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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Der pariser Salon.

Und nun sammelte er alle Kräfte und Gaben seines Talents, um noch
Besseres zu bieten. 1858 erschien die "Sansara."

(Schluß folgt.)


Der pariser Salon.
von Adolf Rosenberg. 2.

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e Opfer, welche der Staat bringt, alle Belohnungen, die er mit
großmüthigen Händen spendet, sind nicht imstande, die empfind¬
liche Pflanze der Malerei großen Stils auf französischem Boden
zu acclimatisireu. Man braucht nur vom Luxemburg zum Louvre
zu gehen, um sich darüber klar zu werden, daß die Franzosen
über Geriecmlt und Delacroix nicht hinausgekommen sind und daß alle Bemühungen,
diese beiden Heroen zu überbieten, sich in einem Kreislauf bewegt haben. Gcricaults
"Schiffbruch der Medusa" und Delacroix' "Gemetzel von Chios" sind gleichsam
unerschöpfliche Compendien für die zahllosen Schreckensscenen, welche die fran¬
zösischen Maler in der falschen Voraussetzung, daß das Dramatische mit dem
Entsetzlichen, das Tragische mit dem Traurigen identisch sei, während der letzten
fünfzig Jahre geschaffen haben. Jene Beiden wollten, indem sie so grauener¬
regende Stoffe wählten, in eine möglichst entschiedene Opposition zu dem in den
zwanziger Jahren herrschenden faden Classicismus treten. Nachdem sich nun
aber der Umschwung zu ihren Gunsten vollzogen, nachdem Naturalismus und
Romantik den Thron bestiegen, nachdem der Stein ins Rollen gerathen war,
gab es keinen Halt mehr auf der einmal betretenen Bahn. Die beiden Bahn¬
brecher selber hatten gleich zum ersten Male so hohe Trümpfe ausgespielt, daß
sie ihre Erstlingserfolge nicht mehr in den Schatten stellten. Gericault wurde
die Möglichkeit dazu durch einen frühzeitigen Tod genommen; aber Delacroix
durfte sich noch einer langen Periode des Schaffens erfreuen, in welcher er zwar
einzelne Punkte des in der "Barke des Dante" und dem NasWors as 8Kio
aufgestellten Programms noch ausführlicher darlegte, dasselbe aber nicht wesent¬
lich erweiterte. Virgils und Dantes abenteuerliche Fahrt auf dem See der
Zornigen spricht bereits mit vollster Deutlichkeit das coloristische Glaubensbe-
kenntniß eiuer Schule aus, deren Jünger nach sechzig Jahren noch nicht viel
weiter darüber hinausgekommen sind. Es ist charakteristisch, daß selbst das
originellste, wuchtigste und am meisten versprechende Talent der modernen fran¬
zösischen Schule, der 1871 gefallene Henri Regnault, nichts besseres zu thun
wußte als an Delacroix anzuknüpfen. Nur nach einer Richtung hat sich die
neuere Schule über ihren Altmeister hinaus stark vervollkommnet: in der Zeichnung,
in dem Respect vor der Form. Leute wie Hemmer, welche den Körper in Dunst


Der pariser Salon.

Und nun sammelte er alle Kräfte und Gaben seines Talents, um noch
Besseres zu bieten. 1858 erschien die „Sansara."

(Schluß folgt.)


Der pariser Salon.
von Adolf Rosenberg. 2.

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e Opfer, welche der Staat bringt, alle Belohnungen, die er mit
großmüthigen Händen spendet, sind nicht imstande, die empfind¬
liche Pflanze der Malerei großen Stils auf französischem Boden
zu acclimatisireu. Man braucht nur vom Luxemburg zum Louvre
zu gehen, um sich darüber klar zu werden, daß die Franzosen
über Geriecmlt und Delacroix nicht hinausgekommen sind und daß alle Bemühungen,
diese beiden Heroen zu überbieten, sich in einem Kreislauf bewegt haben. Gcricaults
„Schiffbruch der Medusa" und Delacroix' „Gemetzel von Chios" sind gleichsam
unerschöpfliche Compendien für die zahllosen Schreckensscenen, welche die fran¬
zösischen Maler in der falschen Voraussetzung, daß das Dramatische mit dem
Entsetzlichen, das Tragische mit dem Traurigen identisch sei, während der letzten
fünfzig Jahre geschaffen haben. Jene Beiden wollten, indem sie so grauener¬
regende Stoffe wählten, in eine möglichst entschiedene Opposition zu dem in den
zwanziger Jahren herrschenden faden Classicismus treten. Nachdem sich nun
aber der Umschwung zu ihren Gunsten vollzogen, nachdem Naturalismus und
Romantik den Thron bestiegen, nachdem der Stein ins Rollen gerathen war,
gab es keinen Halt mehr auf der einmal betretenen Bahn. Die beiden Bahn¬
brecher selber hatten gleich zum ersten Male so hohe Trümpfe ausgespielt, daß
sie ihre Erstlingserfolge nicht mehr in den Schatten stellten. Gericault wurde
die Möglichkeit dazu durch einen frühzeitigen Tod genommen; aber Delacroix
durfte sich noch einer langen Periode des Schaffens erfreuen, in welcher er zwar
einzelne Punkte des in der „Barke des Dante" und dem NasWors as 8Kio
aufgestellten Programms noch ausführlicher darlegte, dasselbe aber nicht wesent¬
lich erweiterte. Virgils und Dantes abenteuerliche Fahrt auf dem See der
Zornigen spricht bereits mit vollster Deutlichkeit das coloristische Glaubensbe-
kenntniß eiuer Schule aus, deren Jünger nach sechzig Jahren noch nicht viel
weiter darüber hinausgekommen sind. Es ist charakteristisch, daß selbst das
originellste, wuchtigste und am meisten versprechende Talent der modernen fran¬
zösischen Schule, der 1871 gefallene Henri Regnault, nichts besseres zu thun
wußte als an Delacroix anzuknüpfen. Nur nach einer Richtung hat sich die
neuere Schule über ihren Altmeister hinaus stark vervollkommnet: in der Zeichnung,
in dem Respect vor der Form. Leute wie Hemmer, welche den Körper in Dunst


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[0173] Der pariser Salon. Und nun sammelte er alle Kräfte und Gaben seines Talents, um noch Besseres zu bieten. 1858 erschien die „Sansara." (Schluß folgt.) Der pariser Salon. von Adolf Rosenberg. 2. li e Opfer, welche der Staat bringt, alle Belohnungen, die er mit großmüthigen Händen spendet, sind nicht imstande, die empfind¬ liche Pflanze der Malerei großen Stils auf französischem Boden zu acclimatisireu. Man braucht nur vom Luxemburg zum Louvre zu gehen, um sich darüber klar zu werden, daß die Franzosen über Geriecmlt und Delacroix nicht hinausgekommen sind und daß alle Bemühungen, diese beiden Heroen zu überbieten, sich in einem Kreislauf bewegt haben. Gcricaults „Schiffbruch der Medusa" und Delacroix' „Gemetzel von Chios" sind gleichsam unerschöpfliche Compendien für die zahllosen Schreckensscenen, welche die fran¬ zösischen Maler in der falschen Voraussetzung, daß das Dramatische mit dem Entsetzlichen, das Tragische mit dem Traurigen identisch sei, während der letzten fünfzig Jahre geschaffen haben. Jene Beiden wollten, indem sie so grauener¬ regende Stoffe wählten, in eine möglichst entschiedene Opposition zu dem in den zwanziger Jahren herrschenden faden Classicismus treten. Nachdem sich nun aber der Umschwung zu ihren Gunsten vollzogen, nachdem Naturalismus und Romantik den Thron bestiegen, nachdem der Stein ins Rollen gerathen war, gab es keinen Halt mehr auf der einmal betretenen Bahn. Die beiden Bahn¬ brecher selber hatten gleich zum ersten Male so hohe Trümpfe ausgespielt, daß sie ihre Erstlingserfolge nicht mehr in den Schatten stellten. Gericault wurde die Möglichkeit dazu durch einen frühzeitigen Tod genommen; aber Delacroix durfte sich noch einer langen Periode des Schaffens erfreuen, in welcher er zwar einzelne Punkte des in der „Barke des Dante" und dem NasWors as 8Kio aufgestellten Programms noch ausführlicher darlegte, dasselbe aber nicht wesent¬ lich erweiterte. Virgils und Dantes abenteuerliche Fahrt auf dem See der Zornigen spricht bereits mit vollster Deutlichkeit das coloristische Glaubensbe- kenntniß eiuer Schule aus, deren Jünger nach sechzig Jahren noch nicht viel weiter darüber hinausgekommen sind. Es ist charakteristisch, daß selbst das originellste, wuchtigste und am meisten versprechende Talent der modernen fran¬ zösischen Schule, der 1871 gefallene Henri Regnault, nichts besseres zu thun wußte als an Delacroix anzuknüpfen. Nur nach einer Richtung hat sich die neuere Schule über ihren Altmeister hinaus stark vervollkommnet: in der Zeichnung, in dem Respect vor der Form. Leute wie Hemmer, welche den Körper in Dunst

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/173>, abgerufen am 27.11.2024.