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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Die Lösung der Wallensteinfrage,

und Wege fand, die compronüttirenden Nachrichten über Wallenstein in Umlauf
zu setzen, ja er verstand es selbst, Verhandlungen zu fingiren, denn der mit
Feuquisres correspondirende Kinsky war gar nicht der Freund des Herzogs, sondern
(vgl. S. 517) möglicherweise nur eine mystische Person. Sprach also dieser Kinsky
von der Absicht Wallensteins, sich der böhmischen Krone zu bemächtigen, so ist
das nur ein Manöver Slawatas gewesen, den Herzog zu verdächtigen. Schwieriger
kommt Schedel mit Arnims Mittheilungen und den Briefen des Herzogs von
Sachsen-Lauenburg, des Boten Wallensteins an Bernhard von Weimar, aus.
Aber er hilft sich doch auch hier. Entweder haben sie beide zu viel gesagt, ge¬
flunkert, oder aber -- und das letztere macht er namentlich bei dem Herzog von
Lauenburg geltend -- die Briefe, die den Friedlünder compromittirten, sind unter¬
geschoben und der Unterhändler, der dies doch hätte sehen müssen, wurde ge¬
wonnen, darüber stillzuschweigen.

Hiernach verfällt Schedel leider in denselben Fehler, den er an denjenigen
Geschichtschreibern tadelt, die von der Schuld Wallensteins überzeugt sind. Wie
jene sich nach den von Slawata herrührenden Berichten ein Bild Wallen¬
steins gemacht haben sollten, in welches der Verrath sehr gut hineinpasse, so
geht er von dem Grundsatze aus, daß Wallenstein unschuldig sei, und schreibt
jedes belastende Urtheil allein Slawata zu.

Aber lebte denn dieser Slawata wirklich, war er ein Wesen von Fleisch
und Bein oder war es nicht vielmehr die vielzüugige Fama, die geschäftig bei
Freund und Feind alles üble gegen den Herzog verbreitete? -- Wir meinen
das letztere und glauben, daß Schedel seinen Slawata sich nur gebildet habe.
In mittelalterlichen religiösen Stücken trat Wohl der leibhaftige Gottseibeiuns
auf, unter verschiedenartiger Gestalt führte er den Kampf gegen das Gute. Aber
der Teufel wird erkannt, überführt, und er verhilft als die Kraft, die stets das
Böse will und doch das Gute schafft, der Wahrheit zum Siege. Aehnlich geht
es in Schedels Buche zu. Auch hier wird der Uebelthäter gefunden, und da¬
durch kommt die Unschuld des Verklagten ans Tageslicht.

Gerade diesen Slawata zu fingiren, lag nahe. Er war -- und das hat
Schedel durchaus glaubhaft gemacht -- ein Feind Wallensteins und hat seine
Hand vielfach im Spiele gehabt. Unbedenklich'können wir auch zugestehen, daß
verschiedne der oben genannten Flugschriften von ihm stammen, wenn auch natür¬
lich nicht alles, was gegen Wallenstein geschrieben wurde, selbst wenn es oft
mit Slawata übereinstimmt, von diesem herzurühren braucht. Aber was wissen
wir sonst von ihm? Noch ist er, so lange nicht das Slawatasche Archiv in Neu¬
haus in dieser Hinsicht gründlich ausgebeutet ist, ein unbeschriebnes Blatt Papier,
auf das manche Niederträchtigkeit ohne Widerspruch geschrieben werden kaun.
Und was für ein Scheusal soll dieser Slawata gewesen sei"! Ohne eine er¬
kennbare Veranlassung bekämpft er in jeder Gestalt den Herzog bis über das
Grab hinaus, verletzt er selbst die Interessen seines Monarchen und seines Vater-


Die Lösung der Wallensteinfrage,

und Wege fand, die compronüttirenden Nachrichten über Wallenstein in Umlauf
zu setzen, ja er verstand es selbst, Verhandlungen zu fingiren, denn der mit
Feuquisres correspondirende Kinsky war gar nicht der Freund des Herzogs, sondern
(vgl. S. 517) möglicherweise nur eine mystische Person. Sprach also dieser Kinsky
von der Absicht Wallensteins, sich der böhmischen Krone zu bemächtigen, so ist
das nur ein Manöver Slawatas gewesen, den Herzog zu verdächtigen. Schwieriger
kommt Schedel mit Arnims Mittheilungen und den Briefen des Herzogs von
Sachsen-Lauenburg, des Boten Wallensteins an Bernhard von Weimar, aus.
Aber er hilft sich doch auch hier. Entweder haben sie beide zu viel gesagt, ge¬
flunkert, oder aber — und das letztere macht er namentlich bei dem Herzog von
Lauenburg geltend — die Briefe, die den Friedlünder compromittirten, sind unter¬
geschoben und der Unterhändler, der dies doch hätte sehen müssen, wurde ge¬
wonnen, darüber stillzuschweigen.

Hiernach verfällt Schedel leider in denselben Fehler, den er an denjenigen
Geschichtschreibern tadelt, die von der Schuld Wallensteins überzeugt sind. Wie
jene sich nach den von Slawata herrührenden Berichten ein Bild Wallen¬
steins gemacht haben sollten, in welches der Verrath sehr gut hineinpasse, so
geht er von dem Grundsatze aus, daß Wallenstein unschuldig sei, und schreibt
jedes belastende Urtheil allein Slawata zu.

Aber lebte denn dieser Slawata wirklich, war er ein Wesen von Fleisch
und Bein oder war es nicht vielmehr die vielzüugige Fama, die geschäftig bei
Freund und Feind alles üble gegen den Herzog verbreitete? — Wir meinen
das letztere und glauben, daß Schedel seinen Slawata sich nur gebildet habe.
In mittelalterlichen religiösen Stücken trat Wohl der leibhaftige Gottseibeiuns
auf, unter verschiedenartiger Gestalt führte er den Kampf gegen das Gute. Aber
der Teufel wird erkannt, überführt, und er verhilft als die Kraft, die stets das
Böse will und doch das Gute schafft, der Wahrheit zum Siege. Aehnlich geht
es in Schedels Buche zu. Auch hier wird der Uebelthäter gefunden, und da¬
durch kommt die Unschuld des Verklagten ans Tageslicht.

Gerade diesen Slawata zu fingiren, lag nahe. Er war — und das hat
Schedel durchaus glaubhaft gemacht — ein Feind Wallensteins und hat seine
Hand vielfach im Spiele gehabt. Unbedenklich'können wir auch zugestehen, daß
verschiedne der oben genannten Flugschriften von ihm stammen, wenn auch natür¬
lich nicht alles, was gegen Wallenstein geschrieben wurde, selbst wenn es oft
mit Slawata übereinstimmt, von diesem herzurühren braucht. Aber was wissen
wir sonst von ihm? Noch ist er, so lange nicht das Slawatasche Archiv in Neu¬
haus in dieser Hinsicht gründlich ausgebeutet ist, ein unbeschriebnes Blatt Papier,
auf das manche Niederträchtigkeit ohne Widerspruch geschrieben werden kaun.
Und was für ein Scheusal soll dieser Slawata gewesen sei»! Ohne eine er¬
kennbare Veranlassung bekämpft er in jeder Gestalt den Herzog bis über das
Grab hinaus, verletzt er selbst die Interessen seines Monarchen und seines Vater-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/378>, abgerufen am 01.09.2024.