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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Johann Maria Hildebrandr.

Statt Geld wurde Messingdraht und Zink i" Barre", Perlen, buntes Baum-
wollenzmg, Stabeisen (zu Speer- und Schwertklingen, vielleicht auch zu Sclaven-
ketten), Aexte, Eisendraht, Tabak:c. angeschafft und mitgenommen. Am 22. Oc-
tober 1875 brach Hildebrandt auf und versuchte bei Lamu ins Innere vorzu¬
dringen, allein nicht nur die Kämpfe der SomÄ gegen die Gala, sondern auch
die Angst der Araber vor den Aegyptern machte jedes Vordringen ein dieser
Stelle unmöglich. Um Weihnachten gelangte er nach Mvmbassa und erkrankte
an einem hartnäckigen Fußübel, was ihn jedoch nicht hinderte, sich durch Neger
in einer Hängematte tragen zu lassen, um, so gut es ging, seinem Sammeleifer
zu genügen. Im April 1876 kehrte er nach Sansibar zurück und vertauschte
mehrmals seinen Wohnort mit Mombassa. Noch elender als das erstemal er¬
reichte er auf einem englischen Kriegsschiffe im Juni 1876 abermals Sansibar,
wo er min in der Station des englischen Hospitnlschiffes "London" sich einer
gründlichen Kur unterwarf. Unterm 16. Oetober desselben Jahres meldet er
in einem Briefe, der von prächtigem Humor und freudigstem Vertrauen auf glück¬
liche Lösung der seiner harrenden Aufgabe durchweht ist, daß er, in völligem Besitz
seiner frühern Gesundheit, die Krankenstatiou verlassen habe und in einigen Wochen
zum Schneeberg Kenia vorzudringen und von dort aus weiter zu operiren be¬
absichtige.

Allein auch diesmal kam er seinem eigentlichen Ziele nicht näher; diese neue
Reise durch die Galaländer, in welchen, wie schon erwähnt, die Wilden sich in krie¬
gerischer Aufregung befanden, wurde eine der gefahrvollsten und anstrengendsten,
die Hildebrandt überhaupt je gemacht. Nach unsäglichen Beschwerden und Mau¬
serungen erreichte er endlich krank und erschöpft am 12. März 1877 Alauda.
Von hier auf fluchtartigem Rückzug abermals erkrankt, gelangte er nach Sansibar
lind traf bald darauf mit seiner Ernte in Berlin ein. Langsam erholte er sich
in der Heimat. Seinen Aufenthalt in Europa benutzte er dazu, überall Ver¬
bindungen anzuknüpfen. Neben der bloßen Bereicherung der Wissenschaft dachte
er jetzt endlich auch an seine eigne materielle Aufbesserung. Er trat mit Com¬
missionären in England, Holland und der Schweiz in Verbindung, die für den
Vertrieb seiner in großen Mengen nach der Heimat gelangten Orchideen und
andrer tropischer Pflanzen Sorge tragen sollten. Durch den Pflanzenhcmdel ge¬
lang es ihm, seine ziemlich knappe materielle Lage allmählich besser zu gestalten.

Am 20. Februar 1879 trat er seine dritte Afrikareise an. Er hatte den spe¬
ciellen Auftrag, über das tragische Ende des Bremer Reisenden Dr. Rautenberg,
der im Angust 1878 in der Nähe von nashi-Bö ermordet worden war, Nach¬
forschungen anzustellen und womöglich Aufklärung zu schaffen, was er mit großem
Geschick ausführte. Darauf erwählte er sich die Insel Madagaskar zum Felde
seiner Wirksamkeit und sandte von dort viele Sammlungen von Pflanzen und
Thieren nach Berlin, ja noch in der jüngsten Zeit kamen Sendungen aus Tancma-
riev an, obgleich Nachrichten von ihm und über ihn spärlicher wurden. Zuletzt


Johann Maria Hildebrandr.

Statt Geld wurde Messingdraht und Zink i» Barre», Perlen, buntes Baum-
wollenzmg, Stabeisen (zu Speer- und Schwertklingen, vielleicht auch zu Sclaven-
ketten), Aexte, Eisendraht, Tabak:c. angeschafft und mitgenommen. Am 22. Oc-
tober 1875 brach Hildebrandt auf und versuchte bei Lamu ins Innere vorzu¬
dringen, allein nicht nur die Kämpfe der SomÄ gegen die Gala, sondern auch
die Angst der Araber vor den Aegyptern machte jedes Vordringen ein dieser
Stelle unmöglich. Um Weihnachten gelangte er nach Mvmbassa und erkrankte
an einem hartnäckigen Fußübel, was ihn jedoch nicht hinderte, sich durch Neger
in einer Hängematte tragen zu lassen, um, so gut es ging, seinem Sammeleifer
zu genügen. Im April 1876 kehrte er nach Sansibar zurück und vertauschte
mehrmals seinen Wohnort mit Mombassa. Noch elender als das erstemal er¬
reichte er auf einem englischen Kriegsschiffe im Juni 1876 abermals Sansibar,
wo er min in der Station des englischen Hospitnlschiffes „London" sich einer
gründlichen Kur unterwarf. Unterm 16. Oetober desselben Jahres meldet er
in einem Briefe, der von prächtigem Humor und freudigstem Vertrauen auf glück¬
liche Lösung der seiner harrenden Aufgabe durchweht ist, daß er, in völligem Besitz
seiner frühern Gesundheit, die Krankenstatiou verlassen habe und in einigen Wochen
zum Schneeberg Kenia vorzudringen und von dort aus weiter zu operiren be¬
absichtige.

Allein auch diesmal kam er seinem eigentlichen Ziele nicht näher; diese neue
Reise durch die Galaländer, in welchen, wie schon erwähnt, die Wilden sich in krie¬
gerischer Aufregung befanden, wurde eine der gefahrvollsten und anstrengendsten,
die Hildebrandt überhaupt je gemacht. Nach unsäglichen Beschwerden und Mau¬
serungen erreichte er endlich krank und erschöpft am 12. März 1877 Alauda.
Von hier auf fluchtartigem Rückzug abermals erkrankt, gelangte er nach Sansibar
lind traf bald darauf mit seiner Ernte in Berlin ein. Langsam erholte er sich
in der Heimat. Seinen Aufenthalt in Europa benutzte er dazu, überall Ver¬
bindungen anzuknüpfen. Neben der bloßen Bereicherung der Wissenschaft dachte
er jetzt endlich auch an seine eigne materielle Aufbesserung. Er trat mit Com¬
missionären in England, Holland und der Schweiz in Verbindung, die für den
Vertrieb seiner in großen Mengen nach der Heimat gelangten Orchideen und
andrer tropischer Pflanzen Sorge tragen sollten. Durch den Pflanzenhcmdel ge¬
lang es ihm, seine ziemlich knappe materielle Lage allmählich besser zu gestalten.

Am 20. Februar 1879 trat er seine dritte Afrikareise an. Er hatte den spe¬
ciellen Auftrag, über das tragische Ende des Bremer Reisenden Dr. Rautenberg,
der im Angust 1878 in der Nähe von nashi-Bö ermordet worden war, Nach¬
forschungen anzustellen und womöglich Aufklärung zu schaffen, was er mit großem
Geschick ausführte. Darauf erwählte er sich die Insel Madagaskar zum Felde
seiner Wirksamkeit und sandte von dort viele Sammlungen von Pflanzen und
Thieren nach Berlin, ja noch in der jüngsten Zeit kamen Sendungen aus Tancma-
riev an, obgleich Nachrichten von ihm und über ihn spärlicher wurden. Zuletzt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/389>, abgerufen am 01.09.2024.