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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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"Lin preußischer Diplomat.

war correct, aber schwächlich, lind seinen Noten fehlte es an Klarheit und Schärfe"
etwas schroff finden mochte, so glaubte man sich doch einer Vergleichung der
Schleinitzschen mit der Bismarckschen Politik aus Schonung für die erstere ent¬
halten zu sollen. Heikle aber, wo gewisse Leute glauben, es sich herausnehme"
zu dürfen, den Reichskanzler nach jeder Richtung zu verunglimpfen, wo ein
genialer Staatsmann in der Russischen Zeitung z. V, den geistreichen Beweis
erbringt, Graf Bismarck habe die Schleswig-holsteinische Frage doch eigentlich im
Sinne und e-Msi als Mandatar der deutschen Fortschrittspartei gelöst, heute
soll die Leitung der auswärtigen Politik Preußens von 1858--1861 plötzlich
ein Ausbund aller Vortrefflichkeit gewesen sein. Die Tendenz liegt auf der Hand.

Allerdings war die Steuerung des Staatsschiffes in der bezeichneten Zeit
eine schwierige, gefahrvolle Aufgabe, bei der viel Ruhm zu erwerben war. Es
war die Zeit, wo Preußen sich eben erst von den Folgen der Revolution und
der Manteuffelschen Olmützpvlitik zu erholen begann. In Deutschland wie im
europäischen Völkerrath stand es machtlos, isolirt, theils gehaßt und theils
geringgeschätzt da. Kaum daß man ihm bei den Pariser Friedensverhandlungen
noch nachträglich, gewissermaßen als Großmacht zweiter Klasse, neben Sardinien
ein Stimmrecht zuerkannt hatte. Eine "neue Aera" mußte mit der Politik,
welche Preußens Bedeutung in Europa in das Jahr 1739 zurückgedrängt hatte,
brechen, und ein genialer Staatsmann hätte die Gelegenheit dazu bereits in der
Krisis von 1859 erkannt und benutzt.

Als Baron Hübner beim Jahreswechsel 1859 den bekannten Glückwunsch
Napoleons III. erhielt, war der Krieg allerdings nur noch eine Frage der Zeit,
aber doch immer noch, das wußten die Militärs aller Orten, in so weiter
Sicht -- der österreichische Einmarsch in Sardinien erfolgte erst am 29. April --,
daß Preußen sich schlüssig und bereit machen konnte, im richtigen Augenblick
sein Schwert in die Wagschale der Entscheidung zu werfen. Dreierlei Entschlüsse
nur gab es dabei.

Preußen als deutscher Staat konnte in erster Erwägung als dazu berufen
erscheinen, sich für Oesterreich als Mitglied des deutschen Bundes zu entscheiden.
Das schien man in Wien stillschweigend vorauszusetzen. Im April 1859 ver¬
handelte Erzherzog Albrecht in Berlin über ein prcllßisch-österreichisches Bündniß
mit Einschluß des deutschen Blindes, wonach eine Südarmee unter Erzherzog
Albrecht oder dem Kaiser Franz Josef selbst und eine Nordarmee unter dem
Prinz-Regenten von Preußen in Italien und am Rhein operiren sollten.
Oesterreich leitete auch beim deutschen Bunde Verhandlungen in dem Sinne und
mit der erkennbaren Absicht ein, Preußen in diesen seinen, österreichischen Krieg
zu verwickeln; der Prinz-Regent hätte den Krieg am Niederrhein immer nur
als Bundesfeldherr, d. h. als österreichischer Vasall geführt. Eine solche Stellung
entsprach aber den Traditionen Preußens ebensowenig wie seiner Würde. Unter
diesen Bedingungen mußte und konnte es um so eher ein österreichisches Bündniß


«Lin preußischer Diplomat.

war correct, aber schwächlich, lind seinen Noten fehlte es an Klarheit und Schärfe"
etwas schroff finden mochte, so glaubte man sich doch einer Vergleichung der
Schleinitzschen mit der Bismarckschen Politik aus Schonung für die erstere ent¬
halten zu sollen. Heikle aber, wo gewisse Leute glauben, es sich herausnehme»
zu dürfen, den Reichskanzler nach jeder Richtung zu verunglimpfen, wo ein
genialer Staatsmann in der Russischen Zeitung z. V, den geistreichen Beweis
erbringt, Graf Bismarck habe die Schleswig-holsteinische Frage doch eigentlich im
Sinne und e-Msi als Mandatar der deutschen Fortschrittspartei gelöst, heute
soll die Leitung der auswärtigen Politik Preußens von 1858—1861 plötzlich
ein Ausbund aller Vortrefflichkeit gewesen sein. Die Tendenz liegt auf der Hand.

Allerdings war die Steuerung des Staatsschiffes in der bezeichneten Zeit
eine schwierige, gefahrvolle Aufgabe, bei der viel Ruhm zu erwerben war. Es
war die Zeit, wo Preußen sich eben erst von den Folgen der Revolution und
der Manteuffelschen Olmützpvlitik zu erholen begann. In Deutschland wie im
europäischen Völkerrath stand es machtlos, isolirt, theils gehaßt und theils
geringgeschätzt da. Kaum daß man ihm bei den Pariser Friedensverhandlungen
noch nachträglich, gewissermaßen als Großmacht zweiter Klasse, neben Sardinien
ein Stimmrecht zuerkannt hatte. Eine „neue Aera" mußte mit der Politik,
welche Preußens Bedeutung in Europa in das Jahr 1739 zurückgedrängt hatte,
brechen, und ein genialer Staatsmann hätte die Gelegenheit dazu bereits in der
Krisis von 1859 erkannt und benutzt.

Als Baron Hübner beim Jahreswechsel 1859 den bekannten Glückwunsch
Napoleons III. erhielt, war der Krieg allerdings nur noch eine Frage der Zeit,
aber doch immer noch, das wußten die Militärs aller Orten, in so weiter
Sicht — der österreichische Einmarsch in Sardinien erfolgte erst am 29. April —,
daß Preußen sich schlüssig und bereit machen konnte, im richtigen Augenblick
sein Schwert in die Wagschale der Entscheidung zu werfen. Dreierlei Entschlüsse
nur gab es dabei.

Preußen als deutscher Staat konnte in erster Erwägung als dazu berufen
erscheinen, sich für Oesterreich als Mitglied des deutschen Bundes zu entscheiden.
Das schien man in Wien stillschweigend vorauszusetzen. Im April 1859 ver¬
handelte Erzherzog Albrecht in Berlin über ein prcllßisch-österreichisches Bündniß
mit Einschluß des deutschen Blindes, wonach eine Südarmee unter Erzherzog
Albrecht oder dem Kaiser Franz Josef selbst und eine Nordarmee unter dem
Prinz-Regenten von Preußen in Italien und am Rhein operiren sollten.
Oesterreich leitete auch beim deutschen Bunde Verhandlungen in dem Sinne und
mit der erkennbaren Absicht ein, Preußen in diesen seinen, österreichischen Krieg
zu verwickeln; der Prinz-Regent hätte den Krieg am Niederrhein immer nur
als Bundesfeldherr, d. h. als österreichischer Vasall geführt. Eine solche Stellung
entsprach aber den Traditionen Preußens ebensowenig wie seiner Würde. Unter
diesen Bedingungen mußte und konnte es um so eher ein österreichisches Bündniß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/274>, abgerufen am 25.11.2024.