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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Walpurgisnacht.

verräth, wünscht man sie sobald als möglich wieder zum Lande hinaus. Unter
den der Königin treu und hold verbliebenen befindet sich auch Gras Stern-
berg, der Begünstigte des Glücks, den Christine in ihrer Jugend geliebt
hat und für den sie noch immer einen Rest der alten Neigung im Herzen
trägt. Ja recht leidenschaftlich flammt diese Neigung auf, als sie in Erfahrung
bringt oder zu bringen meint, daß Sternberg Edda Karlson, die Pächterstochter
von Odinsholm, das schönste Mädchen Schwedens, zur Braut erkoren habe.
Hat sie selbst sich dem Grafen nicht vermählen können, so soll er doch nur aus
ihrer Hand eine Gemahlin und keine unebenbürtige erhalten. Inzwischen haben
Sternbergs Augen und Herz selbst gewählt, nicht Edda Karlson, sondern die
junge Gräfin Agnes Western. Bei der ersten Begegnung faßt er die Leiden¬
schaft für diese reizende Unbekannte, welche ihr Vormund Baron Cedcrnkrcmz
augenblicklich wieder vom Hofe entfernt. Um selbst in die Entwicklung einzugreifen,
beschließt Christine nach Odinsholm abzureisen. Sie steht freilich mit diesem
Vorsatze nicht allein, denn eine lustige Gesellschaft deutscher Studenten in Upsala
hat den gleichen Entschluß gefaßt. In dem glücklichen Odinsholm wird Wal¬
purgisnacht ganz nach altem guten Brauch mit Spielen und Mummereien ge¬
feiert. Was Wunder, daß die Musensöhne sich auch vermummen und mit ihrem
Scherz zugleich eine gute Absicht fördern wollen? Der tüchtigste von ihnen,
Wolf von Rügen, liebt jene Edda Karlson, welche ihr eigner Vater dem Grafen
Sternberg zugedacht. Es gilt dem Freunde zu Hilfe zu kommen und dein über¬
ehrgeizigen Hofpächter ein wenig ins Gewissen zu reden. Wie könnte es besser
geschehen, als wenn Königin Christine, die Herrin, plötzlich aufträte und zu
Gunsten Wolfs bei Edda, und wo es sonst nöthig werden könnte, intervenirte?
So wird in toller Jugendlust ein Abenteuer geplant, und daß Studiosus Troll
mit einigem Glück die Exkönigin darstellen wird, dafür ist ja gesorgt. Christine
hat von jeher mehr einem jungen Mann geglichen als durch besondern weiblichen
Reiz geglänzt. Während sich die Studenten in einer Höhle bei Odinsholm zu
ihrem Spuk rüsten, erscheint die Königin incognito als Fräulein von Landskron
auf dem Gute, und gleichzeitig hat sich die junge Gräfin Agnes Western, dieselbe,
die Sternberg liebt und die Christine dem einst geliebten zugedacht hat, sammt
ihrem alten Diener in der Verkleidung eines musicirenden Bergknappen daselbst
eingefunden. Man sieht, die Verkleidungsmotive spielen eine große Rolle --
jedenfalls helfen sie die Handlung bunt und lustig gestalten, denn in dem Spiel
und Gegenspiel, das nun entsteht, geht es ein wenig wirr zu, und der Mummen¬
schanz steigert sich bis zur letzten Seene, wo Troll und seine Genossen in
Gegenwart der wirklichen Christine ihre feierliche Posse aufführen, bis endlich
die Königin dazwischen tritt:


Ist meine Würde feil? in Pacht gethan?
Bin ich schon todt und Eigenthum der Menge,
Daß mich der Witz im Schattenspiel beerbt?

Walpurgisnacht.

verräth, wünscht man sie sobald als möglich wieder zum Lande hinaus. Unter
den der Königin treu und hold verbliebenen befindet sich auch Gras Stern-
berg, der Begünstigte des Glücks, den Christine in ihrer Jugend geliebt
hat und für den sie noch immer einen Rest der alten Neigung im Herzen
trägt. Ja recht leidenschaftlich flammt diese Neigung auf, als sie in Erfahrung
bringt oder zu bringen meint, daß Sternberg Edda Karlson, die Pächterstochter
von Odinsholm, das schönste Mädchen Schwedens, zur Braut erkoren habe.
Hat sie selbst sich dem Grafen nicht vermählen können, so soll er doch nur aus
ihrer Hand eine Gemahlin und keine unebenbürtige erhalten. Inzwischen haben
Sternbergs Augen und Herz selbst gewählt, nicht Edda Karlson, sondern die
junge Gräfin Agnes Western. Bei der ersten Begegnung faßt er die Leiden¬
schaft für diese reizende Unbekannte, welche ihr Vormund Baron Cedcrnkrcmz
augenblicklich wieder vom Hofe entfernt. Um selbst in die Entwicklung einzugreifen,
beschließt Christine nach Odinsholm abzureisen. Sie steht freilich mit diesem
Vorsatze nicht allein, denn eine lustige Gesellschaft deutscher Studenten in Upsala
hat den gleichen Entschluß gefaßt. In dem glücklichen Odinsholm wird Wal¬
purgisnacht ganz nach altem guten Brauch mit Spielen und Mummereien ge¬
feiert. Was Wunder, daß die Musensöhne sich auch vermummen und mit ihrem
Scherz zugleich eine gute Absicht fördern wollen? Der tüchtigste von ihnen,
Wolf von Rügen, liebt jene Edda Karlson, welche ihr eigner Vater dem Grafen
Sternberg zugedacht. Es gilt dem Freunde zu Hilfe zu kommen und dein über¬
ehrgeizigen Hofpächter ein wenig ins Gewissen zu reden. Wie könnte es besser
geschehen, als wenn Königin Christine, die Herrin, plötzlich aufträte und zu
Gunsten Wolfs bei Edda, und wo es sonst nöthig werden könnte, intervenirte?
So wird in toller Jugendlust ein Abenteuer geplant, und daß Studiosus Troll
mit einigem Glück die Exkönigin darstellen wird, dafür ist ja gesorgt. Christine
hat von jeher mehr einem jungen Mann geglichen als durch besondern weiblichen
Reiz geglänzt. Während sich die Studenten in einer Höhle bei Odinsholm zu
ihrem Spuk rüsten, erscheint die Königin incognito als Fräulein von Landskron
auf dem Gute, und gleichzeitig hat sich die junge Gräfin Agnes Western, dieselbe,
die Sternberg liebt und die Christine dem einst geliebten zugedacht hat, sammt
ihrem alten Diener in der Verkleidung eines musicirenden Bergknappen daselbst
eingefunden. Man sieht, die Verkleidungsmotive spielen eine große Rolle —
jedenfalls helfen sie die Handlung bunt und lustig gestalten, denn in dem Spiel
und Gegenspiel, das nun entsteht, geht es ein wenig wirr zu, und der Mummen¬
schanz steigert sich bis zur letzten Seene, wo Troll und seine Genossen in
Gegenwart der wirklichen Christine ihre feierliche Posse aufführen, bis endlich
die Königin dazwischen tritt:


Ist meine Würde feil? in Pacht gethan?
Bin ich schon todt und Eigenthum der Menge,
Daß mich der Witz im Schattenspiel beerbt?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/348>, abgerufen am 24.11.2024.