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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Die Entwicklung der Leudcilität und das deutsche Kriegswesen im frühen Mittelalter.

sich nur in den nördlichen Gebieten, zumal in Holstein, bis in das 12. Jahr¬
hundert erhielt. Diese Heranziehung der sächsischen Bauernschaften zum Na߬
dienst wird natürlich besonders der leichte" Reiterei zugute gekommen sein.

Neben der Verstärkung der Wehrkraft aber handelte es sich um die Ein¬
richtung und Vertheidigung fester Plätze. In dieser Beziehung war auf
deutschem Baden nach viel zu thun. Befänden sich doch die alten Römerstädte
nur theilweise uoch im Besitze ihrer Mauern; neu empvrgekommne größere Wohn-
stätten an den Pfalzen der Könige, den Bischofssitzen, Klöstern oder günstig
gelegenen Verkehrsplätzen waren nur ausnahmsweise befestigt und einem "Burg¬
grafen" nebst einem Gefolge ritterlicher Ministerialen (vurMNMs) zur Hut über¬
geben. An den Nord- und Ostgrenzen bestanden Wohl einzelne Castelle zum
Schutze gegen plötzliche Einfälle; aber diese Anlagen waren weder zahlreich noch
von bedeutendem Umfange. Solange die deutsche Streitmacht jedoch nicht im
Stande war, den Magyaren gegenüber das freie Feld zu halten, gewährten
uur feste Plätze Schutz gegen die Ueberfälle der Barbaren, und so wurden denn
eben während der Ungarnkriege vielfach die Mauern alter Römerstädte wieder
hergestellt, die Vertheidigungseiurichtuugen der Pfalzstädte verbessert und neue
Anlagen zum Schutze der Marken geschaffen. Und namentlich in letzterm
Sinne griff König Heinrich ein, dessen Maßnahmen, die sich allerdings vorzugs¬
weise, ja vielleicht ausschließlich auf Sachsen bezogen, bald überschätzt, bald un¬
gebührlich herabgesetzt worden sind.

Die Hauptsache war, daß die größer" Wohnplätze mit Mauer und Graben
umgeben sowie mit regelmäßiger Besatzung versehen wurden. Von Hersfeld und
Merseburg ist es gewiß, von Quedlinburg, Corvei und einigen andern Orten
höchst wahrscheinlich, daß sie damals befestigt ivurdeu. Auf eroberten slavische"
Boden ward Meißen angelegt. Sicherlich wurde" damals jedoch auch uoch viele
andre Orte befestigt, von denen nur keine urkundliche Nachricht erhalten ist.
Zugleich traf Heinrich neue Maßregeln hinsichtlich der Besatzungsverhältnisse
wenigstens der ostsächsischen Städte. Von altersher war es Sitte, daß die in
der Umgebung einer Stadt (in der sogenannten Stadtmark) wohnenden Leute
den königlichen Besatzungstruppen, den vurg'ousch, sowohl bei Unterhaltung der
Befestigungswerke, als bei deren Vertheidigung zu Hilfe zu kommen hatten.
Nun hatte Heinrich nach seinen Siegen über die Wenden auf dem eroberten
Boden eine Menge seiner bäuerlichen Ministerialen (llseaiim) nach Art von
Militärevlonisten angesiedelt. Jetzt befahl er. daß je der neunte Mann dieser
ackerbauenden Krieger (sx -^nu-iis militibus) in der Stadt (urvs) Wohnung
"ahme, um seinen acht Genossen (Lonwnilw'ihrs) dort Herbergen einzurichten,
"> denen zugleich der dritte Theil ihrer Jahrcsernte aufzuspeichern sei. Den
dauernd in der uro wohnenden Bnrgmauu ernannte der König. Diese Anstalt,
so sehr sie auch an die altrömische Grenzvertheidigung erinnert, hat ihr nn-
wittelbares Vorbild wahrscheinlich nicht in dieser, sondern in einer sehr ähnliche"


Grcnzbvte" III. 1881. 25
Die Entwicklung der Leudcilität und das deutsche Kriegswesen im frühen Mittelalter.

sich nur in den nördlichen Gebieten, zumal in Holstein, bis in das 12. Jahr¬
hundert erhielt. Diese Heranziehung der sächsischen Bauernschaften zum Na߬
dienst wird natürlich besonders der leichte» Reiterei zugute gekommen sein.

Neben der Verstärkung der Wehrkraft aber handelte es sich um die Ein¬
richtung und Vertheidigung fester Plätze. In dieser Beziehung war auf
deutschem Baden nach viel zu thun. Befänden sich doch die alten Römerstädte
nur theilweise uoch im Besitze ihrer Mauern; neu empvrgekommne größere Wohn-
stätten an den Pfalzen der Könige, den Bischofssitzen, Klöstern oder günstig
gelegenen Verkehrsplätzen waren nur ausnahmsweise befestigt und einem „Burg¬
grafen" nebst einem Gefolge ritterlicher Ministerialen (vurMNMs) zur Hut über¬
geben. An den Nord- und Ostgrenzen bestanden Wohl einzelne Castelle zum
Schutze gegen plötzliche Einfälle; aber diese Anlagen waren weder zahlreich noch
von bedeutendem Umfange. Solange die deutsche Streitmacht jedoch nicht im
Stande war, den Magyaren gegenüber das freie Feld zu halten, gewährten
uur feste Plätze Schutz gegen die Ueberfälle der Barbaren, und so wurden denn
eben während der Ungarnkriege vielfach die Mauern alter Römerstädte wieder
hergestellt, die Vertheidigungseiurichtuugen der Pfalzstädte verbessert und neue
Anlagen zum Schutze der Marken geschaffen. Und namentlich in letzterm
Sinne griff König Heinrich ein, dessen Maßnahmen, die sich allerdings vorzugs¬
weise, ja vielleicht ausschließlich auf Sachsen bezogen, bald überschätzt, bald un¬
gebührlich herabgesetzt worden sind.

Die Hauptsache war, daß die größer» Wohnplätze mit Mauer und Graben
umgeben sowie mit regelmäßiger Besatzung versehen wurden. Von Hersfeld und
Merseburg ist es gewiß, von Quedlinburg, Corvei und einigen andern Orten
höchst wahrscheinlich, daß sie damals befestigt ivurdeu. Auf eroberten slavische»
Boden ward Meißen angelegt. Sicherlich wurde» damals jedoch auch uoch viele
andre Orte befestigt, von denen nur keine urkundliche Nachricht erhalten ist.
Zugleich traf Heinrich neue Maßregeln hinsichtlich der Besatzungsverhältnisse
wenigstens der ostsächsischen Städte. Von altersher war es Sitte, daß die in
der Umgebung einer Stadt (in der sogenannten Stadtmark) wohnenden Leute
den königlichen Besatzungstruppen, den vurg'ousch, sowohl bei Unterhaltung der
Befestigungswerke, als bei deren Vertheidigung zu Hilfe zu kommen hatten.
Nun hatte Heinrich nach seinen Siegen über die Wenden auf dem eroberten
Boden eine Menge seiner bäuerlichen Ministerialen (llseaiim) nach Art von
Militärevlonisten angesiedelt. Jetzt befahl er. daß je der neunte Mann dieser
ackerbauenden Krieger (sx -^nu-iis militibus) in der Stadt (urvs) Wohnung
»ahme, um seinen acht Genossen (Lonwnilw'ihrs) dort Herbergen einzurichten,
"> denen zugleich der dritte Theil ihrer Jahrcsernte aufzuspeichern sei. Den
dauernd in der uro wohnenden Bnrgmauu ernannte der König. Diese Anstalt,
so sehr sie auch an die altrömische Grenzvertheidigung erinnert, hat ihr nn-
wittelbares Vorbild wahrscheinlich nicht in dieser, sondern in einer sehr ähnliche»


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[0201] Die Entwicklung der Leudcilität und das deutsche Kriegswesen im frühen Mittelalter. sich nur in den nördlichen Gebieten, zumal in Holstein, bis in das 12. Jahr¬ hundert erhielt. Diese Heranziehung der sächsischen Bauernschaften zum Na߬ dienst wird natürlich besonders der leichte» Reiterei zugute gekommen sein. Neben der Verstärkung der Wehrkraft aber handelte es sich um die Ein¬ richtung und Vertheidigung fester Plätze. In dieser Beziehung war auf deutschem Baden nach viel zu thun. Befänden sich doch die alten Römerstädte nur theilweise uoch im Besitze ihrer Mauern; neu empvrgekommne größere Wohn- stätten an den Pfalzen der Könige, den Bischofssitzen, Klöstern oder günstig gelegenen Verkehrsplätzen waren nur ausnahmsweise befestigt und einem „Burg¬ grafen" nebst einem Gefolge ritterlicher Ministerialen (vurMNMs) zur Hut über¬ geben. An den Nord- und Ostgrenzen bestanden Wohl einzelne Castelle zum Schutze gegen plötzliche Einfälle; aber diese Anlagen waren weder zahlreich noch von bedeutendem Umfange. Solange die deutsche Streitmacht jedoch nicht im Stande war, den Magyaren gegenüber das freie Feld zu halten, gewährten uur feste Plätze Schutz gegen die Ueberfälle der Barbaren, und so wurden denn eben während der Ungarnkriege vielfach die Mauern alter Römerstädte wieder hergestellt, die Vertheidigungseiurichtuugen der Pfalzstädte verbessert und neue Anlagen zum Schutze der Marken geschaffen. Und namentlich in letzterm Sinne griff König Heinrich ein, dessen Maßnahmen, die sich allerdings vorzugs¬ weise, ja vielleicht ausschließlich auf Sachsen bezogen, bald überschätzt, bald un¬ gebührlich herabgesetzt worden sind. Die Hauptsache war, daß die größer» Wohnplätze mit Mauer und Graben umgeben sowie mit regelmäßiger Besatzung versehen wurden. Von Hersfeld und Merseburg ist es gewiß, von Quedlinburg, Corvei und einigen andern Orten höchst wahrscheinlich, daß sie damals befestigt ivurdeu. Auf eroberten slavische» Boden ward Meißen angelegt. Sicherlich wurde» damals jedoch auch uoch viele andre Orte befestigt, von denen nur keine urkundliche Nachricht erhalten ist. Zugleich traf Heinrich neue Maßregeln hinsichtlich der Besatzungsverhältnisse wenigstens der ostsächsischen Städte. Von altersher war es Sitte, daß die in der Umgebung einer Stadt (in der sogenannten Stadtmark) wohnenden Leute den königlichen Besatzungstruppen, den vurg'ousch, sowohl bei Unterhaltung der Befestigungswerke, als bei deren Vertheidigung zu Hilfe zu kommen hatten. Nun hatte Heinrich nach seinen Siegen über die Wenden auf dem eroberten Boden eine Menge seiner bäuerlichen Ministerialen (llseaiim) nach Art von Militärevlonisten angesiedelt. Jetzt befahl er. daß je der neunte Mann dieser ackerbauenden Krieger (sx -^nu-iis militibus) in der Stadt (urvs) Wohnung »ahme, um seinen acht Genossen (Lonwnilw'ihrs) dort Herbergen einzurichten, "> denen zugleich der dritte Theil ihrer Jahrcsernte aufzuspeichern sei. Den dauernd in der uro wohnenden Bnrgmauu ernannte der König. Diese Anstalt, so sehr sie auch an die altrömische Grenzvertheidigung erinnert, hat ihr nn- wittelbares Vorbild wahrscheinlich nicht in dieser, sondern in einer sehr ähnliche» Grcnzbvte» III. 1881. 25

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/201>, abgerufen am 25.11.2024.