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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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England und Frankreich am Mittelmeere.

f 7^5 ? eun man die englischen Blätter liest oder sich mit Engländern über
die politische Lage unterhält, so bemerkt man deutlich, daß das
Verfahren der Franzosen in Tunis unter unsern Vettern überm
Canal erheblich verstimmt und allerlei Befürchtungen hervorgerufen
hat, daß man über die Verlegenheiten, welche der französischen
Republik in den letzten Monaten in Nordafrika zugestoßen sind, unverhohlen
Schadenfreude empfindet, und daß man hofft, diese Verlegenheiten nicht so bald
schwinden zu sehen.

Wir finden diese Verstimmung nicht unbegreiflich, aber für Frankreich vor¬
läufig wenig gefährlich. An der ganzen nordafriknnischcn Küste hin tauchen seit
der Expedition nach Tunis Gerüchte auf Gerüchte von Plänen zu weiterer Aus¬
breitung der französischen Machtsphäre auf und andrerseits unverkennbare Zeichen
einer großen und allgemeinen Erbitterung der eingebornen Bevölkerung gegen
ihre mittelbaren oder unmittelbaren Herren. In Algier wie in Tunis stehen
letztere bedenklichen, wenigstens sehr unbequemen Thatsachen gegenüber, dort einem
heiligen Kriege, den ein Fanatiker führt, hier, in Sfax, einem Aufstande, der
seine Ursache in der Unzufriedenheit des muslimischen Volkes mit dem Vertrage
hat, nach welchem der Bed von Tunis ein Vasall der Franken geworden ist.

Wenn die Franzosen bisher mit einer Landung an dem zuletzt genannten
Orte zögerten, so scheinen nicht bloß militärische, sondern auch diplomatische Gründe
sie dazu bewogen zu haben. Nachdem der französische Minister des Auswärtigen
erklärt, daß die Republik in Tunis keine Eroberung beabsichtige, würde eine
Landung in Sfax gar zu deutlich erkenne" lassen, daß Tunis thatsächlich annectirt
ist, und daß Widerstand gegen den Bey Feindseligkeit gegen Frankreich bedeutet.
Indeß hat man franzvsischerseits hier nicht mehr freie Wahl. Dadurch, daß


Grenzboten til. 1881.


England und Frankreich am Mittelmeere.

f 7^5 ? eun man die englischen Blätter liest oder sich mit Engländern über
die politische Lage unterhält, so bemerkt man deutlich, daß das
Verfahren der Franzosen in Tunis unter unsern Vettern überm
Canal erheblich verstimmt und allerlei Befürchtungen hervorgerufen
hat, daß man über die Verlegenheiten, welche der französischen
Republik in den letzten Monaten in Nordafrika zugestoßen sind, unverhohlen
Schadenfreude empfindet, und daß man hofft, diese Verlegenheiten nicht so bald
schwinden zu sehen.

Wir finden diese Verstimmung nicht unbegreiflich, aber für Frankreich vor¬
läufig wenig gefährlich. An der ganzen nordafriknnischcn Küste hin tauchen seit
der Expedition nach Tunis Gerüchte auf Gerüchte von Plänen zu weiterer Aus¬
breitung der französischen Machtsphäre auf und andrerseits unverkennbare Zeichen
einer großen und allgemeinen Erbitterung der eingebornen Bevölkerung gegen
ihre mittelbaren oder unmittelbaren Herren. In Algier wie in Tunis stehen
letztere bedenklichen, wenigstens sehr unbequemen Thatsachen gegenüber, dort einem
heiligen Kriege, den ein Fanatiker führt, hier, in Sfax, einem Aufstande, der
seine Ursache in der Unzufriedenheit des muslimischen Volkes mit dem Vertrage
hat, nach welchem der Bed von Tunis ein Vasall der Franken geworden ist.

Wenn die Franzosen bisher mit einer Landung an dem zuletzt genannten
Orte zögerten, so scheinen nicht bloß militärische, sondern auch diplomatische Gründe
sie dazu bewogen zu haben. Nachdem der französische Minister des Auswärtigen
erklärt, daß die Republik in Tunis keine Eroberung beabsichtige, würde eine
Landung in Sfax gar zu deutlich erkenne» lassen, daß Tunis thatsächlich annectirt
ist, und daß Widerstand gegen den Bey Feindseligkeit gegen Frankreich bedeutet.
Indeß hat man franzvsischerseits hier nicht mehr freie Wahl. Dadurch, daß


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[0145] [Abbildung] England und Frankreich am Mittelmeere. f 7^5 ? eun man die englischen Blätter liest oder sich mit Engländern über die politische Lage unterhält, so bemerkt man deutlich, daß das Verfahren der Franzosen in Tunis unter unsern Vettern überm Canal erheblich verstimmt und allerlei Befürchtungen hervorgerufen hat, daß man über die Verlegenheiten, welche der französischen Republik in den letzten Monaten in Nordafrika zugestoßen sind, unverhohlen Schadenfreude empfindet, und daß man hofft, diese Verlegenheiten nicht so bald schwinden zu sehen. Wir finden diese Verstimmung nicht unbegreiflich, aber für Frankreich vor¬ läufig wenig gefährlich. An der ganzen nordafriknnischcn Küste hin tauchen seit der Expedition nach Tunis Gerüchte auf Gerüchte von Plänen zu weiterer Aus¬ breitung der französischen Machtsphäre auf und andrerseits unverkennbare Zeichen einer großen und allgemeinen Erbitterung der eingebornen Bevölkerung gegen ihre mittelbaren oder unmittelbaren Herren. In Algier wie in Tunis stehen letztere bedenklichen, wenigstens sehr unbequemen Thatsachen gegenüber, dort einem heiligen Kriege, den ein Fanatiker führt, hier, in Sfax, einem Aufstande, der seine Ursache in der Unzufriedenheit des muslimischen Volkes mit dem Vertrage hat, nach welchem der Bed von Tunis ein Vasall der Franken geworden ist. Wenn die Franzosen bisher mit einer Landung an dem zuletzt genannten Orte zögerten, so scheinen nicht bloß militärische, sondern auch diplomatische Gründe sie dazu bewogen zu haben. Nachdem der französische Minister des Auswärtigen erklärt, daß die Republik in Tunis keine Eroberung beabsichtige, würde eine Landung in Sfax gar zu deutlich erkenne» lassen, daß Tunis thatsächlich annectirt ist, und daß Widerstand gegen den Bey Feindseligkeit gegen Frankreich bedeutet. Indeß hat man franzvsischerseits hier nicht mehr freie Wahl. Dadurch, daß Grenzboten til. 1881.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/145>, abgerufen am 23.11.2024.