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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Die Entwicklung der Feildalitcit und das deutsche Kriegswesen im frühe" Mittelalter,

seiner Regierung auch gegen ihn bildeten, verhältnißmäßig schnell Meister zu
werden, verdankte er vorzugsweise den Staatsklugen, wichtigen Zugeständnissen,
welche er dem niederen Adel, den kleinen Vassallen machte. Schon sein Vor¬
gänger, Heinrich II., hatte die Erblichkeit der großen Reichslehen, derHerzog-
thümer, Pfalz- und Markgrafschafteu wie auch der Grafschaften grundsätzlich an¬
erkannt und damit eines der wichtigsten Thrvnrechte aufgegeben, welches die Ottonen
noch eifersüchtig gewahrt hatten. Jetzt that Conrad II. einen weiteren Schritt,
indem er auch die Erblichkeit der kleinen Kriegerlehen anerkannte, und zwar
nicht nur die der kleinen Kronvassallen, sondern auch die der Aftervassallen der
großen Feudalherren. Für Deutschland hat Conrad diese Anerkennung nicht in
einem besondern Gesetze formulirt, sondern nur das schon bestehende Herkommen
durch thatsächliche Geltendmachung desselben als Grundrecht bestätigt, wie denn
ein solches Verfahren von altersher deutsche Art gewesen ist. Diese thatsächliche
Anerkennung bestand nun aber in dem kräftigen Rechtsschutz?, welchen er den
Erdleben zuwendete, indem er die Entscheidung darüber, ob ein Aftervassall sein
Lehen verwirkt habe, dem Lehensherren entzog und einem Schöffengerichte, d. h.
einem aus Standesgenossen gebildeten Spruchgerichte überwies, von dem aus
eine Berufung an den König erfolgen konnte. Dadurch war der Willkür der
Grvßvasscillen ein Riegel vorgeschoben und dem Könige ein bedeutungsvoller
Einfluß eben auf diejenige Schicht des Volkes zurückgegeben, in der vorzugs¬
weise die kriegerische Kraft des Reiches lag. Ju Italien formulirte Conrad II.
dieselben, ja noch weiter gehende Gerechtsame des niederen Adels durch die am
18. Mai 1037 erlassene berühmte Lehenseonstitutivu. In ihr werden den
Valvassoren die Erblichkeit der Lehen, Schöffengerichte ans ihresgleichen, Be¬
rufung von denselben an den Kaiser oder seine Pfalzgrafen, Sicherung gegen
eine Verwandlung der Lehen in Zins- oder Pachtgüter verbürgt und zugleich
versprochen, niemals andre Kricgsleistuugcu von den Lehnsgütern zu verlangen,
als bisher üblich gewesen.

Die Lchnsverfassnng Kaiser Conrads II. erscheint als der formale Abschluß
der seit einem halben Jahrtausend in stetem Fortgange begriffenen Entwicklung
der Feudalität. Dieser Abschluß war unvermeidlich; denn der Begriff des Fen-
dalitiitsprineipes beherrschte die Anschauungen der Zeitgenossen in einem Grade,
von dem man sich heute schwer eine Vorstellung macheu kann. Längst hatte
sich neben dem für alle Freien geltenden Landrechte ein besonderes Lehenrecht
lNcichsdienstrecht) ausgebildet, dessen Grundlage die Begriffe der Vassallität und
des Benefieiums waren. Die allerverschiedenartigsten Beziehungen wurde", sogar
vom Sprachgebrauche, in die Kategorien der Vassallität und des Fcndalnexus
eingereiht. So wird Gott gelegentlich als svnivr des Heiligen Moritz bezeichnet,
Heinrich II. als 86nor seiner Gemahlin, ja der Herr eines Schiffes als senior
lapis. Die Heiligen sind die "Mannen" Gottes oder Christi; die Geistliche"
werde" ganz gewöhnlich oso inilitÄntM genannt; wie denn milss überhaupt im


Die Entwicklung der Feildalitcit und das deutsche Kriegswesen im frühe» Mittelalter,

seiner Regierung auch gegen ihn bildeten, verhältnißmäßig schnell Meister zu
werden, verdankte er vorzugsweise den Staatsklugen, wichtigen Zugeständnissen,
welche er dem niederen Adel, den kleinen Vassallen machte. Schon sein Vor¬
gänger, Heinrich II., hatte die Erblichkeit der großen Reichslehen, derHerzog-
thümer, Pfalz- und Markgrafschafteu wie auch der Grafschaften grundsätzlich an¬
erkannt und damit eines der wichtigsten Thrvnrechte aufgegeben, welches die Ottonen
noch eifersüchtig gewahrt hatten. Jetzt that Conrad II. einen weiteren Schritt,
indem er auch die Erblichkeit der kleinen Kriegerlehen anerkannte, und zwar
nicht nur die der kleinen Kronvassallen, sondern auch die der Aftervassallen der
großen Feudalherren. Für Deutschland hat Conrad diese Anerkennung nicht in
einem besondern Gesetze formulirt, sondern nur das schon bestehende Herkommen
durch thatsächliche Geltendmachung desselben als Grundrecht bestätigt, wie denn
ein solches Verfahren von altersher deutsche Art gewesen ist. Diese thatsächliche
Anerkennung bestand nun aber in dem kräftigen Rechtsschutz?, welchen er den
Erdleben zuwendete, indem er die Entscheidung darüber, ob ein Aftervassall sein
Lehen verwirkt habe, dem Lehensherren entzog und einem Schöffengerichte, d. h.
einem aus Standesgenossen gebildeten Spruchgerichte überwies, von dem aus
eine Berufung an den König erfolgen konnte. Dadurch war der Willkür der
Grvßvasscillen ein Riegel vorgeschoben und dem Könige ein bedeutungsvoller
Einfluß eben auf diejenige Schicht des Volkes zurückgegeben, in der vorzugs¬
weise die kriegerische Kraft des Reiches lag. Ju Italien formulirte Conrad II.
dieselben, ja noch weiter gehende Gerechtsame des niederen Adels durch die am
18. Mai 1037 erlassene berühmte Lehenseonstitutivu. In ihr werden den
Valvassoren die Erblichkeit der Lehen, Schöffengerichte ans ihresgleichen, Be¬
rufung von denselben an den Kaiser oder seine Pfalzgrafen, Sicherung gegen
eine Verwandlung der Lehen in Zins- oder Pachtgüter verbürgt und zugleich
versprochen, niemals andre Kricgsleistuugcu von den Lehnsgütern zu verlangen,
als bisher üblich gewesen.

Die Lchnsverfassnng Kaiser Conrads II. erscheint als der formale Abschluß
der seit einem halben Jahrtausend in stetem Fortgange begriffenen Entwicklung
der Feudalität. Dieser Abschluß war unvermeidlich; denn der Begriff des Fen-
dalitiitsprineipes beherrschte die Anschauungen der Zeitgenossen in einem Grade,
von dem man sich heute schwer eine Vorstellung macheu kann. Längst hatte
sich neben dem für alle Freien geltenden Landrechte ein besonderes Lehenrecht
lNcichsdienstrecht) ausgebildet, dessen Grundlage die Begriffe der Vassallität und
des Benefieiums waren. Die allerverschiedenartigsten Beziehungen wurde», sogar
vom Sprachgebrauche, in die Kategorien der Vassallität und des Fcndalnexus
eingereiht. So wird Gott gelegentlich als svnivr des Heiligen Moritz bezeichnet,
Heinrich II. als 86nor seiner Gemahlin, ja der Herr eines Schiffes als senior
lapis. Die Heiligen sind die „Mannen" Gottes oder Christi; die Geistliche»
werde» ganz gewöhnlich oso inilitÄntM genannt; wie denn milss überhaupt im


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[0238] Die Entwicklung der Feildalitcit und das deutsche Kriegswesen im frühe» Mittelalter, seiner Regierung auch gegen ihn bildeten, verhältnißmäßig schnell Meister zu werden, verdankte er vorzugsweise den Staatsklugen, wichtigen Zugeständnissen, welche er dem niederen Adel, den kleinen Vassallen machte. Schon sein Vor¬ gänger, Heinrich II., hatte die Erblichkeit der großen Reichslehen, derHerzog- thümer, Pfalz- und Markgrafschafteu wie auch der Grafschaften grundsätzlich an¬ erkannt und damit eines der wichtigsten Thrvnrechte aufgegeben, welches die Ottonen noch eifersüchtig gewahrt hatten. Jetzt that Conrad II. einen weiteren Schritt, indem er auch die Erblichkeit der kleinen Kriegerlehen anerkannte, und zwar nicht nur die der kleinen Kronvassallen, sondern auch die der Aftervassallen der großen Feudalherren. Für Deutschland hat Conrad diese Anerkennung nicht in einem besondern Gesetze formulirt, sondern nur das schon bestehende Herkommen durch thatsächliche Geltendmachung desselben als Grundrecht bestätigt, wie denn ein solches Verfahren von altersher deutsche Art gewesen ist. Diese thatsächliche Anerkennung bestand nun aber in dem kräftigen Rechtsschutz?, welchen er den Erdleben zuwendete, indem er die Entscheidung darüber, ob ein Aftervassall sein Lehen verwirkt habe, dem Lehensherren entzog und einem Schöffengerichte, d. h. einem aus Standesgenossen gebildeten Spruchgerichte überwies, von dem aus eine Berufung an den König erfolgen konnte. Dadurch war der Willkür der Grvßvasscillen ein Riegel vorgeschoben und dem Könige ein bedeutungsvoller Einfluß eben auf diejenige Schicht des Volkes zurückgegeben, in der vorzugs¬ weise die kriegerische Kraft des Reiches lag. Ju Italien formulirte Conrad II. dieselben, ja noch weiter gehende Gerechtsame des niederen Adels durch die am 18. Mai 1037 erlassene berühmte Lehenseonstitutivu. In ihr werden den Valvassoren die Erblichkeit der Lehen, Schöffengerichte ans ihresgleichen, Be¬ rufung von denselben an den Kaiser oder seine Pfalzgrafen, Sicherung gegen eine Verwandlung der Lehen in Zins- oder Pachtgüter verbürgt und zugleich versprochen, niemals andre Kricgsleistuugcu von den Lehnsgütern zu verlangen, als bisher üblich gewesen. Die Lchnsverfassnng Kaiser Conrads II. erscheint als der formale Abschluß der seit einem halben Jahrtausend in stetem Fortgange begriffenen Entwicklung der Feudalität. Dieser Abschluß war unvermeidlich; denn der Begriff des Fen- dalitiitsprineipes beherrschte die Anschauungen der Zeitgenossen in einem Grade, von dem man sich heute schwer eine Vorstellung macheu kann. Längst hatte sich neben dem für alle Freien geltenden Landrechte ein besonderes Lehenrecht lNcichsdienstrecht) ausgebildet, dessen Grundlage die Begriffe der Vassallität und des Benefieiums waren. Die allerverschiedenartigsten Beziehungen wurde», sogar vom Sprachgebrauche, in die Kategorien der Vassallität und des Fcndalnexus eingereiht. So wird Gott gelegentlich als svnivr des Heiligen Moritz bezeichnet, Heinrich II. als 86nor seiner Gemahlin, ja der Herr eines Schiffes als senior lapis. Die Heiligen sind die „Mannen" Gottes oder Christi; die Geistliche» werde» ganz gewöhnlich oso inilitÄntM genannt; wie denn milss überhaupt im

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/238>, abgerufen am 26.11.2024.