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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Die Lösung der walleustcinfrage.

lautes. Schedel glaubt, daß ihn dabei die Leidenschaft verblendet habe; wo
ihm das aber nicht auszureichen scheint, meint er, Slnwata habe an Verfvlgungs-
wahnsinu gelitten. Freilich fragt er sich selbst, ob ein solcher mit einer so außer¬
ordentliche" Schlauheit und Umsicht, wie sie der Verfolger entwickelt, auch ver¬
einbar sei. Die Beantwortung schiebt er Psychologen und Irrenärzten zu. Er
selbst begnügt sich die Eigenheiten Slawatas, die als Symptome einer Geistes¬
störung in Betracht gezogen werden könnten, mitzutheilen.

Mit der Annahme eines solche" Verfolgers läßt sich natürlich jeder Flecken
Wallensteins abwasche". Aber, selbst angenommen, dieser Slawnta habe existirt,
ist es möglich, daß ein Mensch Tausende von wohlunterrichteten und klarsehenden
Männern täuschen und sie zwingen konnte, durch seine Brille zu sehen? Ist es
möglich, daß ein einzelner ans weiß schwarz machen konnte, und zwar der Art,
daß zweihundert und fünfzig Jahre lang die Welt im Irrthum leben konnte
über Ereignisse, die doch auf offener Bühne sich abspielten? Ist es endlich mög¬
lich, daß eine solche verleumderische Persönlichkeit, die zu ihren Zwecken ihre
Fäden nach allen Seiten spann, Jahrhunderte hindurch unbekannt bleiben konnte?
Auf diese Fragen erhalten Nur von Schedel keine Antwort.

Schließen wir eine kurze Betrachtung derjenigen Ereignisse an, welche Wallen¬
steins Katastrophe vorangingen, und sehen wir, wie Schedel die Schuld hier von
seinem Helden abzuwälzen sucht. Mit vollster Wahrscheinlichkeit hat bereits
Hallwich in dem obengenannten Werke den Nachweis geliefert, daß alle Unter¬
handlungen, welche Wallenstein während des Jahres 1633 geführt, im EinVer¬
ständniß mit dem Kaiser ersolgt seien. Schedel hat noch manches werthvolle
zur Unterstützung dieses Beweises angeführt. Erst der Umstand -- sagt Hall¬
wich --, daß der Herzog des Kaisers Vertrauen einbüßte, daß er fühlte, wie
die Kluft zwischen ihm und dem Oberhaupte des Staates sich von Tag zu Tag
erweiterte, habe ihn nach Eger getrieben, um von hier aus in Verhandlung mit
Schweden und Sachsen zu treten. Hier habe ihn das Verhängniß ereilt. Den
Angelpunkt in der Schuldfrage des Herzogs werden also die Verhandlungen zu
bilden haben, die im Beginn des Jahres 1634 mit Sachsen, Schweden und
Frankreich geführt wurden. Bezüglich der letztern ist Wallenstein nach Hallwich's
und Schedels Untersuchungen wohl freizusprechen, bezüglich der übrigen ist auch
von Schedel der Beweis für die Unschuld nicht erbracht worden.

In dem verhängnißvollen Ritt nach Eger hat man bisher auch von der¬
jenigen Seite, die Wallenstein günstig ist, das "Antreten des Herzogs zum Feinde"
gesehen. Schedel will diese Auffassung nicht gelten lassen. Wallenstein, sagt
er, habe nach einem gesicherten Punkte gesucht, um von da aus eine Verein¬
barung über die seit längerer Zeit angebotene Niederlegung des Gcneralats unter
angemessenen Bedingungen zu erwirken. Wenn es aber nur dies galt, warum
verhandelte dann der Herzog, der des Einverständnisses mit dem Feinde be¬
schuldigt wurde, noch weiter mit Schweden und Sachsen? Sein Anwalt erklärt


Die Lösung der walleustcinfrage.

lautes. Schedel glaubt, daß ihn dabei die Leidenschaft verblendet habe; wo
ihm das aber nicht auszureichen scheint, meint er, Slnwata habe an Verfvlgungs-
wahnsinu gelitten. Freilich fragt er sich selbst, ob ein solcher mit einer so außer¬
ordentliche» Schlauheit und Umsicht, wie sie der Verfolger entwickelt, auch ver¬
einbar sei. Die Beantwortung schiebt er Psychologen und Irrenärzten zu. Er
selbst begnügt sich die Eigenheiten Slawatas, die als Symptome einer Geistes¬
störung in Betracht gezogen werden könnten, mitzutheilen.

Mit der Annahme eines solche» Verfolgers läßt sich natürlich jeder Flecken
Wallensteins abwasche». Aber, selbst angenommen, dieser Slawnta habe existirt,
ist es möglich, daß ein Mensch Tausende von wohlunterrichteten und klarsehenden
Männern täuschen und sie zwingen konnte, durch seine Brille zu sehen? Ist es
möglich, daß ein einzelner ans weiß schwarz machen konnte, und zwar der Art,
daß zweihundert und fünfzig Jahre lang die Welt im Irrthum leben konnte
über Ereignisse, die doch auf offener Bühne sich abspielten? Ist es endlich mög¬
lich, daß eine solche verleumderische Persönlichkeit, die zu ihren Zwecken ihre
Fäden nach allen Seiten spann, Jahrhunderte hindurch unbekannt bleiben konnte?
Auf diese Fragen erhalten Nur von Schedel keine Antwort.

Schließen wir eine kurze Betrachtung derjenigen Ereignisse an, welche Wallen¬
steins Katastrophe vorangingen, und sehen wir, wie Schedel die Schuld hier von
seinem Helden abzuwälzen sucht. Mit vollster Wahrscheinlichkeit hat bereits
Hallwich in dem obengenannten Werke den Nachweis geliefert, daß alle Unter¬
handlungen, welche Wallenstein während des Jahres 1633 geführt, im EinVer¬
ständniß mit dem Kaiser ersolgt seien. Schedel hat noch manches werthvolle
zur Unterstützung dieses Beweises angeführt. Erst der Umstand — sagt Hall¬
wich —, daß der Herzog des Kaisers Vertrauen einbüßte, daß er fühlte, wie
die Kluft zwischen ihm und dem Oberhaupte des Staates sich von Tag zu Tag
erweiterte, habe ihn nach Eger getrieben, um von hier aus in Verhandlung mit
Schweden und Sachsen zu treten. Hier habe ihn das Verhängniß ereilt. Den
Angelpunkt in der Schuldfrage des Herzogs werden also die Verhandlungen zu
bilden haben, die im Beginn des Jahres 1634 mit Sachsen, Schweden und
Frankreich geführt wurden. Bezüglich der letztern ist Wallenstein nach Hallwich's
und Schedels Untersuchungen wohl freizusprechen, bezüglich der übrigen ist auch
von Schedel der Beweis für die Unschuld nicht erbracht worden.

In dem verhängnißvollen Ritt nach Eger hat man bisher auch von der¬
jenigen Seite, die Wallenstein günstig ist, das „Antreten des Herzogs zum Feinde"
gesehen. Schedel will diese Auffassung nicht gelten lassen. Wallenstein, sagt
er, habe nach einem gesicherten Punkte gesucht, um von da aus eine Verein¬
barung über die seit längerer Zeit angebotene Niederlegung des Gcneralats unter
angemessenen Bedingungen zu erwirken. Wenn es aber nur dies galt, warum
verhandelte dann der Herzog, der des Einverständnisses mit dem Feinde be¬
schuldigt wurde, noch weiter mit Schweden und Sachsen? Sein Anwalt erklärt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/379>, abgerufen am 01.09.2024.