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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Lranz Schuberts Mnllerlieder.

^^__________
Sünde, Wahn und Unverstand in Natur und Menschengeschichte sprechen ein
lautes Nein. Auch Lotzes "Mikrokosmus" verzweifelt an dem Problem der
Theodicee, Wir werden nicht anders können, als dem Schellingschen Gedanken
folgen, daß es mit der Welt, wie er so oft sagt, nicht rss inwssiA sei. und daß
w der Welterzeugnng von Anfang die Verselbständigung einer göttlichen Potenz
geschah. ivelche. wenn auch in Gottes Wesen selbst enthalten, doch eben durch d.c
Verselbständigung die Ursache eiues Kampfes wurde. in dem sich die Ziele der
göttlichen Liebe nnr ans mühevollen Umwegen und unter schweren Leide" durch¬
setzen. Aber dieser Speer heilt die Wunde selbst, die er schlug. Selbständige,
wirksame Wesen erstehen jenein aus Gott entlassenen Weltgrunde, nicht bloße
Beziehungspunkte und willkürlich gesetzte und wieder aufgehobene Ansammlungen
directer Gottcsthaten, sondern feste, dauernde, individuelle Wesen. Träger eigner
Ziele, Urheber eignen Thuns. ihres eignen Glückes und eignen Leides Schmiede,
welche Gott zu Mitarbeitern jenes Kampfes schuf, weil er ein Reich von Per¬
sönlichkeiten wollte, die an einer schwer errungneu Beseligung ein werthvolleres
und höheres Gut hätten als an einer geschenkten. In solchen Gedanken etwa
möchte die deutsche Philosophie der nächsten Zukunft alle bisher vereinzelt aus¬
gebildeten Seiten der einen Wahrheit dankbar benutzen und zum letzte" Abschlüsse
verknüpfe". Allein -- auch wir schließen mit den letzten Worten der Lotzischen
Metaphysik: "Gott weiß es besser,"




Franz Schuberts Müllerlieder.
Von Hermann Aretzschmar.

! er den Unterschied zwischen dem achtzehnten und dem neunzehnte"
Jahrhundert auf dem musikalischen Gebiete sehen will, der mag
etwa eine Beethovensche Sinfonie mit einer von Diedersdorf ver¬
liehen, oder eine Oper von Wagner mit einer von Hasse oder
Graun. Nirgends aber wird er den Reichthum, den die neue Zeit
"es der Musik bescheerte, so bequem überblicken können wie ans dem Felde des
steh^ ""^ Entwicklung sprechen, sondern wir
en vor einem plötzlichen Uebergange, einem Spiele der Natur, so erfrischend
"o erfreulich, wie wenn sich nach einem Marsch über die Haide ein gesegnetes
Land"ufthut im Schmucke von Bergen und Burgen, von Wäldern und Wässern,
^lltlickM Städten und glänzenden Auen. Jedermann weiß, daß dieser wohl-
^lige Wechsel mit dem Namen eines Jünglings verknüpft ist, der in einem kurze",


^nzbvten III. 1831, 83
Lranz Schuberts Mnllerlieder.

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Sünde, Wahn und Unverstand in Natur und Menschengeschichte sprechen ein
lautes Nein. Auch Lotzes „Mikrokosmus" verzweifelt an dem Problem der
Theodicee, Wir werden nicht anders können, als dem Schellingschen Gedanken
folgen, daß es mit der Welt, wie er so oft sagt, nicht rss inwssiA sei. und daß
w der Welterzeugnng von Anfang die Verselbständigung einer göttlichen Potenz
geschah. ivelche. wenn auch in Gottes Wesen selbst enthalten, doch eben durch d.c
Verselbständigung die Ursache eiues Kampfes wurde. in dem sich die Ziele der
göttlichen Liebe nnr ans mühevollen Umwegen und unter schweren Leide» durch¬
setzen. Aber dieser Speer heilt die Wunde selbst, die er schlug. Selbständige,
wirksame Wesen erstehen jenein aus Gott entlassenen Weltgrunde, nicht bloße
Beziehungspunkte und willkürlich gesetzte und wieder aufgehobene Ansammlungen
directer Gottcsthaten, sondern feste, dauernde, individuelle Wesen. Träger eigner
Ziele, Urheber eignen Thuns. ihres eignen Glückes und eignen Leides Schmiede,
welche Gott zu Mitarbeitern jenes Kampfes schuf, weil er ein Reich von Per¬
sönlichkeiten wollte, die an einer schwer errungneu Beseligung ein werthvolleres
und höheres Gut hätten als an einer geschenkten. In solchen Gedanken etwa
möchte die deutsche Philosophie der nächsten Zukunft alle bisher vereinzelt aus¬
gebildeten Seiten der einen Wahrheit dankbar benutzen und zum letzte» Abschlüsse
verknüpfe». Allein — auch wir schließen mit den letzten Worten der Lotzischen
Metaphysik: „Gott weiß es besser,"




Franz Schuberts Müllerlieder.
Von Hermann Aretzschmar.

! er den Unterschied zwischen dem achtzehnten und dem neunzehnte»
Jahrhundert auf dem musikalischen Gebiete sehen will, der mag
etwa eine Beethovensche Sinfonie mit einer von Diedersdorf ver¬
liehen, oder eine Oper von Wagner mit einer von Hasse oder
Graun. Nirgends aber wird er den Reichthum, den die neue Zeit
"es der Musik bescheerte, so bequem überblicken können wie ans dem Felde des
steh^ ""^ Entwicklung sprechen, sondern wir
en vor einem plötzlichen Uebergange, einem Spiele der Natur, so erfrischend
»o erfreulich, wie wenn sich nach einem Marsch über die Haide ein gesegnetes
Land"ufthut im Schmucke von Bergen und Burgen, von Wäldern und Wässern,
^lltlickM Städten und glänzenden Auen. Jedermann weiß, daß dieser wohl-
^lige Wechsel mit dem Namen eines Jünglings verknüpft ist, der in einem kurze»,


^nzbvten III. 1831, 83
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[0305] Lranz Schuberts Mnllerlieder. ^^__________ Sünde, Wahn und Unverstand in Natur und Menschengeschichte sprechen ein lautes Nein. Auch Lotzes „Mikrokosmus" verzweifelt an dem Problem der Theodicee, Wir werden nicht anders können, als dem Schellingschen Gedanken folgen, daß es mit der Welt, wie er so oft sagt, nicht rss inwssiA sei. und daß w der Welterzeugnng von Anfang die Verselbständigung einer göttlichen Potenz geschah. ivelche. wenn auch in Gottes Wesen selbst enthalten, doch eben durch d.c Verselbständigung die Ursache eiues Kampfes wurde. in dem sich die Ziele der göttlichen Liebe nnr ans mühevollen Umwegen und unter schweren Leide» durch¬ setzen. Aber dieser Speer heilt die Wunde selbst, die er schlug. Selbständige, wirksame Wesen erstehen jenein aus Gott entlassenen Weltgrunde, nicht bloße Beziehungspunkte und willkürlich gesetzte und wieder aufgehobene Ansammlungen directer Gottcsthaten, sondern feste, dauernde, individuelle Wesen. Träger eigner Ziele, Urheber eignen Thuns. ihres eignen Glückes und eignen Leides Schmiede, welche Gott zu Mitarbeitern jenes Kampfes schuf, weil er ein Reich von Per¬ sönlichkeiten wollte, die an einer schwer errungneu Beseligung ein werthvolleres und höheres Gut hätten als an einer geschenkten. In solchen Gedanken etwa möchte die deutsche Philosophie der nächsten Zukunft alle bisher vereinzelt aus¬ gebildeten Seiten der einen Wahrheit dankbar benutzen und zum letzte» Abschlüsse verknüpfe». Allein — auch wir schließen mit den letzten Worten der Lotzischen Metaphysik: „Gott weiß es besser," Franz Schuberts Müllerlieder. Von Hermann Aretzschmar. ! er den Unterschied zwischen dem achtzehnten und dem neunzehnte» Jahrhundert auf dem musikalischen Gebiete sehen will, der mag etwa eine Beethovensche Sinfonie mit einer von Diedersdorf ver¬ liehen, oder eine Oper von Wagner mit einer von Hasse oder Graun. Nirgends aber wird er den Reichthum, den die neue Zeit "es der Musik bescheerte, so bequem überblicken können wie ans dem Felde des steh^ ""^ Entwicklung sprechen, sondern wir en vor einem plötzlichen Uebergange, einem Spiele der Natur, so erfrischend »o erfreulich, wie wenn sich nach einem Marsch über die Haide ein gesegnetes Land"ufthut im Schmucke von Bergen und Burgen, von Wäldern und Wässern, ^lltlickM Städten und glänzenden Auen. Jedermann weiß, daß dieser wohl- ^lige Wechsel mit dem Namen eines Jünglings verknüpft ist, der in einem kurze», ^nzbvten III. 1831, 83

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/305>, abgerufen am 01.09.2024.