Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.Alfred Meißner. In verschärften Grade wurde die Polemik weitergeführt in dein Roman Und der Name? Der Verfasser hat in seinem Romane selbst einmal den Doch kehren wir endlich wieder zu der Person des Dichters zurück. Nach¬ Alfred Meißner. In verschärften Grade wurde die Polemik weitergeführt in dein Roman Und der Name? Der Verfasser hat in seinem Romane selbst einmal den Doch kehren wir endlich wieder zu der Person des Dichters zurück. Nach¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0215" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150365"/> <fw type="header" place="top"> Alfred Meißner.</fw><lb/> <p xml:id="ID_711"> In verschärften Grade wurde die Polemik weitergeführt in dein Roman<lb/> „Babel." Der Familienroman der beiden Brüder Haldenried wird weitergesponnen,<lb/> aber eine neue Fabel beginnt. Das durch Heer und Kirche neu geeinigte Reich<lb/> wird in seinen weitem großen Krisen vor und nach dem italienischen Kriege<lb/> geschildert. Mit großer Anschaulichkeit und Virtuosität sind die Bilder des Kriegs¬<lb/> lebens gemalt, die Schlacht bei Magenta, die Verwundeten bei Verona u. s. w.<lb/> Greifenstein. den wir aus ..schwarzgelb" kennen, fällt auf dem Schlachtfelde,<lb/> wir verlieren in ihm einen Bekannten, den wir lieb gewonnen; dafür lernen<lb/> wir eine Menge neuer Personen kennen: den Abenteurer.Herrn von Weyher,<lb/> der fern in der nubischen Wüste den Sieg von Elfhatalma gewonnen, weil<lb/> seine Uhr stehen geblieben, den leichtsinnigen und verschwenderischen Rosen und<lb/> den Obersten Chibolitz, der hinter einer calorischem Miene Geldgier und Hab¬<lb/> sucht verbirgt. Ein Hauptgewicht ist auf die Stellung der Geistlichkeit zum<lb/> Staate, zur Familie gelegt, die Concordatsfragen kommen ins Spiel, die Con-<lb/> flicte, in welche der Priester durch seine Naturtriebe zu den Satzungen seiner<lb/> Körperschaft geräth. werden mit einschneidender Offenheit bloßgelegt. Im Kapu¬<lb/> ziner Michael Rndno, der seine Tage damit zubringt, die Namen der Geschichte<lb/> und des Kalenders anagrammatisch zu versetzen und ihren Sinn und ihre Deu¬<lb/> tung zu gewinnen, ist — wie Frenzel in einem Essay über ..Babel" sagt —<lb/> dem Dichter eine Gestalt gelungen, die in ihrer phantastischen Beleuchtung Rea-<lb/> l'randts Alchymisten gleicht. Und fürwahr, die wunderbaren Deutungen des<lb/> Namens Maria Magdalena zu inAA äama galani — a me ini ni°rÄ mal.-r —<lb/> -ulmirtl rata ÄMnäa — nnM ^.ä^in rößiim — aä arma nri ßÄWö u. f. w.<lb/> sind von spannenden Interesse.</p><lb/> <p xml:id="ID_712"> Und der Name? Der Verfasser hat in seinem Romane selbst einmal den<lb/> Schlüssel dazu gegeben. Ein Graf Merseuburg hat auf seinen Gütern in Ungarn<lb/> einen wunderlichen Bau errichtet, eine Ruhmeshalle, in der alle Nationen des<lb/> Kaiserstaates vertreten sein sollen. Aber die Walhalla ist nur halb fertig ge¬<lb/> worden. „Gleiches Recht für alle!" war sein Wahrspruch gewesen. Doch als<lb/> der Graf an die Ausführung seines Lieblingsplancs ging, stellten sich ihm un¬<lb/> vorhergesehene Hindernisse in den Weg. Mit der Auswahl der betreffende,,<lb/> berühmten Persönlichkeit aus den einzelnen Volksstämmen Oesterreichs ging es<lb/> "icht recht vorwärts. Ja bei manchen fand sich auch nicht eine berühmte Gestalt.<lb/> So waren nur einige Bildsäulen deutscher, ungarischer, czechischer, polnischer und<lb/> italienischer Celebritäten zusammengestellt worden, es war ein unvollendetes Werk,<lb/> ein Torso geblieben. Die Leute nannten den abgebrochnen Bau den Thurm<lb/> v»n Babel, und in Analogie dazu nannte der Dichter seineu Roman „Babel."</p><lb/> <p xml:id="ID_713" next="#ID_714"> Doch kehren wir endlich wieder zu der Person des Dichters zurück. Nach¬<lb/> dem sein Vater gestorben, mit dem er immer zusammen gelebt und den er in<lb/> jahrelanger Krankheit treu gepflegt hatte, verließ Meißner im Jahre 1868 Prag;<lb/> er war es herzlich müde, die hadernden Stimmen der deutschen und der böhmischen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0215]
Alfred Meißner.
In verschärften Grade wurde die Polemik weitergeführt in dein Roman
„Babel." Der Familienroman der beiden Brüder Haldenried wird weitergesponnen,
aber eine neue Fabel beginnt. Das durch Heer und Kirche neu geeinigte Reich
wird in seinen weitem großen Krisen vor und nach dem italienischen Kriege
geschildert. Mit großer Anschaulichkeit und Virtuosität sind die Bilder des Kriegs¬
lebens gemalt, die Schlacht bei Magenta, die Verwundeten bei Verona u. s. w.
Greifenstein. den wir aus ..schwarzgelb" kennen, fällt auf dem Schlachtfelde,
wir verlieren in ihm einen Bekannten, den wir lieb gewonnen; dafür lernen
wir eine Menge neuer Personen kennen: den Abenteurer.Herrn von Weyher,
der fern in der nubischen Wüste den Sieg von Elfhatalma gewonnen, weil
seine Uhr stehen geblieben, den leichtsinnigen und verschwenderischen Rosen und
den Obersten Chibolitz, der hinter einer calorischem Miene Geldgier und Hab¬
sucht verbirgt. Ein Hauptgewicht ist auf die Stellung der Geistlichkeit zum
Staate, zur Familie gelegt, die Concordatsfragen kommen ins Spiel, die Con-
flicte, in welche der Priester durch seine Naturtriebe zu den Satzungen seiner
Körperschaft geräth. werden mit einschneidender Offenheit bloßgelegt. Im Kapu¬
ziner Michael Rndno, der seine Tage damit zubringt, die Namen der Geschichte
und des Kalenders anagrammatisch zu versetzen und ihren Sinn und ihre Deu¬
tung zu gewinnen, ist — wie Frenzel in einem Essay über ..Babel" sagt —
dem Dichter eine Gestalt gelungen, die in ihrer phantastischen Beleuchtung Rea-
l'randts Alchymisten gleicht. Und fürwahr, die wunderbaren Deutungen des
Namens Maria Magdalena zu inAA äama galani — a me ini ni°rÄ mal.-r —
-ulmirtl rata ÄMnäa — nnM ^.ä^in rößiim — aä arma nri ßÄWö u. f. w.
sind von spannenden Interesse.
Und der Name? Der Verfasser hat in seinem Romane selbst einmal den
Schlüssel dazu gegeben. Ein Graf Merseuburg hat auf seinen Gütern in Ungarn
einen wunderlichen Bau errichtet, eine Ruhmeshalle, in der alle Nationen des
Kaiserstaates vertreten sein sollen. Aber die Walhalla ist nur halb fertig ge¬
worden. „Gleiches Recht für alle!" war sein Wahrspruch gewesen. Doch als
der Graf an die Ausführung seines Lieblingsplancs ging, stellten sich ihm un¬
vorhergesehene Hindernisse in den Weg. Mit der Auswahl der betreffende,,
berühmten Persönlichkeit aus den einzelnen Volksstämmen Oesterreichs ging es
"icht recht vorwärts. Ja bei manchen fand sich auch nicht eine berühmte Gestalt.
So waren nur einige Bildsäulen deutscher, ungarischer, czechischer, polnischer und
italienischer Celebritäten zusammengestellt worden, es war ein unvollendetes Werk,
ein Torso geblieben. Die Leute nannten den abgebrochnen Bau den Thurm
v»n Babel, und in Analogie dazu nannte der Dichter seineu Roman „Babel."
Doch kehren wir endlich wieder zu der Person des Dichters zurück. Nach¬
dem sein Vater gestorben, mit dem er immer zusammen gelebt und den er in
jahrelanger Krankheit treu gepflegt hatte, verließ Meißner im Jahre 1868 Prag;
er war es herzlich müde, die hadernden Stimmen der deutschen und der böhmischen
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