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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Die Entwicklung der Feudalität und das deutsche Kriegswesen im frühen Mittelalter.

Wurde schwer geahndet. Die Herislitz (Desertion) wurde mit dem Tode bestraft.
Erwägt man diese Bestimmungen und vergegenwärtigt sich zugleich, daß es sich
unter deu Karlingern, zumal unter Karl dem Großen, nicht um kurze Feldzüge
handelte, sondern um Märsche von Friesland bis Aquitanien oder von der Loire
nach Baiern und Sachsen, so wird man zugeben, daß Karls Forderungen außer¬
ordentlich hohe waren, und er hat sie in der That nicht durchzusetzen vermocht.

Das System der persönlichen, unentgeltlichen Dienst- und Rüstungspslicht
drückte härter als jemals eine römische Steuer; deun mehr noch als diese traf
jenes den auf seiner Hände Arbeit angewiesenen Armen weit schwerer als den
Wohlhabenden. Wer nichts besaß als seine Freiheit, wie sollte der sich über¬
haupt bewaffnen und verpflegen? Betrüger doch die baren Ausgaben für eine
Ausstattung zum Kriegszuge mindestens S solidi. Und wer wenig hatte und
gewiß wußte, daß die Theilnahme am Feldzuge ihn zu Grunde richten müsse,
der zahlte lieber die hohe Bnnnbnße für sein Ausbleiben, wobei er doch wenigstens
Haus und Feld nicht unbehütet und unbestellt zurückzulassen brauchte. War er
jedoch unfähig, die 60 solidi Strafgeld aufzubringen, so verfiel sein Gut dem
Könige, und reichte auch das noch nicht aus zum Entgelt, so wurde er selbst
Pfandweise zum Knechte des Königs gemacht.*) Je rascher sich um die Kriege
folgten, je häufiger die kleinen Hausväter ihre" Beschäftigungen entrissen wurden,
um so schneller verarmten sie, um so leichter sog der größere Grundbesitz das
kleine Eigenthum ans. Am meisten gewann dabei die Kirche, welche auf solche
Art die Einbuße der Säcularisation schnell überwand; denn ihr vorzüglich flössen
die oküczjii MatA zu, erstlich weil solche Güterübertragungen an die Heiligen als
gottselige Werke galten, sodann weil das Kirchengut nicht nur durch Waffen¬
gewalt gesichert war, sondern auch durch ehrfurchtsvolle Sehen vor der geistlichen
Macht, endlich aber auch deshalb, weil sich in der Clientel der Kirche am leichtesten
Gelegenheit bot, dem verhaßten Kriegsdienste zu entgehen. Der Gesetzgeber er¬
kannte das sehr Wohl, und mehr als einmal bricht er in Klagen darüber aus,
daß der Kriegsdienst zu so vielen Bedrückungen der Freien Anlaß gebe, daß die
Bauern sich auf alle mögliche Weise der Heerfahrt zu entziehen strebten, daß
die Kirche und die Großen ihnen dabei behilflich seien, und daß dadurch, daß
die Gemcinfreien immer mehr in Abhüngigkeitsverhältnisse träten, der Staat
empfindlich geschädigt werde.

Karl versuchte, dem Uebel durch Milderungen seiner Anforderungen zu be¬
gegnen. Er erließ zuweilen den Ausgebliebenen den Bann ganz oder zum Theil
und beschränkte die Aufgebote sowohl örtlich als der Zahl nach soviel wie möglich.
Schon die alte Einrichtung der Heerversammlung auf dem März- oder Maifelde



de Lczardwre schlißt S solidi auf etwa 32 Mark, 60 solidi also auf 3840 Mark
Mag dies auch hoch gegriffen sei", so wird es sich doch nicht viel von der Wahrheit
°"tfernen, und gewiß ist, daß die Bannbuße vielleicht die wichtigste Geldquelle der fränkischen
Stnatssinanzen bildete.
Grenzvvten III. 1381. ^
Die Entwicklung der Feudalität und das deutsche Kriegswesen im frühen Mittelalter.

Wurde schwer geahndet. Die Herislitz (Desertion) wurde mit dem Tode bestraft.
Erwägt man diese Bestimmungen und vergegenwärtigt sich zugleich, daß es sich
unter deu Karlingern, zumal unter Karl dem Großen, nicht um kurze Feldzüge
handelte, sondern um Märsche von Friesland bis Aquitanien oder von der Loire
nach Baiern und Sachsen, so wird man zugeben, daß Karls Forderungen außer¬
ordentlich hohe waren, und er hat sie in der That nicht durchzusetzen vermocht.

Das System der persönlichen, unentgeltlichen Dienst- und Rüstungspslicht
drückte härter als jemals eine römische Steuer; deun mehr noch als diese traf
jenes den auf seiner Hände Arbeit angewiesenen Armen weit schwerer als den
Wohlhabenden. Wer nichts besaß als seine Freiheit, wie sollte der sich über¬
haupt bewaffnen und verpflegen? Betrüger doch die baren Ausgaben für eine
Ausstattung zum Kriegszuge mindestens S solidi. Und wer wenig hatte und
gewiß wußte, daß die Theilnahme am Feldzuge ihn zu Grunde richten müsse,
der zahlte lieber die hohe Bnnnbnße für sein Ausbleiben, wobei er doch wenigstens
Haus und Feld nicht unbehütet und unbestellt zurückzulassen brauchte. War er
jedoch unfähig, die 60 solidi Strafgeld aufzubringen, so verfiel sein Gut dem
Könige, und reichte auch das noch nicht aus zum Entgelt, so wurde er selbst
Pfandweise zum Knechte des Königs gemacht.*) Je rascher sich um die Kriege
folgten, je häufiger die kleinen Hausväter ihre» Beschäftigungen entrissen wurden,
um so schneller verarmten sie, um so leichter sog der größere Grundbesitz das
kleine Eigenthum ans. Am meisten gewann dabei die Kirche, welche auf solche
Art die Einbuße der Säcularisation schnell überwand; denn ihr vorzüglich flössen
die oküczjii MatA zu, erstlich weil solche Güterübertragungen an die Heiligen als
gottselige Werke galten, sodann weil das Kirchengut nicht nur durch Waffen¬
gewalt gesichert war, sondern auch durch ehrfurchtsvolle Sehen vor der geistlichen
Macht, endlich aber auch deshalb, weil sich in der Clientel der Kirche am leichtesten
Gelegenheit bot, dem verhaßten Kriegsdienste zu entgehen. Der Gesetzgeber er¬
kannte das sehr Wohl, und mehr als einmal bricht er in Klagen darüber aus,
daß der Kriegsdienst zu so vielen Bedrückungen der Freien Anlaß gebe, daß die
Bauern sich auf alle mögliche Weise der Heerfahrt zu entziehen strebten, daß
die Kirche und die Großen ihnen dabei behilflich seien, und daß dadurch, daß
die Gemcinfreien immer mehr in Abhüngigkeitsverhältnisse träten, der Staat
empfindlich geschädigt werde.

Karl versuchte, dem Uebel durch Milderungen seiner Anforderungen zu be¬
gegnen. Er erließ zuweilen den Ausgebliebenen den Bann ganz oder zum Theil
und beschränkte die Aufgebote sowohl örtlich als der Zahl nach soviel wie möglich.
Schon die alte Einrichtung der Heerversammlung auf dem März- oder Maifelde



de Lczardwre schlißt S solidi auf etwa 32 Mark, 60 solidi also auf 3840 Mark
Mag dies auch hoch gegriffen sei», so wird es sich doch nicht viel von der Wahrheit
°"tfernen, und gewiß ist, daß die Bannbuße vielleicht die wichtigste Geldquelle der fränkischen
Stnatssinanzen bildete.
Grenzvvten III. 1381. ^
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[0153] Die Entwicklung der Feudalität und das deutsche Kriegswesen im frühen Mittelalter. Wurde schwer geahndet. Die Herislitz (Desertion) wurde mit dem Tode bestraft. Erwägt man diese Bestimmungen und vergegenwärtigt sich zugleich, daß es sich unter deu Karlingern, zumal unter Karl dem Großen, nicht um kurze Feldzüge handelte, sondern um Märsche von Friesland bis Aquitanien oder von der Loire nach Baiern und Sachsen, so wird man zugeben, daß Karls Forderungen außer¬ ordentlich hohe waren, und er hat sie in der That nicht durchzusetzen vermocht. Das System der persönlichen, unentgeltlichen Dienst- und Rüstungspslicht drückte härter als jemals eine römische Steuer; deun mehr noch als diese traf jenes den auf seiner Hände Arbeit angewiesenen Armen weit schwerer als den Wohlhabenden. Wer nichts besaß als seine Freiheit, wie sollte der sich über¬ haupt bewaffnen und verpflegen? Betrüger doch die baren Ausgaben für eine Ausstattung zum Kriegszuge mindestens S solidi. Und wer wenig hatte und gewiß wußte, daß die Theilnahme am Feldzuge ihn zu Grunde richten müsse, der zahlte lieber die hohe Bnnnbnße für sein Ausbleiben, wobei er doch wenigstens Haus und Feld nicht unbehütet und unbestellt zurückzulassen brauchte. War er jedoch unfähig, die 60 solidi Strafgeld aufzubringen, so verfiel sein Gut dem Könige, und reichte auch das noch nicht aus zum Entgelt, so wurde er selbst Pfandweise zum Knechte des Königs gemacht.*) Je rascher sich um die Kriege folgten, je häufiger die kleinen Hausväter ihre» Beschäftigungen entrissen wurden, um so schneller verarmten sie, um so leichter sog der größere Grundbesitz das kleine Eigenthum ans. Am meisten gewann dabei die Kirche, welche auf solche Art die Einbuße der Säcularisation schnell überwand; denn ihr vorzüglich flössen die oküczjii MatA zu, erstlich weil solche Güterübertragungen an die Heiligen als gottselige Werke galten, sodann weil das Kirchengut nicht nur durch Waffen¬ gewalt gesichert war, sondern auch durch ehrfurchtsvolle Sehen vor der geistlichen Macht, endlich aber auch deshalb, weil sich in der Clientel der Kirche am leichtesten Gelegenheit bot, dem verhaßten Kriegsdienste zu entgehen. Der Gesetzgeber er¬ kannte das sehr Wohl, und mehr als einmal bricht er in Klagen darüber aus, daß der Kriegsdienst zu so vielen Bedrückungen der Freien Anlaß gebe, daß die Bauern sich auf alle mögliche Weise der Heerfahrt zu entziehen strebten, daß die Kirche und die Großen ihnen dabei behilflich seien, und daß dadurch, daß die Gemcinfreien immer mehr in Abhüngigkeitsverhältnisse träten, der Staat empfindlich geschädigt werde. Karl versuchte, dem Uebel durch Milderungen seiner Anforderungen zu be¬ gegnen. Er erließ zuweilen den Ausgebliebenen den Bann ganz oder zum Theil und beschränkte die Aufgebote sowohl örtlich als der Zahl nach soviel wie möglich. Schon die alte Einrichtung der Heerversammlung auf dem März- oder Maifelde de Lczardwre schlißt S solidi auf etwa 32 Mark, 60 solidi also auf 3840 Mark Mag dies auch hoch gegriffen sei», so wird es sich doch nicht viel von der Wahrheit °"tfernen, und gewiß ist, daß die Bannbuße vielleicht die wichtigste Geldquelle der fränkischen Stnatssinanzen bildete. Grenzvvten III. 1381. ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/153>, abgerufen am 25.11.2024.