groben Dialekte, wie z, B. dem rheinischen. Da klinge» die guten Einfälle dann noch einmal so frisch. Seine Melodik ist manchmal da etwas kokett, wo es nicht am Platze ist, wie z. V. in dem „Gebet" (Opus 46), über die warm musikalischen Regungen, die doch immer wieder zum Vorschein kommen, machen das quitt. Einzelne Lieder freilich sollten seinen Namen nicht tragen, wie z. V. „Die drei Zigeuner", andre wieder, wie „Der Doctor von Bernkastel" sind von gemischter Qualität, der Gesammtton ist zu gewöhnlich. Jedoch so herzliche, erheiternde Stelle» wie die: „Mein guter Bischof ist so Gmizlwlni >U, 1«81. 5

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/41>, abgerufen am 01.09.2024.