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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Die Lösung der Wallensteinfrage,

und deren Vertretern geheime Verbindungen angeknüpft und ihnen die innersten
Vorgänge am kaiserlichen Hofe mitgetheilt. Ja er habe hochverräterischer Weise
durch diese Verbindungen die kaiserliche Politik zu durchkreuzen und zu vereiteln
versucht und sie auch wirklich vereitelt.

Von jungen Jahren an habe er sich die Beobachtung des von ihm ver¬
haßten zur Aufgabe gemacht; zum System werde sie, seit Wallenstein seine große
militärische und politische Rolle angetreten habe. Er umgebe ihn mit einem Netze
von Spionen und liege selbst beständig auf der Lauer. Er wittere förmlich
heraus, was derselbe in dieser oder jener Situation im Sinne führen könnte,
und natürlich sei es immer das schlechteste, was er ihm zumuthe. In seiner Be¬
rechnung wisse er übrigens die von ihm ausgesonnenen Anschläge Friedlands
gerade immer dort anzubringen, wo sie am empfindlichsten Hütte berühren müssen
und wo auch das thatkräftigste Eingreifen in seinem Sinne zu erwarten gewesen
wäre. So habe er Friedland bei aller Welt verhetzt, beim Kaiser und beim
Thronfolger, bei den hohen Würdenträgern, bei der Geistlichkeit, beim Adel,
beim Militär, im In- und Auslande, bei Freund und Feind.

Es sei kein Wunder, wenn die Ausstreuungen Slawatas über Wallensteins
Neigung zum Abfall vom Kaiser, über seine Prätensionen, feine jesuitenfeiud-
lichen Tendenzen u. dergl. auch zu den Feinden gedrungen seien. Auch habe
Slawata Mittel gefunden, Verdächtigungen ins feindliche L"ger zu leiten, und es
sei ihm nicht darauf angekommen, zu diesem Behufe Briefe zu fingiren.

Endlich habe Slawata bei den nach dem Tode Wallensteins lind seiner An¬
hänger zur Rechtfertigung der That oder wegen der Vermögcnsconfiscativn an¬
hängig gemachten Processen eine derartige Rolle gespielt, daß in der That nur
beschlossen worden sei, was er gewollt habe, und später noch habe er zahlreiche
Berichte verfaßt, welche die Grundlage zur Geschichte von Wallensteins Verrath
geworden seien, ja sein Einfluß wirke noch immer in den Acten fort, welche neu
aus den Archiven hervorgezogen würden.

So hätten wir in Slawata den Autor der Verschwörung Wallensteins, den
intellectuellen Urheber seines Sturzes und den leitenden Geist bei der Ausführung
der Maßregeln zu erblicken, welche denselben herbeiführten.

Wir haben Schedel ausführlich sprechen lassen, denn eben in dem, was wir
vorgeführt haben, liegt der Kern seiner Hypothese, liegt das Universalheilmittel,
mit dem er alle Schäden, die dem Namen des von ihm mit warmer Begeisterung
vertheidigten Helden bisher anhafteten, mit Leichtigkeit heilt. Denn welcher Vor-
wurf es auch ist, der gegen den Herzog erhoben wurde, welcher Verdacht sich
in Flugschriften oder Briefen von Freund und Feind immer aussprechen mag,
überall sieht Schedel das wuthverzerrte Antlitz seines Verfolgers dahinter, wittert
er gemeine Lüge und schamlosen Betrug. Ja selbst, wenn aus schwedischen oder
französischen Archiven die belasteudsteu Actenstücke zum Vorschein kämen, Wallen¬
steins Vertheidiger würde dagegen gewappnet sein. Slawata war es, der Mittel


Grenzboten III. 1831. 47
Die Lösung der Wallensteinfrage,

und deren Vertretern geheime Verbindungen angeknüpft und ihnen die innersten
Vorgänge am kaiserlichen Hofe mitgetheilt. Ja er habe hochverräterischer Weise
durch diese Verbindungen die kaiserliche Politik zu durchkreuzen und zu vereiteln
versucht und sie auch wirklich vereitelt.

Von jungen Jahren an habe er sich die Beobachtung des von ihm ver¬
haßten zur Aufgabe gemacht; zum System werde sie, seit Wallenstein seine große
militärische und politische Rolle angetreten habe. Er umgebe ihn mit einem Netze
von Spionen und liege selbst beständig auf der Lauer. Er wittere förmlich
heraus, was derselbe in dieser oder jener Situation im Sinne führen könnte,
und natürlich sei es immer das schlechteste, was er ihm zumuthe. In seiner Be¬
rechnung wisse er übrigens die von ihm ausgesonnenen Anschläge Friedlands
gerade immer dort anzubringen, wo sie am empfindlichsten Hütte berühren müssen
und wo auch das thatkräftigste Eingreifen in seinem Sinne zu erwarten gewesen
wäre. So habe er Friedland bei aller Welt verhetzt, beim Kaiser und beim
Thronfolger, bei den hohen Würdenträgern, bei der Geistlichkeit, beim Adel,
beim Militär, im In- und Auslande, bei Freund und Feind.

Es sei kein Wunder, wenn die Ausstreuungen Slawatas über Wallensteins
Neigung zum Abfall vom Kaiser, über seine Prätensionen, feine jesuitenfeiud-
lichen Tendenzen u. dergl. auch zu den Feinden gedrungen seien. Auch habe
Slawata Mittel gefunden, Verdächtigungen ins feindliche L«ger zu leiten, und es
sei ihm nicht darauf angekommen, zu diesem Behufe Briefe zu fingiren.

Endlich habe Slawata bei den nach dem Tode Wallensteins lind seiner An¬
hänger zur Rechtfertigung der That oder wegen der Vermögcnsconfiscativn an¬
hängig gemachten Processen eine derartige Rolle gespielt, daß in der That nur
beschlossen worden sei, was er gewollt habe, und später noch habe er zahlreiche
Berichte verfaßt, welche die Grundlage zur Geschichte von Wallensteins Verrath
geworden seien, ja sein Einfluß wirke noch immer in den Acten fort, welche neu
aus den Archiven hervorgezogen würden.

So hätten wir in Slawata den Autor der Verschwörung Wallensteins, den
intellectuellen Urheber seines Sturzes und den leitenden Geist bei der Ausführung
der Maßregeln zu erblicken, welche denselben herbeiführten.

Wir haben Schedel ausführlich sprechen lassen, denn eben in dem, was wir
vorgeführt haben, liegt der Kern seiner Hypothese, liegt das Universalheilmittel,
mit dem er alle Schäden, die dem Namen des von ihm mit warmer Begeisterung
vertheidigten Helden bisher anhafteten, mit Leichtigkeit heilt. Denn welcher Vor-
wurf es auch ist, der gegen den Herzog erhoben wurde, welcher Verdacht sich
in Flugschriften oder Briefen von Freund und Feind immer aussprechen mag,
überall sieht Schedel das wuthverzerrte Antlitz seines Verfolgers dahinter, wittert
er gemeine Lüge und schamlosen Betrug. Ja selbst, wenn aus schwedischen oder
französischen Archiven die belasteudsteu Actenstücke zum Vorschein kämen, Wallen¬
steins Vertheidiger würde dagegen gewappnet sein. Slawata war es, der Mittel


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[0377] Die Lösung der Wallensteinfrage, und deren Vertretern geheime Verbindungen angeknüpft und ihnen die innersten Vorgänge am kaiserlichen Hofe mitgetheilt. Ja er habe hochverräterischer Weise durch diese Verbindungen die kaiserliche Politik zu durchkreuzen und zu vereiteln versucht und sie auch wirklich vereitelt. Von jungen Jahren an habe er sich die Beobachtung des von ihm ver¬ haßten zur Aufgabe gemacht; zum System werde sie, seit Wallenstein seine große militärische und politische Rolle angetreten habe. Er umgebe ihn mit einem Netze von Spionen und liege selbst beständig auf der Lauer. Er wittere förmlich heraus, was derselbe in dieser oder jener Situation im Sinne führen könnte, und natürlich sei es immer das schlechteste, was er ihm zumuthe. In seiner Be¬ rechnung wisse er übrigens die von ihm ausgesonnenen Anschläge Friedlands gerade immer dort anzubringen, wo sie am empfindlichsten Hütte berühren müssen und wo auch das thatkräftigste Eingreifen in seinem Sinne zu erwarten gewesen wäre. So habe er Friedland bei aller Welt verhetzt, beim Kaiser und beim Thronfolger, bei den hohen Würdenträgern, bei der Geistlichkeit, beim Adel, beim Militär, im In- und Auslande, bei Freund und Feind. Es sei kein Wunder, wenn die Ausstreuungen Slawatas über Wallensteins Neigung zum Abfall vom Kaiser, über seine Prätensionen, feine jesuitenfeiud- lichen Tendenzen u. dergl. auch zu den Feinden gedrungen seien. Auch habe Slawata Mittel gefunden, Verdächtigungen ins feindliche L«ger zu leiten, und es sei ihm nicht darauf angekommen, zu diesem Behufe Briefe zu fingiren. Endlich habe Slawata bei den nach dem Tode Wallensteins lind seiner An¬ hänger zur Rechtfertigung der That oder wegen der Vermögcnsconfiscativn an¬ hängig gemachten Processen eine derartige Rolle gespielt, daß in der That nur beschlossen worden sei, was er gewollt habe, und später noch habe er zahlreiche Berichte verfaßt, welche die Grundlage zur Geschichte von Wallensteins Verrath geworden seien, ja sein Einfluß wirke noch immer in den Acten fort, welche neu aus den Archiven hervorgezogen würden. So hätten wir in Slawata den Autor der Verschwörung Wallensteins, den intellectuellen Urheber seines Sturzes und den leitenden Geist bei der Ausführung der Maßregeln zu erblicken, welche denselben herbeiführten. Wir haben Schedel ausführlich sprechen lassen, denn eben in dem, was wir vorgeführt haben, liegt der Kern seiner Hypothese, liegt das Universalheilmittel, mit dem er alle Schäden, die dem Namen des von ihm mit warmer Begeisterung vertheidigten Helden bisher anhafteten, mit Leichtigkeit heilt. Denn welcher Vor- wurf es auch ist, der gegen den Herzog erhoben wurde, welcher Verdacht sich in Flugschriften oder Briefen von Freund und Feind immer aussprechen mag, überall sieht Schedel das wuthverzerrte Antlitz seines Verfolgers dahinter, wittert er gemeine Lüge und schamlosen Betrug. Ja selbst, wenn aus schwedischen oder französischen Archiven die belasteudsteu Actenstücke zum Vorschein kämen, Wallen¬ steins Vertheidiger würde dagegen gewappnet sein. Slawata war es, der Mittel Grenzboten III. 1831. 47

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/377>, abgerufen am 26.11.2024.