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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Shakespeare in Frankreich.

bestimmter Weise auf Shakespeare als einen Dichter hin, der etwas von So¬
phokles und von Aeschylos in sich vereinige. In demselben Jahre noch sollten
aber die Franzosen in einem aus dem Englischen des Collier übersetzten Buche:
I^A oritiaus an tlMtrs WAlais vomps,re ,in ÄMtre ä'^kreire, as lions et- as
Graues vom xsre as OourKsvills in eingehendster und sensationeller Weise mit
dem englischen Theater bekannt gemacht werden. Bei der Seltenheit französischer
Uebersetzungen englischer Werke zu dieser Zeit beweist die hier vorliegende schon
allein, welches Aufsehen diese 1703 erschienene Collierschc Schrift lA sllort visv
ot' tus illimoiMt,^ g,mal xrolÄueuvW ol tus LvAlisd. staM) in England ge¬
macht haben mußte, daher sie nun auch in Frankreich jedenfalls große Beach¬
tung gefunden haben wird. Allerdings war sie vorzugsweise darauf gerichtet,
dem Leser einen abschreckenden Begriff von der englischen Bühne, besonders dem
neuesten Zustande derselben, zu geben. Doch dürfte dieselbe zu einer Zeit und
bei Zuständen, wie sie in Frankreich dnrch die Regentschaft heraufbeschworen
worden waren, den umgekehrten Eindruck gemacht und zu weiterer Kenntniß-
ncchme jener moralischen Ungeheuerlichkeiten gerade erst angeregt haben. Dies
würde freilich fast nur den neuesten Dramen, am wenigsten Shakespeare, z"
Gute gekommen sein, weil dieser uur ein einzigesmal darin flüchtig, wegen seines
Falstaffs, berührt wird.

Mit Ludwigs XIV. Tode war überhaupt der geistige Verkehr zwischen Frank¬
reich und England wieder freier geworden. Fast gleichzeitig mit Voltaire gingen
noch verschiedene andre von literarischem Interesse beseelte Männer nach England,
von denen vor allen Destouches und Provost genannt werden müssen, weil in den
Schriften derselben d?r englische Einfluß entschiedener hervortritt. Doch wurde
dieser noch früher ein Marivaux sichtbar, dessen dem Addison nachgebildeter Lpeeta-
wur trM0AL bereits 1722 erschien, d. i. 12 Jahre früher, als die ihn dann freilich
weit überflügelnde Zeitschrift I>e ?our et le Loutro des Prevost. Auch das 1727
erschienene kleine Lustspiel I-s trg,mög,is ü, I^ouärss von Bvissh, welches den Gegen¬
satz des Charakters und der Sitten beider Nationen in lebendiger Weise zur
Darstellung bringt, läßt auf den wachsenden Verkehr beider Länder schließen.
Lacroix bringt damit eine Stelle aus einem andern Stücke, 1^ lrivolitv, in
Verbindung, in welcher sogar schon von der Anglvmnnie der Franzosen und der
Ueberschütznng Shakespeares die Rede ist:


Lor trM"i>ort l'-atro Mir otait I'lag'Iomanio,
^.u äossus as (lorllvillo II mottait Llialcospears.

Allein, obschon dieses Stück gleichfalls von Bvissh ist, gehört es doch einer
viel späteren Zeit an. Es wurde erst 17S3 zum ersten mal im lIMckrs ach
Italiens mit großem Beifall gegeben.

Prevost hatte in seinem ?nur et Lorckre es sich geradezu zur Aufgabe ge¬
macht, seinen Landsleuten die Kenntniß der englischen Literatur zu vermitteln.
Dies geschah aber erst, nachdem Voltaire dazu schon das Beispiel gegeben. Er


Shakespeare in Frankreich.

bestimmter Weise auf Shakespeare als einen Dichter hin, der etwas von So¬
phokles und von Aeschylos in sich vereinige. In demselben Jahre noch sollten
aber die Franzosen in einem aus dem Englischen des Collier übersetzten Buche:
I^A oritiaus an tlMtrs WAlais vomps,re ,in ÄMtre ä'^kreire, as lions et- as
Graues vom xsre as OourKsvills in eingehendster und sensationeller Weise mit
dem englischen Theater bekannt gemacht werden. Bei der Seltenheit französischer
Uebersetzungen englischer Werke zu dieser Zeit beweist die hier vorliegende schon
allein, welches Aufsehen diese 1703 erschienene Collierschc Schrift lA sllort visv
ot' tus illimoiMt,^ g,mal xrolÄueuvW ol tus LvAlisd. staM) in England ge¬
macht haben mußte, daher sie nun auch in Frankreich jedenfalls große Beach¬
tung gefunden haben wird. Allerdings war sie vorzugsweise darauf gerichtet,
dem Leser einen abschreckenden Begriff von der englischen Bühne, besonders dem
neuesten Zustande derselben, zu geben. Doch dürfte dieselbe zu einer Zeit und
bei Zuständen, wie sie in Frankreich dnrch die Regentschaft heraufbeschworen
worden waren, den umgekehrten Eindruck gemacht und zu weiterer Kenntniß-
ncchme jener moralischen Ungeheuerlichkeiten gerade erst angeregt haben. Dies
würde freilich fast nur den neuesten Dramen, am wenigsten Shakespeare, z»
Gute gekommen sein, weil dieser uur ein einzigesmal darin flüchtig, wegen seines
Falstaffs, berührt wird.

Mit Ludwigs XIV. Tode war überhaupt der geistige Verkehr zwischen Frank¬
reich und England wieder freier geworden. Fast gleichzeitig mit Voltaire gingen
noch verschiedene andre von literarischem Interesse beseelte Männer nach England,
von denen vor allen Destouches und Provost genannt werden müssen, weil in den
Schriften derselben d?r englische Einfluß entschiedener hervortritt. Doch wurde
dieser noch früher ein Marivaux sichtbar, dessen dem Addison nachgebildeter Lpeeta-
wur trM0AL bereits 1722 erschien, d. i. 12 Jahre früher, als die ihn dann freilich
weit überflügelnde Zeitschrift I>e ?our et le Loutro des Prevost. Auch das 1727
erschienene kleine Lustspiel I-s trg,mög,is ü, I^ouärss von Bvissh, welches den Gegen¬
satz des Charakters und der Sitten beider Nationen in lebendiger Weise zur
Darstellung bringt, läßt auf den wachsenden Verkehr beider Länder schließen.
Lacroix bringt damit eine Stelle aus einem andern Stücke, 1^ lrivolitv, in
Verbindung, in welcher sogar schon von der Anglvmnnie der Franzosen und der
Ueberschütznng Shakespeares die Rede ist:


Lor trM»i>ort l'-atro Mir otait I'lag'Iomanio,
^.u äossus as (lorllvillo II mottait Llialcospears.

Allein, obschon dieses Stück gleichfalls von Bvissh ist, gehört es doch einer
viel späteren Zeit an. Es wurde erst 17S3 zum ersten mal im lIMckrs ach
Italiens mit großem Beifall gegeben.

Prevost hatte in seinem ?nur et Lorckre es sich geradezu zur Aufgabe ge¬
macht, seinen Landsleuten die Kenntniß der englischen Literatur zu vermitteln.
Dies geschah aber erst, nachdem Voltaire dazu schon das Beispiel gegeben. Er


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[0330] Shakespeare in Frankreich. bestimmter Weise auf Shakespeare als einen Dichter hin, der etwas von So¬ phokles und von Aeschylos in sich vereinige. In demselben Jahre noch sollten aber die Franzosen in einem aus dem Englischen des Collier übersetzten Buche: I^A oritiaus an tlMtrs WAlais vomps,re ,in ÄMtre ä'^kreire, as lions et- as Graues vom xsre as OourKsvills in eingehendster und sensationeller Weise mit dem englischen Theater bekannt gemacht werden. Bei der Seltenheit französischer Uebersetzungen englischer Werke zu dieser Zeit beweist die hier vorliegende schon allein, welches Aufsehen diese 1703 erschienene Collierschc Schrift lA sllort visv ot' tus illimoiMt,^ g,mal xrolÄueuvW ol tus LvAlisd. staM) in England ge¬ macht haben mußte, daher sie nun auch in Frankreich jedenfalls große Beach¬ tung gefunden haben wird. Allerdings war sie vorzugsweise darauf gerichtet, dem Leser einen abschreckenden Begriff von der englischen Bühne, besonders dem neuesten Zustande derselben, zu geben. Doch dürfte dieselbe zu einer Zeit und bei Zuständen, wie sie in Frankreich dnrch die Regentschaft heraufbeschworen worden waren, den umgekehrten Eindruck gemacht und zu weiterer Kenntniß- ncchme jener moralischen Ungeheuerlichkeiten gerade erst angeregt haben. Dies würde freilich fast nur den neuesten Dramen, am wenigsten Shakespeare, z» Gute gekommen sein, weil dieser uur ein einzigesmal darin flüchtig, wegen seines Falstaffs, berührt wird. Mit Ludwigs XIV. Tode war überhaupt der geistige Verkehr zwischen Frank¬ reich und England wieder freier geworden. Fast gleichzeitig mit Voltaire gingen noch verschiedene andre von literarischem Interesse beseelte Männer nach England, von denen vor allen Destouches und Provost genannt werden müssen, weil in den Schriften derselben d?r englische Einfluß entschiedener hervortritt. Doch wurde dieser noch früher ein Marivaux sichtbar, dessen dem Addison nachgebildeter Lpeeta- wur trM0AL bereits 1722 erschien, d. i. 12 Jahre früher, als die ihn dann freilich weit überflügelnde Zeitschrift I>e ?our et le Loutro des Prevost. Auch das 1727 erschienene kleine Lustspiel I-s trg,mög,is ü, I^ouärss von Bvissh, welches den Gegen¬ satz des Charakters und der Sitten beider Nationen in lebendiger Weise zur Darstellung bringt, läßt auf den wachsenden Verkehr beider Länder schließen. Lacroix bringt damit eine Stelle aus einem andern Stücke, 1^ lrivolitv, in Verbindung, in welcher sogar schon von der Anglvmnnie der Franzosen und der Ueberschütznng Shakespeares die Rede ist: Lor trM»i>ort l'-atro Mir otait I'lag'Iomanio, ^.u äossus as (lorllvillo II mottait Llialcospears. Allein, obschon dieses Stück gleichfalls von Bvissh ist, gehört es doch einer viel späteren Zeit an. Es wurde erst 17S3 zum ersten mal im lIMckrs ach Italiens mit großem Beifall gegeben. Prevost hatte in seinem ?nur et Lorckre es sich geradezu zur Aufgabe ge¬ macht, seinen Landsleuten die Kenntniß der englischen Literatur zu vermitteln. Dies geschah aber erst, nachdem Voltaire dazu schon das Beispiel gegeben. Er

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/330>, abgerufen am 01.09.2024.