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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Alfred Meißner.

roßleute" zeugen von großer dichterischer Kraft. Eine Reihe von Gedichten möchten
wir Kmnpfgedichte nennen, wie: "Mihal," ..Katzenprobe," "Maria Magdalena,"
und schließlich diejenigen, die das Jahr 1870 gezeitigt.

Außer "Ziska" hat uns Meißner noch zwei Epen kleineren Umfangs ge¬
schenkt: ..Werinher" und "König Sadal." In jenem kommt das Herübergreifen
der heidnischen Götterwelt ins christliche Mittelalter zur Wirksamkeit. Aus dem
sich entspinnenden Conflicte resultirt das Leid und Zugrundegehen zweier Herzen.
Es finden sich Stellen im "Werinher," welche durch ihre Zartheit an die Minne¬
singer erinnern! die Stelle, in welcher der Mönch die junge Nonne um den
Kranz bittet, seine tieftraurigen Worte von dem Schmerze, der im Entsagenmüssen
liegt, sind trotz ihrer Einfachheit, wohl gerade deshalb, höchst wirkungsvoll. Noch
bedeutender ist "König Sadnl." Hier ist der Aufbau dramatischer, die Steigerung
hält den Zuhörer fortwährend in Spannung. Obgleich der Stoff nicht nahe
liegt und uns nicht geläufig ist, spricht er doch an, weil uns die handelnden
Personen in ihrem Empfinden rein menschlich nahe stehen. Der düstere Hinter-
grund giebt dem Bilde etwas Geheimnißvolles, und doch hat der Dichter in
dieses gleichsam nur scheu zu betrachtende Gemälde einige freundliche Stellen ge¬
bracht, die des Contrastes wegen um so wirksamer sind, so gleich zu Anfang,
wo wir uns in Corinth, diesem Paris des Alterthums befinden. Sadal, welcher
die Schlacht bei Pharsalus auf Pompejus' Seite tapfer mitgefochten, eilt zu
seiner Geliebten. Trotz des Abmahnens der Eltern, die wegen des Naturells
und der verschiedenen Vildnngsstufe der beiden Liebenden gegen ihre Verbindung
sind, folgt Apure doch dem geliebten Manne nach dem halbbarbarischen Thracien.
Den Conflict, der sich aus dem beiderseitigen, so ungleichartigen Bildungsgrade
ergiebt. hat Meißner meisterhaft geschildert; Liebe, Hingebung, Eifersucht, Haß,
Verzweiflung, Neue, kurz alle Leidenschaften und Erregungen des Herzens hat
er hier zur Wirkung gebracht, und zu welcher Wirkung!

Alfred Meißner hat unverrückt die Ziele verfolgt, die er sich in der Jugend
gesteckt. Seit einem Menschenalter hat er eine aufs mannichfaltigste gestaltende
schöpferische Kraft eingesetzt an seine Arbeit. Er gab Werk um Werk, ließ immer
nur die Thaten für sich sprechen, stets wirksam um der Sache willen. Nur im
Schaffen fand er innere Befriedigung. Nie von den Idealen seiner Jugend ab¬
gefallen, behielt er stets ihre Verwirklichung im Auge. Zwar sind die Stürme
und die bittern Erfahrungen seines Lebens nicht spurlos an ihm vorüber¬
gegangen, aber da sein Herz an dem Höchsten und Erhabensten hing, konnten
sie Wohl sein Haar bleichen, aber nicht den warmen Pulsschlag seines Herzens
hemmen; sein Herz ist jung geblieben bis heute.




Alfred Meißner.

roßleute" zeugen von großer dichterischer Kraft. Eine Reihe von Gedichten möchten
wir Kmnpfgedichte nennen, wie: „Mihal," ..Katzenprobe," „Maria Magdalena,"
und schließlich diejenigen, die das Jahr 1870 gezeitigt.

Außer „Ziska" hat uns Meißner noch zwei Epen kleineren Umfangs ge¬
schenkt: ..Werinher" und „König Sadal." In jenem kommt das Herübergreifen
der heidnischen Götterwelt ins christliche Mittelalter zur Wirksamkeit. Aus dem
sich entspinnenden Conflicte resultirt das Leid und Zugrundegehen zweier Herzen.
Es finden sich Stellen im „Werinher," welche durch ihre Zartheit an die Minne¬
singer erinnern! die Stelle, in welcher der Mönch die junge Nonne um den
Kranz bittet, seine tieftraurigen Worte von dem Schmerze, der im Entsagenmüssen
liegt, sind trotz ihrer Einfachheit, wohl gerade deshalb, höchst wirkungsvoll. Noch
bedeutender ist „König Sadnl." Hier ist der Aufbau dramatischer, die Steigerung
hält den Zuhörer fortwährend in Spannung. Obgleich der Stoff nicht nahe
liegt und uns nicht geläufig ist, spricht er doch an, weil uns die handelnden
Personen in ihrem Empfinden rein menschlich nahe stehen. Der düstere Hinter-
grund giebt dem Bilde etwas Geheimnißvolles, und doch hat der Dichter in
dieses gleichsam nur scheu zu betrachtende Gemälde einige freundliche Stellen ge¬
bracht, die des Contrastes wegen um so wirksamer sind, so gleich zu Anfang,
wo wir uns in Corinth, diesem Paris des Alterthums befinden. Sadal, welcher
die Schlacht bei Pharsalus auf Pompejus' Seite tapfer mitgefochten, eilt zu
seiner Geliebten. Trotz des Abmahnens der Eltern, die wegen des Naturells
und der verschiedenen Vildnngsstufe der beiden Liebenden gegen ihre Verbindung
sind, folgt Apure doch dem geliebten Manne nach dem halbbarbarischen Thracien.
Den Conflict, der sich aus dem beiderseitigen, so ungleichartigen Bildungsgrade
ergiebt. hat Meißner meisterhaft geschildert; Liebe, Hingebung, Eifersucht, Haß,
Verzweiflung, Neue, kurz alle Leidenschaften und Erregungen des Herzens hat
er hier zur Wirkung gebracht, und zu welcher Wirkung!

Alfred Meißner hat unverrückt die Ziele verfolgt, die er sich in der Jugend
gesteckt. Seit einem Menschenalter hat er eine aufs mannichfaltigste gestaltende
schöpferische Kraft eingesetzt an seine Arbeit. Er gab Werk um Werk, ließ immer
nur die Thaten für sich sprechen, stets wirksam um der Sache willen. Nur im
Schaffen fand er innere Befriedigung. Nie von den Idealen seiner Jugend ab¬
gefallen, behielt er stets ihre Verwirklichung im Auge. Zwar sind die Stürme
und die bittern Erfahrungen seines Lebens nicht spurlos an ihm vorüber¬
gegangen, aber da sein Herz an dem Höchsten und Erhabensten hing, konnten
sie Wohl sein Haar bleichen, aber nicht den warmen Pulsschlag seines Herzens
hemmen; sein Herz ist jung geblieben bis heute.




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[0219] Alfred Meißner. roßleute" zeugen von großer dichterischer Kraft. Eine Reihe von Gedichten möchten wir Kmnpfgedichte nennen, wie: „Mihal," ..Katzenprobe," „Maria Magdalena," und schließlich diejenigen, die das Jahr 1870 gezeitigt. Außer „Ziska" hat uns Meißner noch zwei Epen kleineren Umfangs ge¬ schenkt: ..Werinher" und „König Sadal." In jenem kommt das Herübergreifen der heidnischen Götterwelt ins christliche Mittelalter zur Wirksamkeit. Aus dem sich entspinnenden Conflicte resultirt das Leid und Zugrundegehen zweier Herzen. Es finden sich Stellen im „Werinher," welche durch ihre Zartheit an die Minne¬ singer erinnern! die Stelle, in welcher der Mönch die junge Nonne um den Kranz bittet, seine tieftraurigen Worte von dem Schmerze, der im Entsagenmüssen liegt, sind trotz ihrer Einfachheit, wohl gerade deshalb, höchst wirkungsvoll. Noch bedeutender ist „König Sadnl." Hier ist der Aufbau dramatischer, die Steigerung hält den Zuhörer fortwährend in Spannung. Obgleich der Stoff nicht nahe liegt und uns nicht geläufig ist, spricht er doch an, weil uns die handelnden Personen in ihrem Empfinden rein menschlich nahe stehen. Der düstere Hinter- grund giebt dem Bilde etwas Geheimnißvolles, und doch hat der Dichter in dieses gleichsam nur scheu zu betrachtende Gemälde einige freundliche Stellen ge¬ bracht, die des Contrastes wegen um so wirksamer sind, so gleich zu Anfang, wo wir uns in Corinth, diesem Paris des Alterthums befinden. Sadal, welcher die Schlacht bei Pharsalus auf Pompejus' Seite tapfer mitgefochten, eilt zu seiner Geliebten. Trotz des Abmahnens der Eltern, die wegen des Naturells und der verschiedenen Vildnngsstufe der beiden Liebenden gegen ihre Verbindung sind, folgt Apure doch dem geliebten Manne nach dem halbbarbarischen Thracien. Den Conflict, der sich aus dem beiderseitigen, so ungleichartigen Bildungsgrade ergiebt. hat Meißner meisterhaft geschildert; Liebe, Hingebung, Eifersucht, Haß, Verzweiflung, Neue, kurz alle Leidenschaften und Erregungen des Herzens hat er hier zur Wirkung gebracht, und zu welcher Wirkung! Alfred Meißner hat unverrückt die Ziele verfolgt, die er sich in der Jugend gesteckt. Seit einem Menschenalter hat er eine aufs mannichfaltigste gestaltende schöpferische Kraft eingesetzt an seine Arbeit. Er gab Werk um Werk, ließ immer nur die Thaten für sich sprechen, stets wirksam um der Sache willen. Nur im Schaffen fand er innere Befriedigung. Nie von den Idealen seiner Jugend ab¬ gefallen, behielt er stets ihre Verwirklichung im Auge. Zwar sind die Stürme und die bittern Erfahrungen seines Lebens nicht spurlos an ihm vorüber¬ gegangen, aber da sein Herz an dem Höchsten und Erhabensten hing, konnten sie Wohl sein Haar bleichen, aber nicht den warmen Pulsschlag seines Herzens hemmen; sein Herz ist jung geblieben bis heute.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/219>, abgerufen am 01.09.2024.