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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Zur Charakteristik des Manchesterthums.

äußerst fatale Enthüllungen, "zurückgenommen" haben könnte. Er hätte dann
eingestehen müssen, daß er dieselben gefälscht habe, was die Manchcsterpartei zu
Publieiren nicht versäumt haben würde. Dagegen ist es wahrscheinlich, daß er
sich von diesen hat bewegen lassen, die auf dem Umschlage der 0olzSömo ?vue^
angekündigte Schrift eobäons Historie,^ ürrors Ma ?ropneti<z LIumIm-s zu
unterdrücke". Wenigstens haben wir dieses Buch nicht erlangen können.

Dies alles aber geht zunächst die Engländer und uns nur insofern an, als bei
uns versucht wird, die Verfahrungsweise der League zu eopiren. Noch weniger
direct berühren uns die Principien Richard Cobdcns, welche sich auf die innere
Gesetzgebung, auf die Verfassung, auf die überlieferten Einrichtungen Englands
sowie auf dessen Colonialpolitik beziehen, Principien, welche praktisch zu machen
die jetzt mit am Ruder stehenden Radicalen unter Anführung des Qnäkernnmstcrs
John Bright beschäftigt sind und, wenn das gegenwärtige Ministerium lauge
genug im Amte bliebe und Kraft genng hätte, ein neues Wahlgesetz durchzu¬
bringen, vielleicht in einem Umfange durchführen würden, über den die Welt
erstaunen würde. Indeß wäre es möglich, daß die wachsende Abneigung der
ländlichen Arbeiter gegen den Freihandel das Ministerium bewöge, eins der
Hauptversprcchcu ihrer Wahlcampagne, die Ausdehnung des Hausstandsstimm-
rcchts auf die Grafschaften unerfüllt zu lassen. Nach einer Aeußerung des Untcr-
stacitssecrctärs Forster freilich, die er am 8. Juli gegen einen irischen Arbeiter
that, wäre dies nicht wahrscheinlich, aber die Möglichkeit ist doch nicht aus¬
geschlossen.

Uns interessirt vor allem, was die Broschüre weiter über Cobdens Thätigkeit
andern Staaten gegenüber berichtet, und da sehen wir denn, daß sein oben dar¬
gelegter innerster Gedanke auch seiue.Haltung in den internationalen Fragen,
an denen er sich betheiligte, beherrscht, und dieser Schlüssel öffnet uns den Ein¬
blick in vieles, was von den Freihändlern niedern Grades als Inconsequenz
betrachtet worden ist. Es erklärt, warum Cobden, obwohl einem richtigen Frei¬
händler die Verwicklungen andrer Staaten ganz gleichgiltig sein müssen, sich ,in
Parlamente gegen die von Rußland geforderte Auslieferung der nach der Türkei
geflüchteten ungarischen Insurgenten ausgesprochen und sich später mit Kossuth
'"'gelassen hat. Ungarn producirt viel Rohstoffe und besaß 1850 fast gar keine
Industrie; als unabhängiger Staat Hütte es sich vermuthlich zu einem Tarif
verstanden, wie man ihn in Manchester wünschte. Es erklärt die den halb-
nngeweihtcu Freihändlern ganz unverständliche Parteinahme Cobdens für die
Nordstaaten im letzten amerikanischen Kriege mit dem in einer seiner Reden ent¬
haltenen Satze: Freie Arbeit ist billiger als Sklavenarbeit. Es erklärt ferner
die Rathschläge, die Cobden 1862 den Belgiern ertheilte, als sie Antwerpen be¬
festigen wollten. Er nannte damals dieses Project in einem Schreiben an den
^cmomiste L-zlM ein "unsinniges;" denn, setzte er hinzu, Belgien existire ver¬
möge des Einverständnisses der Großmächte und nicht vermöge eigner Kraft.


Zur Charakteristik des Manchesterthums.

äußerst fatale Enthüllungen, „zurückgenommen" haben könnte. Er hätte dann
eingestehen müssen, daß er dieselben gefälscht habe, was die Manchcsterpartei zu
Publieiren nicht versäumt haben würde. Dagegen ist es wahrscheinlich, daß er
sich von diesen hat bewegen lassen, die auf dem Umschlage der 0olzSömo ?vue^
angekündigte Schrift eobäons Historie,^ ürrors Ma ?ropneti<z LIumIm-s zu
unterdrücke». Wenigstens haben wir dieses Buch nicht erlangen können.

Dies alles aber geht zunächst die Engländer und uns nur insofern an, als bei
uns versucht wird, die Verfahrungsweise der League zu eopiren. Noch weniger
direct berühren uns die Principien Richard Cobdcns, welche sich auf die innere
Gesetzgebung, auf die Verfassung, auf die überlieferten Einrichtungen Englands
sowie auf dessen Colonialpolitik beziehen, Principien, welche praktisch zu machen
die jetzt mit am Ruder stehenden Radicalen unter Anführung des Qnäkernnmstcrs
John Bright beschäftigt sind und, wenn das gegenwärtige Ministerium lauge
genug im Amte bliebe und Kraft genng hätte, ein neues Wahlgesetz durchzu¬
bringen, vielleicht in einem Umfange durchführen würden, über den die Welt
erstaunen würde. Indeß wäre es möglich, daß die wachsende Abneigung der
ländlichen Arbeiter gegen den Freihandel das Ministerium bewöge, eins der
Hauptversprcchcu ihrer Wahlcampagne, die Ausdehnung des Hausstandsstimm-
rcchts auf die Grafschaften unerfüllt zu lassen. Nach einer Aeußerung des Untcr-
stacitssecrctärs Forster freilich, die er am 8. Juli gegen einen irischen Arbeiter
that, wäre dies nicht wahrscheinlich, aber die Möglichkeit ist doch nicht aus¬
geschlossen.

Uns interessirt vor allem, was die Broschüre weiter über Cobdens Thätigkeit
andern Staaten gegenüber berichtet, und da sehen wir denn, daß sein oben dar¬
gelegter innerster Gedanke auch seiue.Haltung in den internationalen Fragen,
an denen er sich betheiligte, beherrscht, und dieser Schlüssel öffnet uns den Ein¬
blick in vieles, was von den Freihändlern niedern Grades als Inconsequenz
betrachtet worden ist. Es erklärt, warum Cobden, obwohl einem richtigen Frei¬
händler die Verwicklungen andrer Staaten ganz gleichgiltig sein müssen, sich ,in
Parlamente gegen die von Rußland geforderte Auslieferung der nach der Türkei
geflüchteten ungarischen Insurgenten ausgesprochen und sich später mit Kossuth
'"'gelassen hat. Ungarn producirt viel Rohstoffe und besaß 1850 fast gar keine
Industrie; als unabhängiger Staat Hütte es sich vermuthlich zu einem Tarif
verstanden, wie man ihn in Manchester wünschte. Es erklärt die den halb-
nngeweihtcu Freihändlern ganz unverständliche Parteinahme Cobdens für die
Nordstaaten im letzten amerikanischen Kriege mit dem in einer seiner Reden ent¬
haltenen Satze: Freie Arbeit ist billiger als Sklavenarbeit. Es erklärt ferner
die Rathschläge, die Cobden 1862 den Belgiern ertheilte, als sie Antwerpen be¬
festigen wollten. Er nannte damals dieses Project in einem Schreiben an den
^cmomiste L-zlM ein „unsinniges;" denn, setzte er hinzu, Belgien existire ver¬
möge des Einverständnisses der Großmächte und nicht vermöge eigner Kraft.


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[0319] Zur Charakteristik des Manchesterthums. äußerst fatale Enthüllungen, „zurückgenommen" haben könnte. Er hätte dann eingestehen müssen, daß er dieselben gefälscht habe, was die Manchcsterpartei zu Publieiren nicht versäumt haben würde. Dagegen ist es wahrscheinlich, daß er sich von diesen hat bewegen lassen, die auf dem Umschlage der 0olzSömo ?vue^ angekündigte Schrift eobäons Historie,^ ürrors Ma ?ropneti<z LIumIm-s zu unterdrücke». Wenigstens haben wir dieses Buch nicht erlangen können. Dies alles aber geht zunächst die Engländer und uns nur insofern an, als bei uns versucht wird, die Verfahrungsweise der League zu eopiren. Noch weniger direct berühren uns die Principien Richard Cobdcns, welche sich auf die innere Gesetzgebung, auf die Verfassung, auf die überlieferten Einrichtungen Englands sowie auf dessen Colonialpolitik beziehen, Principien, welche praktisch zu machen die jetzt mit am Ruder stehenden Radicalen unter Anführung des Qnäkernnmstcrs John Bright beschäftigt sind und, wenn das gegenwärtige Ministerium lauge genug im Amte bliebe und Kraft genng hätte, ein neues Wahlgesetz durchzu¬ bringen, vielleicht in einem Umfange durchführen würden, über den die Welt erstaunen würde. Indeß wäre es möglich, daß die wachsende Abneigung der ländlichen Arbeiter gegen den Freihandel das Ministerium bewöge, eins der Hauptversprcchcu ihrer Wahlcampagne, die Ausdehnung des Hausstandsstimm- rcchts auf die Grafschaften unerfüllt zu lassen. Nach einer Aeußerung des Untcr- stacitssecrctärs Forster freilich, die er am 8. Juli gegen einen irischen Arbeiter that, wäre dies nicht wahrscheinlich, aber die Möglichkeit ist doch nicht aus¬ geschlossen. Uns interessirt vor allem, was die Broschüre weiter über Cobdens Thätigkeit andern Staaten gegenüber berichtet, und da sehen wir denn, daß sein oben dar¬ gelegter innerster Gedanke auch seiue.Haltung in den internationalen Fragen, an denen er sich betheiligte, beherrscht, und dieser Schlüssel öffnet uns den Ein¬ blick in vieles, was von den Freihändlern niedern Grades als Inconsequenz betrachtet worden ist. Es erklärt, warum Cobden, obwohl einem richtigen Frei¬ händler die Verwicklungen andrer Staaten ganz gleichgiltig sein müssen, sich ,in Parlamente gegen die von Rußland geforderte Auslieferung der nach der Türkei geflüchteten ungarischen Insurgenten ausgesprochen und sich später mit Kossuth '"'gelassen hat. Ungarn producirt viel Rohstoffe und besaß 1850 fast gar keine Industrie; als unabhängiger Staat Hütte es sich vermuthlich zu einem Tarif verstanden, wie man ihn in Manchester wünschte. Es erklärt die den halb- nngeweihtcu Freihändlern ganz unverständliche Parteinahme Cobdens für die Nordstaaten im letzten amerikanischen Kriege mit dem in einer seiner Reden ent¬ haltenen Satze: Freie Arbeit ist billiger als Sklavenarbeit. Es erklärt ferner die Rathschläge, die Cobden 1862 den Belgiern ertheilte, als sie Antwerpen be¬ festigen wollten. Er nannte damals dieses Project in einem Schreiben an den ^cmomiste L-zlM ein „unsinniges;" denn, setzte er hinzu, Belgien existire ver¬ möge des Einverständnisses der Großmächte und nicht vermöge eigner Kraft.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/319>, abgerufen am 01.09.2024.