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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Der Pariser Salon.

"Lied der Neuvermählten," welches sich durch seinen reichen Humor viele Freunde
erworben hat, obwohl die Braut, welche an der Hochzeitstafel ihr Lied zum
besten giebt, nichts weniger als hübsch ist. Von großem cvloristischen Reiz waren
zwei dem Stoffe nahe verwandte Scenen, der "Fischpavillon in den Markthallen"
von Gilbert und eine "Fischauetion" von Goeneutte; den letztem zählt man,
wenn ich nicht irre, in Paris zu den verachteten Impressionisten, vermuthlich,
weil er seine Modelle nicht wäscht, bevor er sie malt. Während Goeneutte in
der Breite und Saftigkeit der Pinselführung, in dem kräftigen, leicht flüssigen
Colorit, in der einfachen und doch schlagend wahren Charakteristik der Thiere
so stark an Paul Meyerheim erinnert, daß man versucht ist, eine gegenseitige
Beeinflussung oder doch eine gemeinsame Quelle anzunehmen, hat Gilbert sowohl
in der schärfen, knorrigen Charakteristik als in der virtuosen Handhabung der
schwierigsten Lichteffeete etwas, das auf Menzel weist, der den Franzosen wahr¬
scheinlich inspirirt hat.

Den Schauspielern wird bekanntlich nichts schwerer, als auf der Bühne
Schauspieler darzustellen. Bei den Malern scheint das umgekehrte der Fall zu
sein. Wenn sie ihre Stoffe aus dem ungemrteu Leben in ihren Ateliers schöpfen,
pflegen sie fast immer einen glücklichen Griff zu thun. Ein halbes Dutzend
Maler hatte sich in diesem Jahre an Atelicrbildern versucht, und jeder wußte
dem Stoffe eine andre Seite abzugewinnen. Dubois läßt den Maler in seinem
Atelier den Gesang einer jungen Dame auf dem Flügel begleiten, Lompard,
welcher in der schweren, düstern Art Munkaesys malt, schildert den erstell Besuch
eines Modells in Begleitung ihrer Mutter, und Dcmtan, der talentvollste von
den dreien, hat den Moment festgehalten, wie das Modell, ein junges nuinuthiges
Mädchen, sein Frühstück einnimmt, während der Maler, die Palette in der Hand,
seine Pinsel prüft -- eine Seene, mit der größten Einfachheit und Anspruchs¬
losigkeit vorgetragen und doch von unbeschreiblichem Reiz, besonders dadurch,
daß das einfallende Sonnenlicht den Kopf des antik evstümirtcn Mädchens mit
einer Gloriole umgiebt.

Originalität der Erfindung kann man auch einem Bilde von Nonffio nicht
absprechen. Auf einem weiten Ballon, der nach der Seite durch eine Gallerie,
nach hinten durch eine Säulenarchitektur abgeschlossen wird, sitzt nachlässig ans
einen Polstersessel gestreckt eine junge Frau. Das Gewand ist ihr von Schultern
und Busen herabgeglitten, in der Rechten hält sie einen Griffel, und die Linke
stützt sich auf einen mit Schriftrollen bedeckten Tisch. Hinter ihr lehnt eine
Harfe. Von der andern Seite kommt eine hübsche nackte Mohrin, getragen von
einem mächtigen Flügelpaar, herangeschwebt. Sie trägt auf den Hände" el"
Plateau mit einer Kanne und einer zierlichen Tasse. Man sticht des Räthsels "
Lösung im Katalog und liest: "Der Kaffee kommt der Muse zur Hilfe!"

Zum Schluß fordern noch drei Gemälde großen Stils unsre Aufmerksamkeit,
voll denen zwei im Auftrage des Staates gemalt sind. P. I. Blanc hatte


Der Pariser Salon.

„Lied der Neuvermählten," welches sich durch seinen reichen Humor viele Freunde
erworben hat, obwohl die Braut, welche an der Hochzeitstafel ihr Lied zum
besten giebt, nichts weniger als hübsch ist. Von großem cvloristischen Reiz waren
zwei dem Stoffe nahe verwandte Scenen, der „Fischpavillon in den Markthallen"
von Gilbert und eine „Fischauetion" von Goeneutte; den letztem zählt man,
wenn ich nicht irre, in Paris zu den verachteten Impressionisten, vermuthlich,
weil er seine Modelle nicht wäscht, bevor er sie malt. Während Goeneutte in
der Breite und Saftigkeit der Pinselführung, in dem kräftigen, leicht flüssigen
Colorit, in der einfachen und doch schlagend wahren Charakteristik der Thiere
so stark an Paul Meyerheim erinnert, daß man versucht ist, eine gegenseitige
Beeinflussung oder doch eine gemeinsame Quelle anzunehmen, hat Gilbert sowohl
in der schärfen, knorrigen Charakteristik als in der virtuosen Handhabung der
schwierigsten Lichteffeete etwas, das auf Menzel weist, der den Franzosen wahr¬
scheinlich inspirirt hat.

Den Schauspielern wird bekanntlich nichts schwerer, als auf der Bühne
Schauspieler darzustellen. Bei den Malern scheint das umgekehrte der Fall zu
sein. Wenn sie ihre Stoffe aus dem ungemrteu Leben in ihren Ateliers schöpfen,
pflegen sie fast immer einen glücklichen Griff zu thun. Ein halbes Dutzend
Maler hatte sich in diesem Jahre an Atelicrbildern versucht, und jeder wußte
dem Stoffe eine andre Seite abzugewinnen. Dubois läßt den Maler in seinem
Atelier den Gesang einer jungen Dame auf dem Flügel begleiten, Lompard,
welcher in der schweren, düstern Art Munkaesys malt, schildert den erstell Besuch
eines Modells in Begleitung ihrer Mutter, und Dcmtan, der talentvollste von
den dreien, hat den Moment festgehalten, wie das Modell, ein junges nuinuthiges
Mädchen, sein Frühstück einnimmt, während der Maler, die Palette in der Hand,
seine Pinsel prüft — eine Seene, mit der größten Einfachheit und Anspruchs¬
losigkeit vorgetragen und doch von unbeschreiblichem Reiz, besonders dadurch,
daß das einfallende Sonnenlicht den Kopf des antik evstümirtcn Mädchens mit
einer Gloriole umgiebt.

Originalität der Erfindung kann man auch einem Bilde von Nonffio nicht
absprechen. Auf einem weiten Ballon, der nach der Seite durch eine Gallerie,
nach hinten durch eine Säulenarchitektur abgeschlossen wird, sitzt nachlässig ans
einen Polstersessel gestreckt eine junge Frau. Das Gewand ist ihr von Schultern
und Busen herabgeglitten, in der Rechten hält sie einen Griffel, und die Linke
stützt sich auf einen mit Schriftrollen bedeckten Tisch. Hinter ihr lehnt eine
Harfe. Von der andern Seite kommt eine hübsche nackte Mohrin, getragen von
einem mächtigen Flügelpaar, herangeschwebt. Sie trägt auf den Hände» el»
Plateau mit einer Kanne und einer zierlichen Tasse. Man sticht des Räthsels «
Lösung im Katalog und liest: „Der Kaffee kommt der Muse zur Hilfe!"

Zum Schluß fordern noch drei Gemälde großen Stils unsre Aufmerksamkeit,
voll denen zwei im Auftrage des Staates gemalt sind. P. I. Blanc hatte


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[0178] Der Pariser Salon. „Lied der Neuvermählten," welches sich durch seinen reichen Humor viele Freunde erworben hat, obwohl die Braut, welche an der Hochzeitstafel ihr Lied zum besten giebt, nichts weniger als hübsch ist. Von großem cvloristischen Reiz waren zwei dem Stoffe nahe verwandte Scenen, der „Fischpavillon in den Markthallen" von Gilbert und eine „Fischauetion" von Goeneutte; den letztem zählt man, wenn ich nicht irre, in Paris zu den verachteten Impressionisten, vermuthlich, weil er seine Modelle nicht wäscht, bevor er sie malt. Während Goeneutte in der Breite und Saftigkeit der Pinselführung, in dem kräftigen, leicht flüssigen Colorit, in der einfachen und doch schlagend wahren Charakteristik der Thiere so stark an Paul Meyerheim erinnert, daß man versucht ist, eine gegenseitige Beeinflussung oder doch eine gemeinsame Quelle anzunehmen, hat Gilbert sowohl in der schärfen, knorrigen Charakteristik als in der virtuosen Handhabung der schwierigsten Lichteffeete etwas, das auf Menzel weist, der den Franzosen wahr¬ scheinlich inspirirt hat. Den Schauspielern wird bekanntlich nichts schwerer, als auf der Bühne Schauspieler darzustellen. Bei den Malern scheint das umgekehrte der Fall zu sein. Wenn sie ihre Stoffe aus dem ungemrteu Leben in ihren Ateliers schöpfen, pflegen sie fast immer einen glücklichen Griff zu thun. Ein halbes Dutzend Maler hatte sich in diesem Jahre an Atelicrbildern versucht, und jeder wußte dem Stoffe eine andre Seite abzugewinnen. Dubois läßt den Maler in seinem Atelier den Gesang einer jungen Dame auf dem Flügel begleiten, Lompard, welcher in der schweren, düstern Art Munkaesys malt, schildert den erstell Besuch eines Modells in Begleitung ihrer Mutter, und Dcmtan, der talentvollste von den dreien, hat den Moment festgehalten, wie das Modell, ein junges nuinuthiges Mädchen, sein Frühstück einnimmt, während der Maler, die Palette in der Hand, seine Pinsel prüft — eine Seene, mit der größten Einfachheit und Anspruchs¬ losigkeit vorgetragen und doch von unbeschreiblichem Reiz, besonders dadurch, daß das einfallende Sonnenlicht den Kopf des antik evstümirtcn Mädchens mit einer Gloriole umgiebt. Originalität der Erfindung kann man auch einem Bilde von Nonffio nicht absprechen. Auf einem weiten Ballon, der nach der Seite durch eine Gallerie, nach hinten durch eine Säulenarchitektur abgeschlossen wird, sitzt nachlässig ans einen Polstersessel gestreckt eine junge Frau. Das Gewand ist ihr von Schultern und Busen herabgeglitten, in der Rechten hält sie einen Griffel, und die Linke stützt sich auf einen mit Schriftrollen bedeckten Tisch. Hinter ihr lehnt eine Harfe. Von der andern Seite kommt eine hübsche nackte Mohrin, getragen von einem mächtigen Flügelpaar, herangeschwebt. Sie trägt auf den Hände» el» Plateau mit einer Kanne und einer zierlichen Tasse. Man sticht des Räthsels « Lösung im Katalog und liest: „Der Kaffee kommt der Muse zur Hilfe!" Zum Schluß fordern noch drei Gemälde großen Stils unsre Aufmerksamkeit, voll denen zwei im Auftrage des Staates gemalt sind. P. I. Blanc hatte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/178>, abgerufen am 01.09.2024.