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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Johann Maria Mdcbraiidt,

ans und heben ausdrücklich sein gutes körperliches und geistiges Befinden hervor.
Der erste Brief ist von Sohvrano in Betsileo vom 25, Januar 1881, der zweite
von Ankafina (21" 8' südl. Br.; 47" 47' söll, L. v, Gr.; 1264 Mer. ü. d. M.)
vom 23, Februar 1881 datirt. Beide Orte finden sich ans der neuen Stielerscheu
Karte von 1879 (Gotha, Perthes) nicht verzeichnet, liegen aber südöstlich von
Tanauarico in dem gebirgigen nud erzreichen Theile Madagaskars nahe an der
Küste, etwa 10--15 Meilen davon entfernt. Beide Briefe langten fast gleich¬
zeitig Ende April in Berlin an und machten die schon vier Wochen später ein¬
getretene Katastrophe für seine Freunde in der Heimat zu einer um so uner¬
warteteren. Nach den Briefen läßt sich im Zusammenhange mit der Zeit und
Entfernung vermuthen, daß Hildebrandt nicht auf der Reise, sondern erst nach
seiner Rückkehr in Taunuariev am Fieber erkrankte und starb. Aus der nach
folgenden kurzen biographischen Skizze möge der Leser ersehen, welche Hoffnungen
nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch für Hildebrandt selbst durch seinen
Tod vernichtet worden sind.

Johann Maria Ednnrd Theodor Hildebrandt war am 19, März 1847 zu
Düsseldorf geboren als der jüngste Sohn des Historienmalers der alten Düssel¬
dorfer Schule und Professors Theodor Hildebrandt, des Schöpfers der bekannten
Gemälde "Die Söhne Eduards," "Othello und Desdemona," "Der Räuber und
sein Kind" u, a. Unser Reisender besuchte zunächst das Düsseldorfer Gymnasium
und trat dann in das Pensionat seines Schwagers ein, wo ihm eine vorzügliche
Gelegenheit zur Erlernung fremder Sprachen geboten war, deren Studium er
sich mit besonderm Eifer hingab. Schon in seiner frühesten Jugend hatte er
das dunkle, unbezähmbare Verlangen, ferne Länder zu erforschen, und wollte des¬
halb Seemann werden. Auf Wunsch seines Vaters sah er jedoch hiervon ab
und trat zunächst in die Maschinenfabrik von O. und F. Windscheid in Düssel¬
dorf ein, um sich praktisch zum Maschinenbauer auszubilden. Nach zweijähriger
Thätigkeit büßte er aber hier durch einen Unglücksfall -- infolge einer Explosion --
das rechte Auge ein. Um seine Mutter, die von schwächlicher Körperevnstitntion
war, nicht zu erschrecken, suchte er den Verlust mit großer Willenskraft und
Geistesgegenwart äußerlich scheinbar abzuschwächen und als geringfügig darzu¬
stellen. Nachdem er sich in der Düsseldorfer Augenklinik einen ersten Verband
hatte anlegen lassen, begab er sich in die elterliche Wohnung und wußte durch
seinen Gleichmuth -- er trällerte noch ein Liedchen -- die Eltern zu beruhigen,
so daß diese anfangs glaubten, es handle sich nnr um eine geringe Verletzung.
Erst später warfen ihn die heftigen Schmerzen aufs Krankenlager. Selbstver¬
ständlich mußte er mich seiner ziemlich langsamen Heilung einen andern Lebens-
beruf wählen, und daß er den rechten fand, bewies sein späterer Erfolg. Um
diese Zeit etwa war es, wo ich Hildebrandts persönliche Bekanntschaft in Düssel¬
dorf machte. Der alte Hildebrandt, welcher außer seiner Kunst noch zwei Lieb¬
lingsneigungen Pflegte, die Lectüre Shakespeares, den er fast wörtlich rezitirte,


Johann Maria Mdcbraiidt,

ans und heben ausdrücklich sein gutes körperliches und geistiges Befinden hervor.
Der erste Brief ist von Sohvrano in Betsileo vom 25, Januar 1881, der zweite
von Ankafina (21« 8' südl. Br.; 47« 47' söll, L. v, Gr.; 1264 Mer. ü. d. M.)
vom 23, Februar 1881 datirt. Beide Orte finden sich ans der neuen Stielerscheu
Karte von 1879 (Gotha, Perthes) nicht verzeichnet, liegen aber südöstlich von
Tanauarico in dem gebirgigen nud erzreichen Theile Madagaskars nahe an der
Küste, etwa 10—15 Meilen davon entfernt. Beide Briefe langten fast gleich¬
zeitig Ende April in Berlin an und machten die schon vier Wochen später ein¬
getretene Katastrophe für seine Freunde in der Heimat zu einer um so uner¬
warteteren. Nach den Briefen läßt sich im Zusammenhange mit der Zeit und
Entfernung vermuthen, daß Hildebrandt nicht auf der Reise, sondern erst nach
seiner Rückkehr in Taunuariev am Fieber erkrankte und starb. Aus der nach
folgenden kurzen biographischen Skizze möge der Leser ersehen, welche Hoffnungen
nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch für Hildebrandt selbst durch seinen
Tod vernichtet worden sind.

Johann Maria Ednnrd Theodor Hildebrandt war am 19, März 1847 zu
Düsseldorf geboren als der jüngste Sohn des Historienmalers der alten Düssel¬
dorfer Schule und Professors Theodor Hildebrandt, des Schöpfers der bekannten
Gemälde „Die Söhne Eduards," „Othello und Desdemona," „Der Räuber und
sein Kind" u, a. Unser Reisender besuchte zunächst das Düsseldorfer Gymnasium
und trat dann in das Pensionat seines Schwagers ein, wo ihm eine vorzügliche
Gelegenheit zur Erlernung fremder Sprachen geboten war, deren Studium er
sich mit besonderm Eifer hingab. Schon in seiner frühesten Jugend hatte er
das dunkle, unbezähmbare Verlangen, ferne Länder zu erforschen, und wollte des¬
halb Seemann werden. Auf Wunsch seines Vaters sah er jedoch hiervon ab
und trat zunächst in die Maschinenfabrik von O. und F. Windscheid in Düssel¬
dorf ein, um sich praktisch zum Maschinenbauer auszubilden. Nach zweijähriger
Thätigkeit büßte er aber hier durch einen Unglücksfall — infolge einer Explosion —
das rechte Auge ein. Um seine Mutter, die von schwächlicher Körperevnstitntion
war, nicht zu erschrecken, suchte er den Verlust mit großer Willenskraft und
Geistesgegenwart äußerlich scheinbar abzuschwächen und als geringfügig darzu¬
stellen. Nachdem er sich in der Düsseldorfer Augenklinik einen ersten Verband
hatte anlegen lassen, begab er sich in die elterliche Wohnung und wußte durch
seinen Gleichmuth — er trällerte noch ein Liedchen — die Eltern zu beruhigen,
so daß diese anfangs glaubten, es handle sich nnr um eine geringe Verletzung.
Erst später warfen ihn die heftigen Schmerzen aufs Krankenlager. Selbstver¬
ständlich mußte er mich seiner ziemlich langsamen Heilung einen andern Lebens-
beruf wählen, und daß er den rechten fand, bewies sein späterer Erfolg. Um
diese Zeit etwa war es, wo ich Hildebrandts persönliche Bekanntschaft in Düssel¬
dorf machte. Der alte Hildebrandt, welcher außer seiner Kunst noch zwei Lieb¬
lingsneigungen Pflegte, die Lectüre Shakespeares, den er fast wörtlich rezitirte,


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[0381] Johann Maria Mdcbraiidt, ans und heben ausdrücklich sein gutes körperliches und geistiges Befinden hervor. Der erste Brief ist von Sohvrano in Betsileo vom 25, Januar 1881, der zweite von Ankafina (21« 8' südl. Br.; 47« 47' söll, L. v, Gr.; 1264 Mer. ü. d. M.) vom 23, Februar 1881 datirt. Beide Orte finden sich ans der neuen Stielerscheu Karte von 1879 (Gotha, Perthes) nicht verzeichnet, liegen aber südöstlich von Tanauarico in dem gebirgigen nud erzreichen Theile Madagaskars nahe an der Küste, etwa 10—15 Meilen davon entfernt. Beide Briefe langten fast gleich¬ zeitig Ende April in Berlin an und machten die schon vier Wochen später ein¬ getretene Katastrophe für seine Freunde in der Heimat zu einer um so uner¬ warteteren. Nach den Briefen läßt sich im Zusammenhange mit der Zeit und Entfernung vermuthen, daß Hildebrandt nicht auf der Reise, sondern erst nach seiner Rückkehr in Taunuariev am Fieber erkrankte und starb. Aus der nach folgenden kurzen biographischen Skizze möge der Leser ersehen, welche Hoffnungen nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch für Hildebrandt selbst durch seinen Tod vernichtet worden sind. Johann Maria Ednnrd Theodor Hildebrandt war am 19, März 1847 zu Düsseldorf geboren als der jüngste Sohn des Historienmalers der alten Düssel¬ dorfer Schule und Professors Theodor Hildebrandt, des Schöpfers der bekannten Gemälde „Die Söhne Eduards," „Othello und Desdemona," „Der Räuber und sein Kind" u, a. Unser Reisender besuchte zunächst das Düsseldorfer Gymnasium und trat dann in das Pensionat seines Schwagers ein, wo ihm eine vorzügliche Gelegenheit zur Erlernung fremder Sprachen geboten war, deren Studium er sich mit besonderm Eifer hingab. Schon in seiner frühesten Jugend hatte er das dunkle, unbezähmbare Verlangen, ferne Länder zu erforschen, und wollte des¬ halb Seemann werden. Auf Wunsch seines Vaters sah er jedoch hiervon ab und trat zunächst in die Maschinenfabrik von O. und F. Windscheid in Düssel¬ dorf ein, um sich praktisch zum Maschinenbauer auszubilden. Nach zweijähriger Thätigkeit büßte er aber hier durch einen Unglücksfall — infolge einer Explosion — das rechte Auge ein. Um seine Mutter, die von schwächlicher Körperevnstitntion war, nicht zu erschrecken, suchte er den Verlust mit großer Willenskraft und Geistesgegenwart äußerlich scheinbar abzuschwächen und als geringfügig darzu¬ stellen. Nachdem er sich in der Düsseldorfer Augenklinik einen ersten Verband hatte anlegen lassen, begab er sich in die elterliche Wohnung und wußte durch seinen Gleichmuth — er trällerte noch ein Liedchen — die Eltern zu beruhigen, so daß diese anfangs glaubten, es handle sich nnr um eine geringe Verletzung. Erst später warfen ihn die heftigen Schmerzen aufs Krankenlager. Selbstver¬ ständlich mußte er mich seiner ziemlich langsamen Heilung einen andern Lebens- beruf wählen, und daß er den rechten fand, bewies sein späterer Erfolg. Um diese Zeit etwa war es, wo ich Hildebrandts persönliche Bekanntschaft in Düssel¬ dorf machte. Der alte Hildebrandt, welcher außer seiner Kunst noch zwei Lieb¬ lingsneigungen Pflegte, die Lectüre Shakespeares, den er fast wörtlich rezitirte,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/381>, abgerufen am 01.09.2024.