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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Die Düsseldorfer Schule.

gangen. Er war ursprünglich für die militärische Laufbahn bestimmt und diente
auch fünf Jahre lang als Lieutenant im 1. Garderegiment in Potsdam, bevor
er sich der Kunst widmen konnte. Am mächtigsten zog ihn das damals sich
gerade entfaltende Talent Eduard Hildebrandts an; aber dieser wies ihn dahin,
wo er selber gelernt, zu dem Berliner Marinemaler Wilhelm Krause. Bei dem
letztern blieb er jedoch nicht lauge. Denn 1846 finden wir ihn bereits als
Schüler der Düsseldorfer Akademie, wo er nnter Schiriners Leitung arbeitete
und schnell solche Fortschritte machte, daß er größere Studienreisen nach Ober¬
italien, Tirol und der Schweiz unternehmen konnte. Wie Leu ist auch er vor¬
zugsweise ein Alpenmaler, der die gewaltige Hvchgebirgsseenerie mit liebevoller
Begeisterung schildert, ein romantischer Poet, welcher die Natur in ihren gro߬
artigsten Offenbarungen nufsncht. Gletscher, schneeige Bergeshäuptcr, die von
Wolkenschleiern umwallt sind, smaragdgrüne, von schroffen Felsen umgebene
Seen und vedutenartig aufgefaßte Gebirgsketten bilden die beliebtesten Stoffe
seiner Bilder. Mit großer Virtuosität und mit bewunderungswürdiger Feinheit
weiß er besonders das Phänomen des Alpenglühens zu schildern. Im Jahre 1854
unternahm er eine Reise nach den Pyrenäen und sand auch in dieser, von deutschen
Malern wenig besuchten Gegend Motive, welche seiner Neigung zusagten.

Um diese Zeit begannen auch die Verhandlungen mit dem Großherzoge von
Sachsen, welcher sich mit der Absicht trug, in Weimar eine Kunstschule zu er¬
richten, deren Leitung Graf Kcilckrcuth übernehmen sollte. Das Project trat
aber erst 1858 ins Leben. Durch seiue eigne Lehrthätigkeit und durch Berufung
andrer tüchtiger Lehrkräfte gelang es Kalckreuth in verhältnißmäßig kurzer Zeit,
dem jungen Institut zu einer vielversprechenden Blüthe zu verhelfen. Männer
wie Böcklin, A. v. Ramberg, Lenbach, Reinhold Begas, Gussow, Albert Baur,
Ferdinand Pauwels haben mit ihm gewirkt und zahlreiche Schüler herange¬
bildet. Als Kalckreuth 1876 das Directorat niederlegte, begann auch die Zeit
des Verfalls, und nach den neuesten Ereignissen hat es sogar den Anschein, als
sei die Periode.des kurzen Glanzes für immer vorüber. Graf Kalckreuth ließ
sich in Kreuznach nieder und kam somit der Düsseldorfer Schule auch wieder
räumlich näher, mit welcher sein Kunstchciraktcr in innigstem Zusammenhange steht.

Mehrere von den ältern Schülern Schirmers, welche es zu einer eigen¬
artigen Individualität gebracht haben, sind so frühzeitig aus dem Düssledvrfer
Localverbande ausgeschieden, daß man sie kaum noch als zur Düsseldorfer Schule
gehörig betrachten kann. Aus ihrer Zahl ist besonders Valentin Ruths zu
nennen, 182S zu Hamburg geboren, welcher 1850 nach Düsseldorf kam und bis
1856 dort blieb. Dann ging er nach Italien und ließ sich 1857 in seiner
Vaterstadt Hamburg nieder. Die norddeutsche Wald- und Berglandschaft ist
seine Specialität. Seine Gemälde zeichnen sich durch eine äußerst sorgsame Zeich¬
nung, durch eine kräftige, an Lessing erinnernde Formengebung und durch ein
energievolles Colorit aus. Wie Lessing und Andreas Ueberhand, die ihn augen-


Die Düsseldorfer Schule.

gangen. Er war ursprünglich für die militärische Laufbahn bestimmt und diente
auch fünf Jahre lang als Lieutenant im 1. Garderegiment in Potsdam, bevor
er sich der Kunst widmen konnte. Am mächtigsten zog ihn das damals sich
gerade entfaltende Talent Eduard Hildebrandts an; aber dieser wies ihn dahin,
wo er selber gelernt, zu dem Berliner Marinemaler Wilhelm Krause. Bei dem
letztern blieb er jedoch nicht lauge. Denn 1846 finden wir ihn bereits als
Schüler der Düsseldorfer Akademie, wo er nnter Schiriners Leitung arbeitete
und schnell solche Fortschritte machte, daß er größere Studienreisen nach Ober¬
italien, Tirol und der Schweiz unternehmen konnte. Wie Leu ist auch er vor¬
zugsweise ein Alpenmaler, der die gewaltige Hvchgebirgsseenerie mit liebevoller
Begeisterung schildert, ein romantischer Poet, welcher die Natur in ihren gro߬
artigsten Offenbarungen nufsncht. Gletscher, schneeige Bergeshäuptcr, die von
Wolkenschleiern umwallt sind, smaragdgrüne, von schroffen Felsen umgebene
Seen und vedutenartig aufgefaßte Gebirgsketten bilden die beliebtesten Stoffe
seiner Bilder. Mit großer Virtuosität und mit bewunderungswürdiger Feinheit
weiß er besonders das Phänomen des Alpenglühens zu schildern. Im Jahre 1854
unternahm er eine Reise nach den Pyrenäen und sand auch in dieser, von deutschen
Malern wenig besuchten Gegend Motive, welche seiner Neigung zusagten.

Um diese Zeit begannen auch die Verhandlungen mit dem Großherzoge von
Sachsen, welcher sich mit der Absicht trug, in Weimar eine Kunstschule zu er¬
richten, deren Leitung Graf Kcilckrcuth übernehmen sollte. Das Project trat
aber erst 1858 ins Leben. Durch seiue eigne Lehrthätigkeit und durch Berufung
andrer tüchtiger Lehrkräfte gelang es Kalckreuth in verhältnißmäßig kurzer Zeit,
dem jungen Institut zu einer vielversprechenden Blüthe zu verhelfen. Männer
wie Böcklin, A. v. Ramberg, Lenbach, Reinhold Begas, Gussow, Albert Baur,
Ferdinand Pauwels haben mit ihm gewirkt und zahlreiche Schüler herange¬
bildet. Als Kalckreuth 1876 das Directorat niederlegte, begann auch die Zeit
des Verfalls, und nach den neuesten Ereignissen hat es sogar den Anschein, als
sei die Periode.des kurzen Glanzes für immer vorüber. Graf Kalckreuth ließ
sich in Kreuznach nieder und kam somit der Düsseldorfer Schule auch wieder
räumlich näher, mit welcher sein Kunstchciraktcr in innigstem Zusammenhange steht.

Mehrere von den ältern Schülern Schirmers, welche es zu einer eigen¬
artigen Individualität gebracht haben, sind so frühzeitig aus dem Düssledvrfer
Localverbande ausgeschieden, daß man sie kaum noch als zur Düsseldorfer Schule
gehörig betrachten kann. Aus ihrer Zahl ist besonders Valentin Ruths zu
nennen, 182S zu Hamburg geboren, welcher 1850 nach Düsseldorf kam und bis
1856 dort blieb. Dann ging er nach Italien und ließ sich 1857 in seiner
Vaterstadt Hamburg nieder. Die norddeutsche Wald- und Berglandschaft ist
seine Specialität. Seine Gemälde zeichnen sich durch eine äußerst sorgsame Zeich¬
nung, durch eine kräftige, an Lessing erinnernde Formengebung und durch ein
energievolles Colorit aus. Wie Lessing und Andreas Ueberhand, die ihn augen-


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[0396] Die Düsseldorfer Schule. gangen. Er war ursprünglich für die militärische Laufbahn bestimmt und diente auch fünf Jahre lang als Lieutenant im 1. Garderegiment in Potsdam, bevor er sich der Kunst widmen konnte. Am mächtigsten zog ihn das damals sich gerade entfaltende Talent Eduard Hildebrandts an; aber dieser wies ihn dahin, wo er selber gelernt, zu dem Berliner Marinemaler Wilhelm Krause. Bei dem letztern blieb er jedoch nicht lauge. Denn 1846 finden wir ihn bereits als Schüler der Düsseldorfer Akademie, wo er nnter Schiriners Leitung arbeitete und schnell solche Fortschritte machte, daß er größere Studienreisen nach Ober¬ italien, Tirol und der Schweiz unternehmen konnte. Wie Leu ist auch er vor¬ zugsweise ein Alpenmaler, der die gewaltige Hvchgebirgsseenerie mit liebevoller Begeisterung schildert, ein romantischer Poet, welcher die Natur in ihren gro߬ artigsten Offenbarungen nufsncht. Gletscher, schneeige Bergeshäuptcr, die von Wolkenschleiern umwallt sind, smaragdgrüne, von schroffen Felsen umgebene Seen und vedutenartig aufgefaßte Gebirgsketten bilden die beliebtesten Stoffe seiner Bilder. Mit großer Virtuosität und mit bewunderungswürdiger Feinheit weiß er besonders das Phänomen des Alpenglühens zu schildern. Im Jahre 1854 unternahm er eine Reise nach den Pyrenäen und sand auch in dieser, von deutschen Malern wenig besuchten Gegend Motive, welche seiner Neigung zusagten. Um diese Zeit begannen auch die Verhandlungen mit dem Großherzoge von Sachsen, welcher sich mit der Absicht trug, in Weimar eine Kunstschule zu er¬ richten, deren Leitung Graf Kcilckrcuth übernehmen sollte. Das Project trat aber erst 1858 ins Leben. Durch seiue eigne Lehrthätigkeit und durch Berufung andrer tüchtiger Lehrkräfte gelang es Kalckreuth in verhältnißmäßig kurzer Zeit, dem jungen Institut zu einer vielversprechenden Blüthe zu verhelfen. Männer wie Böcklin, A. v. Ramberg, Lenbach, Reinhold Begas, Gussow, Albert Baur, Ferdinand Pauwels haben mit ihm gewirkt und zahlreiche Schüler herange¬ bildet. Als Kalckreuth 1876 das Directorat niederlegte, begann auch die Zeit des Verfalls, und nach den neuesten Ereignissen hat es sogar den Anschein, als sei die Periode.des kurzen Glanzes für immer vorüber. Graf Kalckreuth ließ sich in Kreuznach nieder und kam somit der Düsseldorfer Schule auch wieder räumlich näher, mit welcher sein Kunstchciraktcr in innigstem Zusammenhange steht. Mehrere von den ältern Schülern Schirmers, welche es zu einer eigen¬ artigen Individualität gebracht haben, sind so frühzeitig aus dem Düssledvrfer Localverbande ausgeschieden, daß man sie kaum noch als zur Düsseldorfer Schule gehörig betrachten kann. Aus ihrer Zahl ist besonders Valentin Ruths zu nennen, 182S zu Hamburg geboren, welcher 1850 nach Düsseldorf kam und bis 1856 dort blieb. Dann ging er nach Italien und ließ sich 1857 in seiner Vaterstadt Hamburg nieder. Die norddeutsche Wald- und Berglandschaft ist seine Specialität. Seine Gemälde zeichnen sich durch eine äußerst sorgsame Zeich¬ nung, durch eine kräftige, an Lessing erinnernde Formengebung und durch ein energievolles Colorit aus. Wie Lessing und Andreas Ueberhand, die ihn augen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/396>, abgerufen am 01.09.2024.