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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Aus Schwaben.

worden ist. Sie schillert bereits in allen möglichen Nüancen; außer ganz wilden,
hauptsächlich in Stuttgart und Eßlingen sich findenden Arten giebt es auch zahme,
sogar sehr zahme, welche mit sich reden lassen, Salon- und Hofdemokraten, manchmal
much in recht unnatürlichen Verbindungen lebend; so ist eine Reihe Ultrnmontancr,
zum Theil Landtagsabgeordneter, ja das Haupt derselben, welches in Verbindung
mit seiner Familie die Leitung des würtembergischen Katholicismus in welt¬
lichen Dingen beansprucht, enge mit der Demokratie verquickt. Die sogenannte Linke
der würtembergischen Abgeordnetenkammer ist nichts weniger als eine Inkarnation
der Demokratie, vielmehr ein mixtum voinposituin von ein Paar Demokraten,
Exgroßdentschen, Ultramontanen, ein paar Frondeurs und einigen andren, welche
anstandshalber auf der Opposition stehen zu müssen glauben. Die unnatürliche
Verbindung zwischen Ultramontanen und Demokraten, deren Vortheile mehr auf
Seiten der letztern sein dürften, hat nun immer wieder bei den Reichstagswahlen
hie und da ihre Weihe gefunden, so sehr man auch beiderseits schon öfters deren
Lösung unternommen hatte. Erst neulich hat das dem "Deutschen Volksblatt"
affiliirtc, hauptsächlich für die Masse berechnete katholische Sonntagsblatt einen
heftigen Anlauf gegen diese Verbindung genommen, indem es u. a. schreibt:
"Tüchtig agitiren jetzt schon die Demokraten, im Süden .Volkspartei', im Norden
.Fortschrittspartei' geheißen. Ihre Parole lautet: .Fort mit Bismarck/ Mit
dieser werden sie wenig Anklang finden, da der Fürst Reichskanzler bei der Mehr¬
heit des Volkes größres Vertrauen genießt, als die fast ganz verjudete Demokratie.
Es giebt auch viele Leute, die von Bismarck nicht viel mehr erwarten als neue
Steuern, aber von der judenknechtschaftsscligen Demokratie gar nichts. Bereits
bereisen demokratische Agitatoren das Land. So sprach in Eßlingen, Gmünd
und Ulm der Herausgeber der christenthumsfeindlichen .Frankfurter Zeitung',
Herr Löb Svuuemann......" Allein ans derartige Herzensergüsse ist nicht
zu viel zu geben; man findet sich, nachdem man gegenseitig Complimente aus¬
getauscht, immer wieder, weil man eben einander braucht.

Die übrigen Parteien ziehen es vor, mehr im stillen zu arbeiten, oder --
auch nicht. Unter allen hält sich die nationalliberale, welche nicht einmal auf
dem Berliner Parteitage vertreten war, in der größten Reserve; im ganzen findet
bei der schwäbischen Section dieser Partei das Abschwenken von Bismarck nur
wenig Anklang; sie ist wohl unter allen ihren Kolleginnen diejenige, welche am
treuesten bei dem Fürsten aushält. Sie wird voraussichtlich auch bei den nächsten
Wahlen, wie schon seit einiger Zeit, mit den Konservativen zusammengehen.
Letztere werden an -- allerdings weniger offen betriebenen -- Rührigkeit den
Demokraten wenig nachstehen und stellen diesmal ein zahlreiches Contingent von
mandatslustigen adlichen Herren ins Feld. Von einem Bündniß zwischen Con-
servativen und Ultramontanen, wie es sich jetzt in deutscheu Landen mehr und
mehr bildet, hat man bis jetzt noch nichts gehört; einmal sind die einzelnen
Wahlbezirke, mit Ausnahme etwa des 15., wo sich Gelegenheit zur Probe böte,


Aus Schwaben.

worden ist. Sie schillert bereits in allen möglichen Nüancen; außer ganz wilden,
hauptsächlich in Stuttgart und Eßlingen sich findenden Arten giebt es auch zahme,
sogar sehr zahme, welche mit sich reden lassen, Salon- und Hofdemokraten, manchmal
much in recht unnatürlichen Verbindungen lebend; so ist eine Reihe Ultrnmontancr,
zum Theil Landtagsabgeordneter, ja das Haupt derselben, welches in Verbindung
mit seiner Familie die Leitung des würtembergischen Katholicismus in welt¬
lichen Dingen beansprucht, enge mit der Demokratie verquickt. Die sogenannte Linke
der würtembergischen Abgeordnetenkammer ist nichts weniger als eine Inkarnation
der Demokratie, vielmehr ein mixtum voinposituin von ein Paar Demokraten,
Exgroßdentschen, Ultramontanen, ein paar Frondeurs und einigen andren, welche
anstandshalber auf der Opposition stehen zu müssen glauben. Die unnatürliche
Verbindung zwischen Ultramontanen und Demokraten, deren Vortheile mehr auf
Seiten der letztern sein dürften, hat nun immer wieder bei den Reichstagswahlen
hie und da ihre Weihe gefunden, so sehr man auch beiderseits schon öfters deren
Lösung unternommen hatte. Erst neulich hat das dem „Deutschen Volksblatt"
affiliirtc, hauptsächlich für die Masse berechnete katholische Sonntagsblatt einen
heftigen Anlauf gegen diese Verbindung genommen, indem es u. a. schreibt:
„Tüchtig agitiren jetzt schon die Demokraten, im Süden .Volkspartei', im Norden
.Fortschrittspartei' geheißen. Ihre Parole lautet: .Fort mit Bismarck/ Mit
dieser werden sie wenig Anklang finden, da der Fürst Reichskanzler bei der Mehr¬
heit des Volkes größres Vertrauen genießt, als die fast ganz verjudete Demokratie.
Es giebt auch viele Leute, die von Bismarck nicht viel mehr erwarten als neue
Steuern, aber von der judenknechtschaftsscligen Demokratie gar nichts. Bereits
bereisen demokratische Agitatoren das Land. So sprach in Eßlingen, Gmünd
und Ulm der Herausgeber der christenthumsfeindlichen .Frankfurter Zeitung',
Herr Löb Svuuemann......" Allein ans derartige Herzensergüsse ist nicht
zu viel zu geben; man findet sich, nachdem man gegenseitig Complimente aus¬
getauscht, immer wieder, weil man eben einander braucht.

Die übrigen Parteien ziehen es vor, mehr im stillen zu arbeiten, oder —
auch nicht. Unter allen hält sich die nationalliberale, welche nicht einmal auf
dem Berliner Parteitage vertreten war, in der größten Reserve; im ganzen findet
bei der schwäbischen Section dieser Partei das Abschwenken von Bismarck nur
wenig Anklang; sie ist wohl unter allen ihren Kolleginnen diejenige, welche am
treuesten bei dem Fürsten aushält. Sie wird voraussichtlich auch bei den nächsten
Wahlen, wie schon seit einiger Zeit, mit den Konservativen zusammengehen.
Letztere werden an — allerdings weniger offen betriebenen — Rührigkeit den
Demokraten wenig nachstehen und stellen diesmal ein zahlreiches Contingent von
mandatslustigen adlichen Herren ins Feld. Von einem Bündniß zwischen Con-
servativen und Ultramontanen, wie es sich jetzt in deutscheu Landen mehr und
mehr bildet, hat man bis jetzt noch nichts gehört; einmal sind die einzelnen
Wahlbezirke, mit Ausnahme etwa des 15., wo sich Gelegenheit zur Probe böte,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/140>, abgerufen am 01.09.2024.