Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.Hannovers Ende und Herr tNeding. much gewöhnlichen Begriffen nicht gehörte, bleibe dahingestellt, Doch werden Ein weitrer Charakterzug Georgs war seine maßlose Herrschsucht, die selbst Sehr bezeichnend für seine Auffassung der Regentenpflichten ist folgendes. Hannovers Ende und Herr tNeding. much gewöhnlichen Begriffen nicht gehörte, bleibe dahingestellt, Doch werden Ein weitrer Charakterzug Georgs war seine maßlose Herrschsucht, die selbst Sehr bezeichnend für seine Auffassung der Regentenpflichten ist folgendes. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0190" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150340"/> <fw type="header" place="top"> Hannovers Ende und Herr tNeding.</fw><lb/> <p xml:id="ID_641" prev="#ID_640"> much gewöhnlichen Begriffen nicht gehörte, bleibe dahingestellt, Doch werden<lb/> schon wegen der mehr als salbungsvollen, oft pomphaften Redeweise, in der sie<lb/> sich äußerte, und wegen des Umstandes, daß sich mit deu gottseliger Phrasen<lb/> des Königs fast immer solche von der Herrlichkeit des Welfeuhauses verschlangen,<lb/> Zweifel an ihrer Echtheit erlaubt sein, Hochmuth vor deu Menschen verträgt<lb/> sich wohl kaum mit Demuth vor Gott, „Mit heißen Gebeten für die Kirche,<lb/> die Gemeinde und mein Volk," so schloß der König seinen Sermon bei der Grund¬<lb/> steinlegung der Christuskirche zu Hannover, „ihn innig auflesend, daß das alte<lb/> Band des wölfischen Herrschers mit seinen Landen in vereinigter Glaubenswärine<lb/> sie bis zu jenem Tage umschlingen möge, wo wir zusammen vor unserm göttlichen<lb/> Heilande erscheinen und durch sein theures Blut, welches er für uns am Kreuze<lb/> vergossen, die Segnungen der Seligkeit erhalten, lege ich den Grundstein" n, s. w.<lb/> Und in einer Anrede an Missionäre, die von Hermannsburg zur Seelcufischerei<lb/> im Heidcnlcmde auszogen, sprach Georg die Meinung aus, daß die Lage seines<lb/> Reiches „den Willen und die Absicht Gottes bekunde, daß das welfische Haus<lb/> und sein Land mit voller Kraft thätig sei, sein göttliches Wort in fremden Welt¬<lb/> theilen auszubreiten, damit der Herr an dem Tage, wo er erscheinen werde, in<lb/> allen Ländern Gläubige finde, die ihm froh entgegenkommen."</p><lb/> <p xml:id="ID_642"> Ein weitrer Charakterzug Georgs war seine maßlose Herrschsucht, die selbst<lb/> über die Grenze hinausstreben, welche sehr nachgiebige Minister für nothwendig<lb/> hielten, die hinter dem Rücken derselben allerlei Geschäfte abmachte und sich bis<lb/> auf unbedeutende Details erstreckte. Bei einem vortrefflichen Gedächtniß, welches<lb/> besonders für Lvyalitätsbezeugnngen und deren Gegentheil empfänglich war, war<lb/> der König mit dieser Neigung, in allen Dingen selbst zu entscheiden, ein Schrecken<lb/> der Beamten unterer Grade und ein höchst unbequemer Herr für seine obersten<lb/> Räthe, Seinen Ministern Jmmediatbefchle zukommen zu lassen, die deren An¬<lb/> sichten direct widersprachen, scheint ihm förmlich Vergnügen gemacht zu haben.<lb/> Die Militürfragcn entschied er, namentlich in den letzten Jahren, ohne den Kriegs¬<lb/> minister, der gegen solche Beiseitesetznng unempfindlich war, mit einem der Prinzen<lb/> Solms. In das Departement des Innern griff er auf Grund von Rathschlägen<lb/> Mcdings ein. Selbst die Justiz versuchte er zu beeinflussen.</p><lb/> <p xml:id="ID_643" next="#ID_644"> Sehr bezeichnend für seine Auffassung der Regentenpflichten ist folgendes.<lb/> 1859 hatte die Regierung der Stadt Emden Erweiterung der dortigen Schleuße<lb/> und Verlegung des Fahrwassers versprochen, Maßregeln, die für ganz Ostfries-<lb/> land hoch nothwendig waren. Nun aber hatten um diese Zeit Bennigsen und<lb/> Genossen eine Erklärung über die deutschen Dinge abgegeben, welche Anlaß zur<lb/> Entstehung des Nationalvereins, in der Hofsprache von Herrenhausen zu reden,<lb/> des „Schluckervereins" wurde. Auf Befehl des hierüber äußerst erzürnten Königs<lb/> schritt man sofort gegen alle ein, die sich dieser Resolution angeschlossen. Den<lb/> Fabrikanten und Handwerkern unter ihnen wurden die Regierungsarbeiten ent¬<lb/> zogen, den Beamte» von nationaler Richtung schnitt man das Aufrücken ab,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0190]
Hannovers Ende und Herr tNeding.
much gewöhnlichen Begriffen nicht gehörte, bleibe dahingestellt, Doch werden
schon wegen der mehr als salbungsvollen, oft pomphaften Redeweise, in der sie
sich äußerte, und wegen des Umstandes, daß sich mit deu gottseliger Phrasen
des Königs fast immer solche von der Herrlichkeit des Welfeuhauses verschlangen,
Zweifel an ihrer Echtheit erlaubt sein, Hochmuth vor deu Menschen verträgt
sich wohl kaum mit Demuth vor Gott, „Mit heißen Gebeten für die Kirche,
die Gemeinde und mein Volk," so schloß der König seinen Sermon bei der Grund¬
steinlegung der Christuskirche zu Hannover, „ihn innig auflesend, daß das alte
Band des wölfischen Herrschers mit seinen Landen in vereinigter Glaubenswärine
sie bis zu jenem Tage umschlingen möge, wo wir zusammen vor unserm göttlichen
Heilande erscheinen und durch sein theures Blut, welches er für uns am Kreuze
vergossen, die Segnungen der Seligkeit erhalten, lege ich den Grundstein" n, s. w.
Und in einer Anrede an Missionäre, die von Hermannsburg zur Seelcufischerei
im Heidcnlcmde auszogen, sprach Georg die Meinung aus, daß die Lage seines
Reiches „den Willen und die Absicht Gottes bekunde, daß das welfische Haus
und sein Land mit voller Kraft thätig sei, sein göttliches Wort in fremden Welt¬
theilen auszubreiten, damit der Herr an dem Tage, wo er erscheinen werde, in
allen Ländern Gläubige finde, die ihm froh entgegenkommen."
Ein weitrer Charakterzug Georgs war seine maßlose Herrschsucht, die selbst
über die Grenze hinausstreben, welche sehr nachgiebige Minister für nothwendig
hielten, die hinter dem Rücken derselben allerlei Geschäfte abmachte und sich bis
auf unbedeutende Details erstreckte. Bei einem vortrefflichen Gedächtniß, welches
besonders für Lvyalitätsbezeugnngen und deren Gegentheil empfänglich war, war
der König mit dieser Neigung, in allen Dingen selbst zu entscheiden, ein Schrecken
der Beamten unterer Grade und ein höchst unbequemer Herr für seine obersten
Räthe, Seinen Ministern Jmmediatbefchle zukommen zu lassen, die deren An¬
sichten direct widersprachen, scheint ihm förmlich Vergnügen gemacht zu haben.
Die Militürfragcn entschied er, namentlich in den letzten Jahren, ohne den Kriegs¬
minister, der gegen solche Beiseitesetznng unempfindlich war, mit einem der Prinzen
Solms. In das Departement des Innern griff er auf Grund von Rathschlägen
Mcdings ein. Selbst die Justiz versuchte er zu beeinflussen.
Sehr bezeichnend für seine Auffassung der Regentenpflichten ist folgendes.
1859 hatte die Regierung der Stadt Emden Erweiterung der dortigen Schleuße
und Verlegung des Fahrwassers versprochen, Maßregeln, die für ganz Ostfries-
land hoch nothwendig waren. Nun aber hatten um diese Zeit Bennigsen und
Genossen eine Erklärung über die deutschen Dinge abgegeben, welche Anlaß zur
Entstehung des Nationalvereins, in der Hofsprache von Herrenhausen zu reden,
des „Schluckervereins" wurde. Auf Befehl des hierüber äußerst erzürnten Königs
schritt man sofort gegen alle ein, die sich dieser Resolution angeschlossen. Den
Fabrikanten und Handwerkern unter ihnen wurden die Regierungsarbeiten ent¬
zogen, den Beamte» von nationaler Richtung schnitt man das Aufrücken ab,
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