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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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der volle Glanz der Romantik. Im Gegensatz aber zu den Romantikern der
ältern Schule vermeidet er wie alle Düsseldorfer mit romantischen Neigungen,
die Natur zu corrigiren. zu stilisiren und dem Ideale der eignen Phantasie an¬
zupassen, sondern die Natur bleibt ihm das ewige, unabänderliche Substrat,
welches er in dein Augenblicke ergreift, wo es sich ihm von seiner schönsten,
freundlichsten, farbigste" und erhabensten Seite darbietet. In der Wahl der
Bcleuchtungsmvtive, in der Stimmung giebt sich seine romantische Naturan¬
schauung kund. Obwohl er dramatischen Momenten nicht aus dem Wege geht
- "norwegischer Wasserfall bei Sturm", 1849 -, liebt er es doch zumeist, die
Natur im Feierklcide zu schildern, entweder wenn die Sonne am höchsten steht
und alle Tiefen erleuchtet und erwärmt, oder wenn sie zur Rüste geht. Der Erfolg,
den seine Bilder gefunden haben und noch finden, beweist am besten, daß das große
Publikum immer uoch den Romantikern vor den Realisten Recht giebt und daß
es dem glänzenden Rhetorikcr ein willigeres Ohr leiht als dem trocknen Statistiker.

Leu beschränkte sich jedoch nicht lange auf Norwegen allein. Die Schweiz.
Bciicrn, Steiermark. das Salzkammergut, Ober-, Mittel-, Unteritalien und Tirol
wurden die Zielpunkte häufiger Reisen, die er bis in die siebziger Jahre fort¬
setzte. Auf ihn sowohl wie auf die Achenbachs, auf Gude, Kalckrcuth u. a.
hat sich die köstliche Eigenschaft des geistigen Haupts der Düsseldorfer Land¬
schafterschule vererbt. Wie Lessing, ältern sie nicht. Es wohnt ihnen eine
geradezu unverwüstliche Lebenskraft inne, eine Beweglichkeit des Geistes, welche
sie befähigt, immer auf der Höhe der Situation, auf der Oberfläche des Stroms
zu bleiben. Wenn man sich erinnert, daß die Anfänge dieser Maler meist
vierzig Jahre zurückliegen, daß also el" allmählicher Niedergang oder eine Er¬
starrung in Manier erklärlich, verzeihlich, im Grunde auch natürlich wären,
und wenn man dann ihre neuesten Schöpfungen sieht, strahlend im vollsten
Farbenglanze des modernen Colorismus, schwungvoll und poetisch in der Auf¬
fassung, gediegen und gründlich in der Zeichnung, so beugt man sich vor der
Allgewalt des Genius, der diese Männer noch in hohem Alter belebt.

Es giebt kaum eine öffentliche Galerie, ein fürstliches Schloß in Deutsch¬
land, welches nicht ein Bild von Leu, dem universellsten Alpenmaler der Düssel¬
dorfer Schule, besäße. Im Wiener Belvedere sieht man einen norwegischen
Wasserfall, in der Berliner Natioualgalerie den Oeschinensee bei Kandersteg im
Canton Bern, in der Stuttgarter Galerie eine Partie bei Berchtesgaden, im
Museum von Gotha eine prachtvolle Ansicht des Königsees mit dem Watzman --
sämmtlich Meisterwerke, welche seine vielseitige Thätigkeit illustriren. Seine letzten
Arbeiten waren italienische Gebirgs- und Strandlandschafteu (Capri, Puzzuoli,
Chiavennci, Comersee), auf denen der Zauber des Sonnenlichts mit unüber¬
trefflicher Wahrheit geschildert war.

Aus der Schule Schirmers ist auch Stanislaus Graf von Kalckreuth,
geboren am 24. December 1821 in Kozmin in der Provinz Posen, hervorge-


der volle Glanz der Romantik. Im Gegensatz aber zu den Romantikern der
ältern Schule vermeidet er wie alle Düsseldorfer mit romantischen Neigungen,
die Natur zu corrigiren. zu stilisiren und dem Ideale der eignen Phantasie an¬
zupassen, sondern die Natur bleibt ihm das ewige, unabänderliche Substrat,
welches er in dein Augenblicke ergreift, wo es sich ihm von seiner schönsten,
freundlichsten, farbigste» und erhabensten Seite darbietet. In der Wahl der
Bcleuchtungsmvtive, in der Stimmung giebt sich seine romantische Naturan¬
schauung kund. Obwohl er dramatischen Momenten nicht aus dem Wege geht
- „norwegischer Wasserfall bei Sturm", 1849 -, liebt er es doch zumeist, die
Natur im Feierklcide zu schildern, entweder wenn die Sonne am höchsten steht
und alle Tiefen erleuchtet und erwärmt, oder wenn sie zur Rüste geht. Der Erfolg,
den seine Bilder gefunden haben und noch finden, beweist am besten, daß das große
Publikum immer uoch den Romantikern vor den Realisten Recht giebt und daß
es dem glänzenden Rhetorikcr ein willigeres Ohr leiht als dem trocknen Statistiker.

Leu beschränkte sich jedoch nicht lange auf Norwegen allein. Die Schweiz.
Bciicrn, Steiermark. das Salzkammergut, Ober-, Mittel-, Unteritalien und Tirol
wurden die Zielpunkte häufiger Reisen, die er bis in die siebziger Jahre fort¬
setzte. Auf ihn sowohl wie auf die Achenbachs, auf Gude, Kalckrcuth u. a.
hat sich die köstliche Eigenschaft des geistigen Haupts der Düsseldorfer Land¬
schafterschule vererbt. Wie Lessing, ältern sie nicht. Es wohnt ihnen eine
geradezu unverwüstliche Lebenskraft inne, eine Beweglichkeit des Geistes, welche
sie befähigt, immer auf der Höhe der Situation, auf der Oberfläche des Stroms
zu bleiben. Wenn man sich erinnert, daß die Anfänge dieser Maler meist
vierzig Jahre zurückliegen, daß also el» allmählicher Niedergang oder eine Er¬
starrung in Manier erklärlich, verzeihlich, im Grunde auch natürlich wären,
und wenn man dann ihre neuesten Schöpfungen sieht, strahlend im vollsten
Farbenglanze des modernen Colorismus, schwungvoll und poetisch in der Auf¬
fassung, gediegen und gründlich in der Zeichnung, so beugt man sich vor der
Allgewalt des Genius, der diese Männer noch in hohem Alter belebt.

Es giebt kaum eine öffentliche Galerie, ein fürstliches Schloß in Deutsch¬
land, welches nicht ein Bild von Leu, dem universellsten Alpenmaler der Düssel¬
dorfer Schule, besäße. Im Wiener Belvedere sieht man einen norwegischen
Wasserfall, in der Berliner Natioualgalerie den Oeschinensee bei Kandersteg im
Canton Bern, in der Stuttgarter Galerie eine Partie bei Berchtesgaden, im
Museum von Gotha eine prachtvolle Ansicht des Königsees mit dem Watzman —
sämmtlich Meisterwerke, welche seine vielseitige Thätigkeit illustriren. Seine letzten
Arbeiten waren italienische Gebirgs- und Strandlandschafteu (Capri, Puzzuoli,
Chiavennci, Comersee), auf denen der Zauber des Sonnenlichts mit unüber¬
trefflicher Wahrheit geschildert war.

Aus der Schule Schirmers ist auch Stanislaus Graf von Kalckreuth,
geboren am 24. December 1821 in Kozmin in der Provinz Posen, hervorge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/395>, abgerufen am 01.09.2024.