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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Alfred Meißner.

Durch Verrath der eifersüchtigen Leonie Greifenstein erhält Thicboldsegg
die erste Mahnung in Bezug auf die Liebe seiner Tochter zu Bruno, was für
diesen bei seiner Rückkehr nach Oesterreich (dritter Theil) von den schlimmsten
Folgen ist. Wir finden unsern Helden in Gefangenschaft und noch dazu unter
der Last einer fürchterlichen Criminalanklage, welche dem Scheine nach nur zu
gegründet erscheint. Die kriminal-juristische Behandlung des Prozesses hat trockene
Fachmänner zur Diskussion und zur Anerkennung hingerissen.

Der vierte Theil führt uns Bruno politisch rehabilitirt und im Besitze
seiner Freiheit vor, während wir seinen Gegner Thieboldscgg durch des Fürsten
Kronenburgs Einfluß seiner politischen Laufbahn entrissen und in den Ruhestand
versetzt sehen. Dieser Schlag ist hart für den Ehrgeizigen, ein viel härterer
Schlag jedoch erwartet ihn noch, der zugleich Bruno treffen soll. CvrneliaS
Gesundheit, durch vielfache Gemüthserschütterungen untergraben, bereitet auf die
tragische Katastrophe vor, welche die Handlung abschließt: Cornelia erliegt den
unheilvollen Folgen ihrer durch des eignen Vaters Schuld gebrochenen Liebe,
gleichsam die Sühne für die Opfer des unseligen Zwistes, die Verklärung der
Jugend Brunos, dem sie im Leben nicht augehören konnte.

Wenn einst eine spätere Zeit die Geschichte dieser Jahre schreiben wird,
wird sie in Meißners Roman auch ein Document finden, welches zur Beurtheilung
und zum Verständniß der Zeitverhältnisse unentbehrlich sein dürfte. War "Ziska"
1846 ein Sturmvogel, eine Vorbote des heranziehenden Sturmes, so griff
"schwarzgelb" fast in ähnlicher Weise ansagend ein. Der Schmerzensruf der
österreichischen Volksstämme war darin zum Ausdrucke gekommen. In leiden¬
schaftsloser Weise, ohne Parteihaß, klar, voll echter Ueberzeugung fand man
diese scharf umrissenen Fresken, welche eine Reformcpvche ankündigten, gezeichnet,
ohne Tirade, ohne sogenannten "schönen Stil," im gesunden, undoctrinären Vor¬
trug essentieller Erfahrungsresnltate. "schwarzgelb" ist ein Volksroman
e^/i-/^.

Ein geistreicher Kritiker, S. Heller, faßte sein Urtheil über das Buch in
folgenden Worten zusammen: "Viele Jahre hindurch durfte in Oesterreich das
große Wort von der Nothwendigkeit einer freien Verfassung, von der Verwerf¬
lichkeit einer Volksbedrückung auf Kosten einer kleinen Menschenklasse nur schüchtern
ausgesprochen werden, nur verblümt und in den unverständlichsten Redewendungen
eingehüllt verhallte es unverständlich und unverstanden. Es ist Alfred Meißners
nicht hoch genug anzuschlagendes Verdienst, das dumpfe Schweigen gebrochen
und in seinem düstern, aber mächtig aufgebauten "schwarzgelb" die UnHalt¬
barkeit solcher Zustände selbst für jene durch die Fortdauer dieser Zustände schein¬
bar bevorzugten Wenigen aufgezeigt zu haben. Da war er endlich heraus, der
Gedanke, der wie ein Alp jede Brust beklemmte: So können wir nicht länger aus¬
halten. Das geniale Buch hat rasch unter der edlern Volksliteratur sich einen
ersten Platz errungen."


Alfred Meißner.

Durch Verrath der eifersüchtigen Leonie Greifenstein erhält Thicboldsegg
die erste Mahnung in Bezug auf die Liebe seiner Tochter zu Bruno, was für
diesen bei seiner Rückkehr nach Oesterreich (dritter Theil) von den schlimmsten
Folgen ist. Wir finden unsern Helden in Gefangenschaft und noch dazu unter
der Last einer fürchterlichen Criminalanklage, welche dem Scheine nach nur zu
gegründet erscheint. Die kriminal-juristische Behandlung des Prozesses hat trockene
Fachmänner zur Diskussion und zur Anerkennung hingerissen.

Der vierte Theil führt uns Bruno politisch rehabilitirt und im Besitze
seiner Freiheit vor, während wir seinen Gegner Thieboldscgg durch des Fürsten
Kronenburgs Einfluß seiner politischen Laufbahn entrissen und in den Ruhestand
versetzt sehen. Dieser Schlag ist hart für den Ehrgeizigen, ein viel härterer
Schlag jedoch erwartet ihn noch, der zugleich Bruno treffen soll. CvrneliaS
Gesundheit, durch vielfache Gemüthserschütterungen untergraben, bereitet auf die
tragische Katastrophe vor, welche die Handlung abschließt: Cornelia erliegt den
unheilvollen Folgen ihrer durch des eignen Vaters Schuld gebrochenen Liebe,
gleichsam die Sühne für die Opfer des unseligen Zwistes, die Verklärung der
Jugend Brunos, dem sie im Leben nicht augehören konnte.

Wenn einst eine spätere Zeit die Geschichte dieser Jahre schreiben wird,
wird sie in Meißners Roman auch ein Document finden, welches zur Beurtheilung
und zum Verständniß der Zeitverhältnisse unentbehrlich sein dürfte. War „Ziska"
1846 ein Sturmvogel, eine Vorbote des heranziehenden Sturmes, so griff
„schwarzgelb" fast in ähnlicher Weise ansagend ein. Der Schmerzensruf der
österreichischen Volksstämme war darin zum Ausdrucke gekommen. In leiden¬
schaftsloser Weise, ohne Parteihaß, klar, voll echter Ueberzeugung fand man
diese scharf umrissenen Fresken, welche eine Reformcpvche ankündigten, gezeichnet,
ohne Tirade, ohne sogenannten „schönen Stil," im gesunden, undoctrinären Vor¬
trug essentieller Erfahrungsresnltate. „schwarzgelb" ist ein Volksroman
e^/i-/^.

Ein geistreicher Kritiker, S. Heller, faßte sein Urtheil über das Buch in
folgenden Worten zusammen: „Viele Jahre hindurch durfte in Oesterreich das
große Wort von der Nothwendigkeit einer freien Verfassung, von der Verwerf¬
lichkeit einer Volksbedrückung auf Kosten einer kleinen Menschenklasse nur schüchtern
ausgesprochen werden, nur verblümt und in den unverständlichsten Redewendungen
eingehüllt verhallte es unverständlich und unverstanden. Es ist Alfred Meißners
nicht hoch genug anzuschlagendes Verdienst, das dumpfe Schweigen gebrochen
und in seinem düstern, aber mächtig aufgebauten „schwarzgelb" die UnHalt¬
barkeit solcher Zustände selbst für jene durch die Fortdauer dieser Zustände schein¬
bar bevorzugten Wenigen aufgezeigt zu haben. Da war er endlich heraus, der
Gedanke, der wie ein Alp jede Brust beklemmte: So können wir nicht länger aus¬
halten. Das geniale Buch hat rasch unter der edlern Volksliteratur sich einen
ersten Platz errungen."


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[0214] Alfred Meißner. Durch Verrath der eifersüchtigen Leonie Greifenstein erhält Thicboldsegg die erste Mahnung in Bezug auf die Liebe seiner Tochter zu Bruno, was für diesen bei seiner Rückkehr nach Oesterreich (dritter Theil) von den schlimmsten Folgen ist. Wir finden unsern Helden in Gefangenschaft und noch dazu unter der Last einer fürchterlichen Criminalanklage, welche dem Scheine nach nur zu gegründet erscheint. Die kriminal-juristische Behandlung des Prozesses hat trockene Fachmänner zur Diskussion und zur Anerkennung hingerissen. Der vierte Theil führt uns Bruno politisch rehabilitirt und im Besitze seiner Freiheit vor, während wir seinen Gegner Thieboldscgg durch des Fürsten Kronenburgs Einfluß seiner politischen Laufbahn entrissen und in den Ruhestand versetzt sehen. Dieser Schlag ist hart für den Ehrgeizigen, ein viel härterer Schlag jedoch erwartet ihn noch, der zugleich Bruno treffen soll. CvrneliaS Gesundheit, durch vielfache Gemüthserschütterungen untergraben, bereitet auf die tragische Katastrophe vor, welche die Handlung abschließt: Cornelia erliegt den unheilvollen Folgen ihrer durch des eignen Vaters Schuld gebrochenen Liebe, gleichsam die Sühne für die Opfer des unseligen Zwistes, die Verklärung der Jugend Brunos, dem sie im Leben nicht augehören konnte. Wenn einst eine spätere Zeit die Geschichte dieser Jahre schreiben wird, wird sie in Meißners Roman auch ein Document finden, welches zur Beurtheilung und zum Verständniß der Zeitverhältnisse unentbehrlich sein dürfte. War „Ziska" 1846 ein Sturmvogel, eine Vorbote des heranziehenden Sturmes, so griff „schwarzgelb" fast in ähnlicher Weise ansagend ein. Der Schmerzensruf der österreichischen Volksstämme war darin zum Ausdrucke gekommen. In leiden¬ schaftsloser Weise, ohne Parteihaß, klar, voll echter Ueberzeugung fand man diese scharf umrissenen Fresken, welche eine Reformcpvche ankündigten, gezeichnet, ohne Tirade, ohne sogenannten „schönen Stil," im gesunden, undoctrinären Vor¬ trug essentieller Erfahrungsresnltate. „schwarzgelb" ist ein Volksroman e^/i-/^. Ein geistreicher Kritiker, S. Heller, faßte sein Urtheil über das Buch in folgenden Worten zusammen: „Viele Jahre hindurch durfte in Oesterreich das große Wort von der Nothwendigkeit einer freien Verfassung, von der Verwerf¬ lichkeit einer Volksbedrückung auf Kosten einer kleinen Menschenklasse nur schüchtern ausgesprochen werden, nur verblümt und in den unverständlichsten Redewendungen eingehüllt verhallte es unverständlich und unverstanden. Es ist Alfred Meißners nicht hoch genug anzuschlagendes Verdienst, das dumpfe Schweigen gebrochen und in seinem düstern, aber mächtig aufgebauten „schwarzgelb" die UnHalt¬ barkeit solcher Zustände selbst für jene durch die Fortdauer dieser Zustände schein¬ bar bevorzugten Wenigen aufgezeigt zu haben. Da war er endlich heraus, der Gedanke, der wie ein Alp jede Brust beklemmte: So können wir nicht länger aus¬ halten. Das geniale Buch hat rasch unter der edlern Volksliteratur sich einen ersten Platz errungen."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/214>, abgerufen am 01.09.2024.