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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Zur Lhu'akteristik dos Mmchesterchums.

UM 20 bis 5V, hie und da sogar um 75 Procent gefallen, und doch sind viele
Güter nnverpachtet und weite Ackerflächen unbestellt. Diese Zustande mußte"
indirect auf die Fabrikanten wirken, weil Grundherren, Pächter und ländliche
Tagelöhner nicht mehr so viel Manufacturwaaren kaufen können wie früher,
Direct aber werden die Baumwollenspinuer und Baumwvlleuweber dadurch be¬
rührt, daß die Amerikaner neben den Banmwvllcnplautagen in den Südstaaten
Spinnereien und Webereien eingerichtet haben, deren Producte sie massenhaft auf
die bisher von England versehenen Märkte und sogar schon nach Liverpool schicken.

In Folge dessen greift der Zweifel an der Richtigkeit der Politik Cobde^s
auch in England um sich. Der sehr entschieden liberale Owervor drückte sicher¬
lich die Meinung vieler aus, als er zu Anfang des Juli schrieb: "Wir siud
nicht verpflichtet, ein industrielles Märthrerthum auf uns zu nehmen, um frei-
händlerischen Grundsätzen Ausbreitung zu verschaffen, selbst wenn wir annehme",
ihre Wahrheit sei so ausgemacht, als wir gerir glauben möchten, Ueberdies,
um ehrlich die Wahrheit hcrauszusageu, saugen wir um, zu zweifeln, ob das
Glaubensbekenntniß, dem wir anhängen, in der That so selbstverständlich die
Wahrheit ausspricht, als wir ursprünglich dachten, Wenn die ganze Welt ein
Bundesstaat wäre, in welchem mau nichts von Kriegen wüßte, und in welchem
Unterschiede zwischen den Nationen keine größere Bedeutung hätte" als Unter¬
schiede zwischen Grafschaften und Kirchspielen, so würden Freihandel und un¬
beschränkte Concurrenz sicherlich zum Ziele aller guten Regierung führen --
zum größten Wohlbefinden der größten Menschenzahl, Aber für jetzt zeigt die
Welt kein Symptom der Annäherung an eine Föderation , . , und da das
tausendjährige Reich noch fehlt, ist der Freihandel nur anwendbar zu gewissen
Zeiten und unter besondrer Bedingungen. Wenn wir andre Nationen über¬
reden können, unserm Beispiele zu folgen, so ist der Freihandel ohne Frage das
beste für England; indeß folgt daraus nicht, daß er auch dann das beste ist,
wenn wir die einzigen Anhänger des Freihandels inmitten einer Gemeinschaft
von Nationen sind, welche dem Schutzzölle huldigen." Die 8t, ^oss dWöttö
fügt dem hinzu: "Lord Granville, Mr. Vright und Mr. Gladstone und das
ganze Cabinet mit einander mag dies Thorheit nenne", aber sie können sich
darauf verlassen, es ist eine Thorheit, mit der sie zu rechnen haben. Sie greift
immer weiter um sich."

In andern Blättern wird angedeutet, die Vorsehung werde ein Einsehen
haben und durch eine besondre Fügung, etwa dnrch einen Mißwachs, wie der
irische von 1845, zur Rettung des "großen sittlichen Princips des Freihandels"
einschreiten. Feruer hat sich im Mai d. I. in Birmingham, der Stadt Brights
und Chamberlains, eine Mtiomll I^of-guo gebildet, welche den Zweck verfolgt,
"das Laud gegen die unbilligen Angriffe zu schützen, die gegen seine Industrie¬
zweige und seinen Handel von anßen her gerichtet werden." Die Herren haben
es übel genommen, daß Frankreich, Deutschland und Amerika billiger produciren


Zur Lhu'akteristik dos Mmchesterchums.

UM 20 bis 5V, hie und da sogar um 75 Procent gefallen, und doch sind viele
Güter nnverpachtet und weite Ackerflächen unbestellt. Diese Zustande mußte»
indirect auf die Fabrikanten wirken, weil Grundherren, Pächter und ländliche
Tagelöhner nicht mehr so viel Manufacturwaaren kaufen können wie früher,
Direct aber werden die Baumwollenspinuer und Baumwvlleuweber dadurch be¬
rührt, daß die Amerikaner neben den Banmwvllcnplautagen in den Südstaaten
Spinnereien und Webereien eingerichtet haben, deren Producte sie massenhaft auf
die bisher von England versehenen Märkte und sogar schon nach Liverpool schicken.

In Folge dessen greift der Zweifel an der Richtigkeit der Politik Cobde^s
auch in England um sich. Der sehr entschieden liberale Owervor drückte sicher¬
lich die Meinung vieler aus, als er zu Anfang des Juli schrieb: „Wir siud
nicht verpflichtet, ein industrielles Märthrerthum auf uns zu nehmen, um frei-
händlerischen Grundsätzen Ausbreitung zu verschaffen, selbst wenn wir annehme»,
ihre Wahrheit sei so ausgemacht, als wir gerir glauben möchten, Ueberdies,
um ehrlich die Wahrheit hcrauszusageu, saugen wir um, zu zweifeln, ob das
Glaubensbekenntniß, dem wir anhängen, in der That so selbstverständlich die
Wahrheit ausspricht, als wir ursprünglich dachten, Wenn die ganze Welt ein
Bundesstaat wäre, in welchem mau nichts von Kriegen wüßte, und in welchem
Unterschiede zwischen den Nationen keine größere Bedeutung hätte» als Unter¬
schiede zwischen Grafschaften und Kirchspielen, so würden Freihandel und un¬
beschränkte Concurrenz sicherlich zum Ziele aller guten Regierung führen —
zum größten Wohlbefinden der größten Menschenzahl, Aber für jetzt zeigt die
Welt kein Symptom der Annäherung an eine Föderation , . , und da das
tausendjährige Reich noch fehlt, ist der Freihandel nur anwendbar zu gewissen
Zeiten und unter besondrer Bedingungen. Wenn wir andre Nationen über¬
reden können, unserm Beispiele zu folgen, so ist der Freihandel ohne Frage das
beste für England; indeß folgt daraus nicht, daß er auch dann das beste ist,
wenn wir die einzigen Anhänger des Freihandels inmitten einer Gemeinschaft
von Nationen sind, welche dem Schutzzölle huldigen." Die 8t, ^oss dWöttö
fügt dem hinzu: „Lord Granville, Mr. Vright und Mr. Gladstone und das
ganze Cabinet mit einander mag dies Thorheit nenne», aber sie können sich
darauf verlassen, es ist eine Thorheit, mit der sie zu rechnen haben. Sie greift
immer weiter um sich."

In andern Blättern wird angedeutet, die Vorsehung werde ein Einsehen
haben und durch eine besondre Fügung, etwa dnrch einen Mißwachs, wie der
irische von 1845, zur Rettung des „großen sittlichen Princips des Freihandels"
einschreiten. Feruer hat sich im Mai d. I. in Birmingham, der Stadt Brights
und Chamberlains, eine Mtiomll I^of-guo gebildet, welche den Zweck verfolgt,
„das Laud gegen die unbilligen Angriffe zu schützen, die gegen seine Industrie¬
zweige und seinen Handel von anßen her gerichtet werden." Die Herren haben
es übel genommen, daß Frankreich, Deutschland und Amerika billiger produciren


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[0324] Zur Lhu'akteristik dos Mmchesterchums. UM 20 bis 5V, hie und da sogar um 75 Procent gefallen, und doch sind viele Güter nnverpachtet und weite Ackerflächen unbestellt. Diese Zustande mußte» indirect auf die Fabrikanten wirken, weil Grundherren, Pächter und ländliche Tagelöhner nicht mehr so viel Manufacturwaaren kaufen können wie früher, Direct aber werden die Baumwollenspinuer und Baumwvlleuweber dadurch be¬ rührt, daß die Amerikaner neben den Banmwvllcnplautagen in den Südstaaten Spinnereien und Webereien eingerichtet haben, deren Producte sie massenhaft auf die bisher von England versehenen Märkte und sogar schon nach Liverpool schicken. In Folge dessen greift der Zweifel an der Richtigkeit der Politik Cobde^s auch in England um sich. Der sehr entschieden liberale Owervor drückte sicher¬ lich die Meinung vieler aus, als er zu Anfang des Juli schrieb: „Wir siud nicht verpflichtet, ein industrielles Märthrerthum auf uns zu nehmen, um frei- händlerischen Grundsätzen Ausbreitung zu verschaffen, selbst wenn wir annehme», ihre Wahrheit sei so ausgemacht, als wir gerir glauben möchten, Ueberdies, um ehrlich die Wahrheit hcrauszusageu, saugen wir um, zu zweifeln, ob das Glaubensbekenntniß, dem wir anhängen, in der That so selbstverständlich die Wahrheit ausspricht, als wir ursprünglich dachten, Wenn die ganze Welt ein Bundesstaat wäre, in welchem mau nichts von Kriegen wüßte, und in welchem Unterschiede zwischen den Nationen keine größere Bedeutung hätte» als Unter¬ schiede zwischen Grafschaften und Kirchspielen, so würden Freihandel und un¬ beschränkte Concurrenz sicherlich zum Ziele aller guten Regierung führen — zum größten Wohlbefinden der größten Menschenzahl, Aber für jetzt zeigt die Welt kein Symptom der Annäherung an eine Föderation , . , und da das tausendjährige Reich noch fehlt, ist der Freihandel nur anwendbar zu gewissen Zeiten und unter besondrer Bedingungen. Wenn wir andre Nationen über¬ reden können, unserm Beispiele zu folgen, so ist der Freihandel ohne Frage das beste für England; indeß folgt daraus nicht, daß er auch dann das beste ist, wenn wir die einzigen Anhänger des Freihandels inmitten einer Gemeinschaft von Nationen sind, welche dem Schutzzölle huldigen." Die 8t, ^oss dWöttö fügt dem hinzu: „Lord Granville, Mr. Vright und Mr. Gladstone und das ganze Cabinet mit einander mag dies Thorheit nenne», aber sie können sich darauf verlassen, es ist eine Thorheit, mit der sie zu rechnen haben. Sie greift immer weiter um sich." In andern Blättern wird angedeutet, die Vorsehung werde ein Einsehen haben und durch eine besondre Fügung, etwa dnrch einen Mißwachs, wie der irische von 1845, zur Rettung des „großen sittlichen Princips des Freihandels" einschreiten. Feruer hat sich im Mai d. I. in Birmingham, der Stadt Brights und Chamberlains, eine Mtiomll I^of-guo gebildet, welche den Zweck verfolgt, „das Laud gegen die unbilligen Angriffe zu schützen, die gegen seine Industrie¬ zweige und seinen Handel von anßen her gerichtet werden." Die Herren haben es übel genommen, daß Frankreich, Deutschland und Amerika billiger produciren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/324>, abgerufen am 01.09.2024.