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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Literatur,

Marquis (!) von Mainteiicm." S. 147: "Karl VI, war der Vater der berühmten
Kaiserin Marin Theresia von Oesterreich, um deren (!) willen 1740 die (!) schlesischen
Kriege entbrannten," S, 166 heißt es gelegentlich einiger französischen Worte,''die
Natzmcr braucht: "Dies eine Probe des Altfranzvsisch (!), welches sich erst gegen
die Mitte des 13, Jahrhunderts etwas verbesserte (!), Die Zahl solcher "Er¬
läuterungen" ließe sich leicht vergrößern.


Kreuziget ihn! Welsche Reiseabenteuer nach den Papieren eines Verstorbenen,
herausgegeben von Rudolf Kleinpaul, Leipzig, Wilhelm Friedrich, 1881,

Die Lebensschicksale eines Verstorbenen sollen hier nach seinen eignen Aufzeich¬
nungen geschildert werden. Der Verstorbene wird der Cherubinische Wandersmann
genannt und war, nach der Vorrede zu urtheilen, ein Mann, dessen Erlebnisse unser
Interesse wohl erwecken könnten. "War das'ein Mensch," heißt es da, "dieser
Cherubinische Wandersmann, also in der deutschen Künstlergesellschaft scherzweise
gleich dem schlesischen Engel zubenamst! Wie spielte er mit dein Leben! Wie war
er hineingestürmt in die Welt! Was hatte er alles erlebt, so ganz zufällig erlebt!
Ein geborner Aventnros. Da zum Beispiel sein Roman mit der Florentinern!,
war das nicht phänomenal? Immer und immerwieder dem Dämon in die Arme
geworfen werden, als ob sie zusammengekettet wären! -- Es ist wahr, er hatte
auch den Kopf darnach; unter seinen Händen nahm eben alles, alles eine romantische
Gestalt und Farbe an," Man würde aber sehr irren, wenn man etwa glaubte,
einen Don Juan vor sich zu haben. Im Gegentheil, der Cherubinische Wanders¬
mann ist ein wohl erzogncr, recht solider und vor allem lehr- und lernbegieriger
Mann, der allerdings in Frankreich und Italien in einige Liebesabenteuer verwickelt
wird, aber dabei doch mehr eine passive Rolle spielt, ja sogar als der düpirte er¬
scheint, Auch viel Romantik ist an dem Helden nicht zu finden. Er unterhält
seine erste Angebetete über Themata, die selbst die vorsichtigste Mutter gestatten
würde, z. B. über Bettelei und deren Heilmittel, über holländische Armcuanstalteu
und Armencolonicu, über Spiritismus u. s. f., und als er nach dem unglücklichen
Ende seiner ersten Liebe die Geschichte derselben einem Franzosen erzählt, unterbricht
er sich anch hier, um nebenher die Einrichtung der Trappistenklöster und die Ge¬
schichte des Ordens, das Pariser Straßenleben, die letzten Augenblicke Troppmanns,
der die Familie Kirk in Paulin ermordete, und wer weiß was alles noch zu schildern.
Schließt dann der Erzähler mit den Worten: "Die Erinnerung fuhr mit schaudernder
Hand über alle Saiten meiner Seele und, meine Augen füllten sich mit Thränen,"
so ist das doch etwas schwer zu glauben.

Die Liebesgeschichte erscheint uns überhaupt in dem ganzen Buche nur als
Beigabe, und die Fenilletvnartikel, die sich um die Chernbinischen Erlebnisse an¬
schließen, als die Hauptsache. Sehen wir von dieser etwas losen und gezwungnen
Verbindung, die jene Artikel erhalten haben, ab, so bleiben eine Anzahl von Schilde¬
rungen aus dem Leben der südlichen Volker, namentlich der Italiener übrig, die man
immerhin mit Interesse lesen wird. Ist anch die Darstellung um vielen Stellen
etwas breit, so wird man doch nicht ungern dem unermüdlichen, gewandten Erzähler
folgen, der offenbar viel gesehen, gehört und gelesen hat. Auseinanderzusetzen,
woher der wunderliche Titel des Buches stammt, würde uns zu weit führen und
schließlich nicht der Mühe lohnen.




Für die Redaction verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Aerlcig von F. L. Herbig in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Rendnih Leipzig.
Literatur,

Marquis (!) von Mainteiicm." S. 147: „Karl VI, war der Vater der berühmten
Kaiserin Marin Theresia von Oesterreich, um deren (!) willen 1740 die (!) schlesischen
Kriege entbrannten," S, 166 heißt es gelegentlich einiger französischen Worte,''die
Natzmcr braucht: „Dies eine Probe des Altfranzvsisch (!), welches sich erst gegen
die Mitte des 13, Jahrhunderts etwas verbesserte (!), Die Zahl solcher „Er¬
läuterungen" ließe sich leicht vergrößern.


Kreuziget ihn! Welsche Reiseabenteuer nach den Papieren eines Verstorbenen,
herausgegeben von Rudolf Kleinpaul, Leipzig, Wilhelm Friedrich, 1881,

Die Lebensschicksale eines Verstorbenen sollen hier nach seinen eignen Aufzeich¬
nungen geschildert werden. Der Verstorbene wird der Cherubinische Wandersmann
genannt und war, nach der Vorrede zu urtheilen, ein Mann, dessen Erlebnisse unser
Interesse wohl erwecken könnten. „War das'ein Mensch," heißt es da, „dieser
Cherubinische Wandersmann, also in der deutschen Künstlergesellschaft scherzweise
gleich dem schlesischen Engel zubenamst! Wie spielte er mit dein Leben! Wie war
er hineingestürmt in die Welt! Was hatte er alles erlebt, so ganz zufällig erlebt!
Ein geborner Aventnros. Da zum Beispiel sein Roman mit der Florentinern!,
war das nicht phänomenal? Immer und immerwieder dem Dämon in die Arme
geworfen werden, als ob sie zusammengekettet wären! — Es ist wahr, er hatte
auch den Kopf darnach; unter seinen Händen nahm eben alles, alles eine romantische
Gestalt und Farbe an," Man würde aber sehr irren, wenn man etwa glaubte,
einen Don Juan vor sich zu haben. Im Gegentheil, der Cherubinische Wanders¬
mann ist ein wohl erzogncr, recht solider und vor allem lehr- und lernbegieriger
Mann, der allerdings in Frankreich und Italien in einige Liebesabenteuer verwickelt
wird, aber dabei doch mehr eine passive Rolle spielt, ja sogar als der düpirte er¬
scheint, Auch viel Romantik ist an dem Helden nicht zu finden. Er unterhält
seine erste Angebetete über Themata, die selbst die vorsichtigste Mutter gestatten
würde, z. B. über Bettelei und deren Heilmittel, über holländische Armcuanstalteu
und Armencolonicu, über Spiritismus u. s. f., und als er nach dem unglücklichen
Ende seiner ersten Liebe die Geschichte derselben einem Franzosen erzählt, unterbricht
er sich anch hier, um nebenher die Einrichtung der Trappistenklöster und die Ge¬
schichte des Ordens, das Pariser Straßenleben, die letzten Augenblicke Troppmanns,
der die Familie Kirk in Paulin ermordete, und wer weiß was alles noch zu schildern.
Schließt dann der Erzähler mit den Worten: „Die Erinnerung fuhr mit schaudernder
Hand über alle Saiten meiner Seele und, meine Augen füllten sich mit Thränen,"
so ist das doch etwas schwer zu glauben.

Die Liebesgeschichte erscheint uns überhaupt in dem ganzen Buche nur als
Beigabe, und die Fenilletvnartikel, die sich um die Chernbinischen Erlebnisse an¬
schließen, als die Hauptsache. Sehen wir von dieser etwas losen und gezwungnen
Verbindung, die jene Artikel erhalten haben, ab, so bleiben eine Anzahl von Schilde¬
rungen aus dem Leben der südlichen Volker, namentlich der Italiener übrig, die man
immerhin mit Interesse lesen wird. Ist anch die Darstellung um vielen Stellen
etwas breit, so wird man doch nicht ungern dem unermüdlichen, gewandten Erzähler
folgen, der offenbar viel gesehen, gehört und gelesen hat. Auseinanderzusetzen,
woher der wunderliche Titel des Buches stammt, würde uns zu weit führen und
schließlich nicht der Mühe lohnen.




Für die Redaction verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Aerlcig von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Rendnih Leipzig.
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[0184] Literatur, Marquis (!) von Mainteiicm." S. 147: „Karl VI, war der Vater der berühmten Kaiserin Marin Theresia von Oesterreich, um deren (!) willen 1740 die (!) schlesischen Kriege entbrannten," S, 166 heißt es gelegentlich einiger französischen Worte,''die Natzmcr braucht: „Dies eine Probe des Altfranzvsisch (!), welches sich erst gegen die Mitte des 13, Jahrhunderts etwas verbesserte (!), Die Zahl solcher „Er¬ läuterungen" ließe sich leicht vergrößern. Kreuziget ihn! Welsche Reiseabenteuer nach den Papieren eines Verstorbenen, herausgegeben von Rudolf Kleinpaul, Leipzig, Wilhelm Friedrich, 1881, Die Lebensschicksale eines Verstorbenen sollen hier nach seinen eignen Aufzeich¬ nungen geschildert werden. Der Verstorbene wird der Cherubinische Wandersmann genannt und war, nach der Vorrede zu urtheilen, ein Mann, dessen Erlebnisse unser Interesse wohl erwecken könnten. „War das'ein Mensch," heißt es da, „dieser Cherubinische Wandersmann, also in der deutschen Künstlergesellschaft scherzweise gleich dem schlesischen Engel zubenamst! Wie spielte er mit dein Leben! Wie war er hineingestürmt in die Welt! Was hatte er alles erlebt, so ganz zufällig erlebt! Ein geborner Aventnros. Da zum Beispiel sein Roman mit der Florentinern!, war das nicht phänomenal? Immer und immerwieder dem Dämon in die Arme geworfen werden, als ob sie zusammengekettet wären! — Es ist wahr, er hatte auch den Kopf darnach; unter seinen Händen nahm eben alles, alles eine romantische Gestalt und Farbe an," Man würde aber sehr irren, wenn man etwa glaubte, einen Don Juan vor sich zu haben. Im Gegentheil, der Cherubinische Wanders¬ mann ist ein wohl erzogncr, recht solider und vor allem lehr- und lernbegieriger Mann, der allerdings in Frankreich und Italien in einige Liebesabenteuer verwickelt wird, aber dabei doch mehr eine passive Rolle spielt, ja sogar als der düpirte er¬ scheint, Auch viel Romantik ist an dem Helden nicht zu finden. Er unterhält seine erste Angebetete über Themata, die selbst die vorsichtigste Mutter gestatten würde, z. B. über Bettelei und deren Heilmittel, über holländische Armcuanstalteu und Armencolonicu, über Spiritismus u. s. f., und als er nach dem unglücklichen Ende seiner ersten Liebe die Geschichte derselben einem Franzosen erzählt, unterbricht er sich anch hier, um nebenher die Einrichtung der Trappistenklöster und die Ge¬ schichte des Ordens, das Pariser Straßenleben, die letzten Augenblicke Troppmanns, der die Familie Kirk in Paulin ermordete, und wer weiß was alles noch zu schildern. Schließt dann der Erzähler mit den Worten: „Die Erinnerung fuhr mit schaudernder Hand über alle Saiten meiner Seele und, meine Augen füllten sich mit Thränen," so ist das doch etwas schwer zu glauben. Die Liebesgeschichte erscheint uns überhaupt in dem ganzen Buche nur als Beigabe, und die Fenilletvnartikel, die sich um die Chernbinischen Erlebnisse an¬ schließen, als die Hauptsache. Sehen wir von dieser etwas losen und gezwungnen Verbindung, die jene Artikel erhalten haben, ab, so bleiben eine Anzahl von Schilde¬ rungen aus dem Leben der südlichen Volker, namentlich der Italiener übrig, die man immerhin mit Interesse lesen wird. Ist anch die Darstellung um vielen Stellen etwas breit, so wird man doch nicht ungern dem unermüdlichen, gewandten Erzähler folgen, der offenbar viel gesehen, gehört und gelesen hat. Auseinanderzusetzen, woher der wunderliche Titel des Buches stammt, würde uns zu weit führen und schließlich nicht der Mühe lohnen. Für die Redaction verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig. Aerlcig von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Rendnih Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/184>, abgerufen am 27.11.2024.