Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.Gambetta und kein Lüde. auf dem Präsidentenstuhle säße, und deshalb ließ er am Tage seiner Ankunft Gambetta hat diese abgeschmackte Faselei gewiß nicht nach ihrem Wort¬ Der Pariser Senat führt eine Art Pflanzenleben, er vegetirt mehr als er Gambetta und kein Lüde. auf dem Präsidentenstuhle säße, und deshalb ließ er am Tage seiner Ankunft Gambetta hat diese abgeschmackte Faselei gewiß nicht nach ihrem Wort¬ Der Pariser Senat führt eine Art Pflanzenleben, er vegetirt mehr als er <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0014" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150164"/> <fw type="header" place="top"> Gambetta und kein Lüde.</fw><lb/> <p xml:id="ID_22" prev="#ID_21"> auf dem Präsidentenstuhle säße, und deshalb ließ er am Tage seiner Ankunft<lb/> sein Cahorser Blatt, den „Repnblieain du Lot" folgende stolze Worte in die<lb/> Welt hinausrufen: „Die ergebenste und thatkräftigste Bevölkerung des Lot und<lb/> der angrenzenden Departements kommt nach Cahors, »in Gambetta zu begrüßen.<lb/> Unter den gegenwärtigen Verhältnissen hat diese Vereinigung von Republikanern<lb/> eine hohe Bedeutung; denn man weiß, daß der gewaltige Volkstribnn diese<lb/> große Volksversammlung nur dann beruft, wenn sich schwarze Punkte am Hori¬<lb/> zonte anhäufe« n»d die Republik bedrohen. Welches sind diese schwarzen Punkte?<lb/> Wo sind sie ? An den Ufern der Spree. Dort wird auf dem großen politischen<lb/> Schachbret um die Geschicke Europas gespielt. Jede Nation ist dort durch ihre<lb/> feinsten Diplomaten vertreten. Ist es nothwendig, die stärksten Kämpfer, die<lb/> an der Spitze stehen, zu nennen? Es sind Bismarck und Gambetta. Was wird<lb/> ans diesen geheimen Unterredungen hervorgehen? Eine nahe Zukunft wird es<lb/> uns sagen. Der diplomatische Krieg naht sich seinem Ende, und die tunesische<lb/> Expedition könnte das Vorspiel zu einem Kampfe sein, wo der Degen an die<lb/> Stelle der Feder tritt."</p><lb/> <p xml:id="ID_23"> Gambetta hat diese abgeschmackte Faselei gewiß nicht nach ihrem Wort¬<lb/> laute veranlaßt, aber viel weniger sicher ist, daß sie nicht gewisse Gedanken an¬<lb/> deutete, die ihn damals erfüllten, und jedenfalls drückte sie sein Bedürfniß aus,<lb/> sein Thun in Cahors als hochbedcntsam betrachtet zu sehen. Als nnn Nachricht<lb/> eintraf, daß der officielle Empfang, den ihm die Minister des Kriegs, des Innern<lb/> und der Justiz in Censors bereitet, in Paris starken Anstoß erregt und die<lb/> Abneigung des Senats gegen die Listenabstimmung verstärkt habe, folgte der<lb/> Heizung die Abkühlung, und als das nicht verfing, die Bedrohung. Aber der<lb/> Senat ließ sich nicht einschüchtern, er zeigte Gambetta, daß er noch nicht all¬<lb/> mächtig war. Er schwieg den Bardonxschen Gesetzentwurf todt und verhandelte<lb/> im Plenum gar nicht darüber.</p><lb/> <p xml:id="ID_24" next="#ID_25"> Der Pariser Senat führt eine Art Pflanzenleben, er vegetirt mehr als er<lb/> lebt. Indeß ist er doch keineswegs so ohnmächtig und bedeutungslos, wie Manche<lb/> glauben. Von Zeit zu Zeit empfindet er das Bedürfniß, wissen zu lassen, daß<lb/> er auch noch da ist und gehört werden muß, wenn Politik gemacht werde» soll,<lb/> und dazu war ihm bisher ein abwehrendes Verhalten das geeignetste Mittel.<lb/> Diesmal traf es sich, daß die Landesinteressen mit denen der Körperschaft im<lb/> wesentlichen zusammenfielen, und daß der Präsident der Republik derselbe»<lb/> Meimmg wie der Senat war. Der letzrc fürchtete den Conflict mit der Mehr¬<lb/> heit des andern Hanfes nicht. Ihn? war es darum zu thun, Gambettas Macht<lb/> und Ansehen nicht über ein bestimmtes Maß hinauswachsen zu lassen, ihm zu be¬<lb/> weisen, daß er vorläufig noch Schranken vor sich habe, und darum bereitete er<lb/> ihm eine Niederlage. Gropp aber dachte zwar anch an das bisherige bedenk¬<lb/> liche Anwachsen der Gewalt Gambettas, fürchtete aber zugleich auch noch ein<lb/> andres, als er die unsichtbare Leitung der Bewegung im Senat übernahm: er</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0014]
Gambetta und kein Lüde.
auf dem Präsidentenstuhle säße, und deshalb ließ er am Tage seiner Ankunft
sein Cahorser Blatt, den „Repnblieain du Lot" folgende stolze Worte in die
Welt hinausrufen: „Die ergebenste und thatkräftigste Bevölkerung des Lot und
der angrenzenden Departements kommt nach Cahors, »in Gambetta zu begrüßen.
Unter den gegenwärtigen Verhältnissen hat diese Vereinigung von Republikanern
eine hohe Bedeutung; denn man weiß, daß der gewaltige Volkstribnn diese
große Volksversammlung nur dann beruft, wenn sich schwarze Punkte am Hori¬
zonte anhäufe« n»d die Republik bedrohen. Welches sind diese schwarzen Punkte?
Wo sind sie ? An den Ufern der Spree. Dort wird auf dem großen politischen
Schachbret um die Geschicke Europas gespielt. Jede Nation ist dort durch ihre
feinsten Diplomaten vertreten. Ist es nothwendig, die stärksten Kämpfer, die
an der Spitze stehen, zu nennen? Es sind Bismarck und Gambetta. Was wird
ans diesen geheimen Unterredungen hervorgehen? Eine nahe Zukunft wird es
uns sagen. Der diplomatische Krieg naht sich seinem Ende, und die tunesische
Expedition könnte das Vorspiel zu einem Kampfe sein, wo der Degen an die
Stelle der Feder tritt."
Gambetta hat diese abgeschmackte Faselei gewiß nicht nach ihrem Wort¬
laute veranlaßt, aber viel weniger sicher ist, daß sie nicht gewisse Gedanken an¬
deutete, die ihn damals erfüllten, und jedenfalls drückte sie sein Bedürfniß aus,
sein Thun in Cahors als hochbedcntsam betrachtet zu sehen. Als nnn Nachricht
eintraf, daß der officielle Empfang, den ihm die Minister des Kriegs, des Innern
und der Justiz in Censors bereitet, in Paris starken Anstoß erregt und die
Abneigung des Senats gegen die Listenabstimmung verstärkt habe, folgte der
Heizung die Abkühlung, und als das nicht verfing, die Bedrohung. Aber der
Senat ließ sich nicht einschüchtern, er zeigte Gambetta, daß er noch nicht all¬
mächtig war. Er schwieg den Bardonxschen Gesetzentwurf todt und verhandelte
im Plenum gar nicht darüber.
Der Pariser Senat führt eine Art Pflanzenleben, er vegetirt mehr als er
lebt. Indeß ist er doch keineswegs so ohnmächtig und bedeutungslos, wie Manche
glauben. Von Zeit zu Zeit empfindet er das Bedürfniß, wissen zu lassen, daß
er auch noch da ist und gehört werden muß, wenn Politik gemacht werde» soll,
und dazu war ihm bisher ein abwehrendes Verhalten das geeignetste Mittel.
Diesmal traf es sich, daß die Landesinteressen mit denen der Körperschaft im
wesentlichen zusammenfielen, und daß der Präsident der Republik derselbe»
Meimmg wie der Senat war. Der letzrc fürchtete den Conflict mit der Mehr¬
heit des andern Hanfes nicht. Ihn? war es darum zu thun, Gambettas Macht
und Ansehen nicht über ein bestimmtes Maß hinauswachsen zu lassen, ihm zu be¬
weisen, daß er vorläufig noch Schranken vor sich habe, und darum bereitete er
ihm eine Niederlage. Gropp aber dachte zwar anch an das bisherige bedenk¬
liche Anwachsen der Gewalt Gambettas, fürchtete aber zugleich auch noch ein
andres, als er die unsichtbare Leitung der Bewegung im Senat übernahm: er
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