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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Hannovers Lüde "ut Herr Meding,

Verschaffen, und beim gehörte ein Bündniß mit Italien, da man wusste, daß die
Mehrzahl der deutschen Bundesstaaten bestürmt ans die Seite Oesterreichs treten
würde, und zweitens die Neutralität Frankreichs, Preußen und Italien hatten
bis dahin nicht besonders gut mit einander gestanden. Den ersten italienischen
Einheitsbestrebungen war man in Berlin sehr wenig freundlich gegcnübergetreten,
und lange hatte man dort mit der Anerkennung des Königreichs Italien ge¬
zögert. Die Anbahnung eines preußisch-italienischen Bündnisses war infolge dessen
schwierig. Was Paris betrifft, so fand der preußische Ministerpräsident bei dem
dortigen Gesandten des Königs Wilhelm, Graf v. d. Goltz, entweder nicht das
volle Verständniß oder nicht die genügende Unterstützung seiner Absichten, Die
Kaiserin Eugenie, als Ultramontane stets ein Gegnerin Preußens und eine
eifrige Freundin Oesterreichs, übte durch den Zauber ihrer Persönlichkeit ent¬
scheidenden Einfluß auf diesen Diplomaten, und so ließ sich auf diesem Wege
keine Verständigung erreichen. Bismarck ging somit im November 1865 selbst
nach Frankreich, wo er in Biarritz seine Ideen mit denen Napoleons nnstanschte.
Er gewann dabei vom Kaiser das mündliche Versprechen "wohlwollender Neu¬
tralität." Daß letzterer dabei Hintergedanken hatte, an Kompensationen auf dem
linken Rheinufer oder in Belgien dachte u. s. w,, ist sicher. Der preußische Minister¬
präsident aber vermied gewandt jede eingehende Erörterung und wich der Klippe
aus, sich zu engagiren, Napoleon dagegen hoffte auf eine Niederlage Preußens,
dem er dann gegen Entgelt Hilfe zu gewähren dachte,

"Dies alles ging," sagt Meding, "neben und ohne den damaligen fran¬
zösischen Minister des Auswärtigen her, welcher fortwährend den Krieg in Deutsch¬
land vermeiden oder, wenn derselbe nicht mehr zurückzuhalten sein sollte, wenigstens
das Gewicht des französischen Einflusses entschieden für Oesterreich geltend machen
wollte, Drvuhu de l'Huys sprach sich noch später mir gegenüber in dieser Be¬
ziehung sehr klar und bestimmt aus. Das alte Frankreich, sagte er, habe überall,
in Deutschland, in Italien und in den Niederlanden dem Hause Habsburg sich
gegenüber befunden, und es sei deshalb die Aufgabe der bourbonischen Politik
gewesen, seine Macht zu breche" und seinem Einflüsse Hindernisse zu bereiten.
Dies sei jetzt nicht mehr der Fall, überall, wo früher der Einfluß des habs-
burgischen Kaiserthums Frankreich entgegengetreten sei, stände demselben jetzt
Preußen gegenüber. Preußen strebe nach der politischen und militärischen Einigung
Deutschlands, und deshalb sei es für das napoleonische Frankreich geboten, überall
gegen Preußen für Deutschland einzutreten. Die Politik des Ministers Dronhn
de l'Huys ging daher zu jener Zeit vollständig getrennt neben der des Kaisers
her. ... Im auswärtigen Ministerium zu Paris galt damals die Absicht, welche
deu Grafen Bismarck nach Biarritz geführt hatte, als im wesentlichen gescheitert.
Thatsächlich indeß war sie gelungen, und unmittelbar darauf begannen die Ver¬
handlungen mit Italien, infolge deren sich bald darauf der General Govvne
nach Berlin begab, um dort in aller Stille die Verabredung über die militärischen


Hannovers Lüde »ut Herr Meding,

Verschaffen, und beim gehörte ein Bündniß mit Italien, da man wusste, daß die
Mehrzahl der deutschen Bundesstaaten bestürmt ans die Seite Oesterreichs treten
würde, und zweitens die Neutralität Frankreichs, Preußen und Italien hatten
bis dahin nicht besonders gut mit einander gestanden. Den ersten italienischen
Einheitsbestrebungen war man in Berlin sehr wenig freundlich gegcnübergetreten,
und lange hatte man dort mit der Anerkennung des Königreichs Italien ge¬
zögert. Die Anbahnung eines preußisch-italienischen Bündnisses war infolge dessen
schwierig. Was Paris betrifft, so fand der preußische Ministerpräsident bei dem
dortigen Gesandten des Königs Wilhelm, Graf v. d. Goltz, entweder nicht das
volle Verständniß oder nicht die genügende Unterstützung seiner Absichten, Die
Kaiserin Eugenie, als Ultramontane stets ein Gegnerin Preußens und eine
eifrige Freundin Oesterreichs, übte durch den Zauber ihrer Persönlichkeit ent¬
scheidenden Einfluß auf diesen Diplomaten, und so ließ sich auf diesem Wege
keine Verständigung erreichen. Bismarck ging somit im November 1865 selbst
nach Frankreich, wo er in Biarritz seine Ideen mit denen Napoleons nnstanschte.
Er gewann dabei vom Kaiser das mündliche Versprechen „wohlwollender Neu¬
tralität." Daß letzterer dabei Hintergedanken hatte, an Kompensationen auf dem
linken Rheinufer oder in Belgien dachte u. s. w,, ist sicher. Der preußische Minister¬
präsident aber vermied gewandt jede eingehende Erörterung und wich der Klippe
aus, sich zu engagiren, Napoleon dagegen hoffte auf eine Niederlage Preußens,
dem er dann gegen Entgelt Hilfe zu gewähren dachte,

„Dies alles ging," sagt Meding, „neben und ohne den damaligen fran¬
zösischen Minister des Auswärtigen her, welcher fortwährend den Krieg in Deutsch¬
land vermeiden oder, wenn derselbe nicht mehr zurückzuhalten sein sollte, wenigstens
das Gewicht des französischen Einflusses entschieden für Oesterreich geltend machen
wollte, Drvuhu de l'Huys sprach sich noch später mir gegenüber in dieser Be¬
ziehung sehr klar und bestimmt aus. Das alte Frankreich, sagte er, habe überall,
in Deutschland, in Italien und in den Niederlanden dem Hause Habsburg sich
gegenüber befunden, und es sei deshalb die Aufgabe der bourbonischen Politik
gewesen, seine Macht zu breche» und seinem Einflüsse Hindernisse zu bereiten.
Dies sei jetzt nicht mehr der Fall, überall, wo früher der Einfluß des habs-
burgischen Kaiserthums Frankreich entgegengetreten sei, stände demselben jetzt
Preußen gegenüber. Preußen strebe nach der politischen und militärischen Einigung
Deutschlands, und deshalb sei es für das napoleonische Frankreich geboten, überall
gegen Preußen für Deutschland einzutreten. Die Politik des Ministers Dronhn
de l'Huys ging daher zu jener Zeit vollständig getrennt neben der des Kaisers
her. ... Im auswärtigen Ministerium zu Paris galt damals die Absicht, welche
deu Grafen Bismarck nach Biarritz geführt hatte, als im wesentlichen gescheitert.
Thatsächlich indeß war sie gelungen, und unmittelbar darauf begannen die Ver¬
handlungen mit Italien, infolge deren sich bald darauf der General Govvne
nach Berlin begab, um dort in aller Stille die Verabredung über die militärischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/232>, abgerufen am 26.11.2024.