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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Zur Bildung?- und Machtfrage des deutschen Volkes.

Monarchie oder das Kaiserthum. Das Kaiserthum ist eine Realität, während
alles andre sich in Ideologie, Phrase und Einbildung aufzulösen Gefahr läuft.
Es giebt zuletzt nur eine echte und wahre nationale Partei unter uns, das ist
die kaiserliche, und festzuhalten an Kaiser und Reich, das ist im Gegensatz zu
aller sonstiger Zerfahrenheit und Anarchie zu allen Zeiten der allein richtige
und bleibende Grundsatz der patriotischen Politik in Deutschland gewesen.

Ueber den ganzen Begriff und das Institut der Monarchie sind unter
uns noch manche falschen und schiefen Ansichten verbreitet. Man denkt hierbei
zunächst immer an einen unbeschränkten Alleinherrscher oder sogenannten Ty¬
rannen im Sinne des Alterthums. Das Alterthum kannte überhaupt noch gar
keine andre Form des geordneten Staatswesens als die Republik, und man hört
deswegen auch jetzt noch vielfach ganz im Stile der antiken Staatspatrivten gegen die
Institution der Monarchie declamiren. Alles dieses aber ist absolut unhistorisch
oder beruht auf einer vollständigen Verkennung des Unterschiedes der nullten
und der neuern Verhältnisse des Lebens. Auch einzelne Ausnahmen, wie die
Schweiz und Nordamerika, können nichts an der Thatsache ändern, daß die
ganze Stabilität und Solidität der neuern Staaten wesentlich und bis auf
weiteres durchaus an die Form oder das Institut der Monarchie gebunden er¬
scheint. Einzelne dieser Gemeinwesen, wie namentlich das deutsche Reich und
Oesterreich, können ohne die Monarchie überhaupt gar nicht gedacht werden, die
Krankheit aber oder das Ungesunde in Frankreich und den andern romanischen
Ländern besteht wesentlich darin, daß diese gar keine wahre und eigentliche oder
mit dem Volke und seiner Geschichte organisch verwachsene Monarchie mehr haben,
so wie dieses in jenen beiden deutschen Ländergebieten der Fall ist. Deun
auch Oesterreich ist trotz seines Völkergemischcs doch durchaus und vollkommen
ein integrirender Theil des Lebensgcbictes der deutschen Nation und kann auch
von uns keineswegs als einfaches Ausland angesehen oder behandelt werden.
Auch dort blickt das Volk in Uebersättigung von den "Neichsrathsplauschern"
wiederum zur Krone als zu dem einzigen und festen Anker in aller Noth empor.
Die ganze neuere politische Geschichte Deutschlands hat sich wesentlich um das
Emporkommen und die Rivalität der beiden Dynastien der Habsburger und der
Hohenzollern gedreht. Deutschland ist nicht von Anfang an eine so fest be¬
grenzte und abgeschlossene geographische und politische Einheit gewesen wie etwa
Frankreich oder England. Die politische Einheit hat hier erst künstlich und all-
mühlich durch die beiden im Osten entstandnen Großmächte festzustellen und
aufzurichten versucht werden müssen. Das frühere Reich und der spätere Vnud
der deutschen Nation hat sich daher zuletzt in diese doppelte geographische In¬
dividualität der österreichischen und der preußisch-deutschen Monarchie und
Machtsphäre gespalten. Dieser jüngste Ausgang unsrer nationalen Geschichte ist
uns selbst überraschend und in Widerspruch mit unsern frühern Wünschen und Vor¬
stellungen von der Einheit und Größe der Nation gekommen. Er war nichts-


Zur Bildung?- und Machtfrage des deutschen Volkes.

Monarchie oder das Kaiserthum. Das Kaiserthum ist eine Realität, während
alles andre sich in Ideologie, Phrase und Einbildung aufzulösen Gefahr läuft.
Es giebt zuletzt nur eine echte und wahre nationale Partei unter uns, das ist
die kaiserliche, und festzuhalten an Kaiser und Reich, das ist im Gegensatz zu
aller sonstiger Zerfahrenheit und Anarchie zu allen Zeiten der allein richtige
und bleibende Grundsatz der patriotischen Politik in Deutschland gewesen.

Ueber den ganzen Begriff und das Institut der Monarchie sind unter
uns noch manche falschen und schiefen Ansichten verbreitet. Man denkt hierbei
zunächst immer an einen unbeschränkten Alleinherrscher oder sogenannten Ty¬
rannen im Sinne des Alterthums. Das Alterthum kannte überhaupt noch gar
keine andre Form des geordneten Staatswesens als die Republik, und man hört
deswegen auch jetzt noch vielfach ganz im Stile der antiken Staatspatrivten gegen die
Institution der Monarchie declamiren. Alles dieses aber ist absolut unhistorisch
oder beruht auf einer vollständigen Verkennung des Unterschiedes der nullten
und der neuern Verhältnisse des Lebens. Auch einzelne Ausnahmen, wie die
Schweiz und Nordamerika, können nichts an der Thatsache ändern, daß die
ganze Stabilität und Solidität der neuern Staaten wesentlich und bis auf
weiteres durchaus an die Form oder das Institut der Monarchie gebunden er¬
scheint. Einzelne dieser Gemeinwesen, wie namentlich das deutsche Reich und
Oesterreich, können ohne die Monarchie überhaupt gar nicht gedacht werden, die
Krankheit aber oder das Ungesunde in Frankreich und den andern romanischen
Ländern besteht wesentlich darin, daß diese gar keine wahre und eigentliche oder
mit dem Volke und seiner Geschichte organisch verwachsene Monarchie mehr haben,
so wie dieses in jenen beiden deutschen Ländergebieten der Fall ist. Deun
auch Oesterreich ist trotz seines Völkergemischcs doch durchaus und vollkommen
ein integrirender Theil des Lebensgcbictes der deutschen Nation und kann auch
von uns keineswegs als einfaches Ausland angesehen oder behandelt werden.
Auch dort blickt das Volk in Uebersättigung von den „Neichsrathsplauschern"
wiederum zur Krone als zu dem einzigen und festen Anker in aller Noth empor.
Die ganze neuere politische Geschichte Deutschlands hat sich wesentlich um das
Emporkommen und die Rivalität der beiden Dynastien der Habsburger und der
Hohenzollern gedreht. Deutschland ist nicht von Anfang an eine so fest be¬
grenzte und abgeschlossene geographische und politische Einheit gewesen wie etwa
Frankreich oder England. Die politische Einheit hat hier erst künstlich und all-
mühlich durch die beiden im Osten entstandnen Großmächte festzustellen und
aufzurichten versucht werden müssen. Das frühere Reich und der spätere Vnud
der deutschen Nation hat sich daher zuletzt in diese doppelte geographische In¬
dividualität der österreichischen und der preußisch-deutschen Monarchie und
Machtsphäre gespalten. Dieser jüngste Ausgang unsrer nationalen Geschichte ist
uns selbst überraschend und in Widerspruch mit unsern frühern Wünschen und Vor¬
stellungen von der Einheit und Größe der Nation gekommen. Er war nichts-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/24>, abgerufen am 25.11.2024.