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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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auf die er mit bewegter Stimme antwortete. Nachdem er seine Eltern umarmt,
stieg er mit diesen, dem Prcifeeten und dem Maire in eine Kutsche und fuhr
durch die reichbeflaggten Straßen unter fortgesetzten Hochrufen des Publicums
nach seinem Hotel. Abends war die Stadt ihm zu Ehren illuminirt.

Am folgenden Tage machten eine Menge von Deputationen dem Stern der
Zukunft Frankreichs ihre Aufwartung, und der Telegraph trug jedes der kost¬
baren Worte, die seinem Munde inbctreff dieser Zukunft entflossen, wie eine
wichtige Prophezeiung in die erwartungsvolle Welt hinaus. Der Imperialismus
feierte im bürgerlichen Rocke seine Auferstehung. Wie ehedem Louis Napoleon
mit seiner studirten Einfachheit und seinem beredten Schweigen im Norden Frank¬
reichs alle Philister bezaubert hatte, so entzückte jetzt der Präsident der Deputirten-
kammer durch seine schlichten Erwiderungen auf die an ihn gerichteten Anreden
die französische Demokratie alten und neuen Datums. Die ganze Jnseenirnng
zeigte, daß Gambetta seine Landsleute kennt und zu nehmen weiß. Ihm brachte
es Nutzen, und ihnen machte es Vergnüge". Man urtheilt nicht mehr herb über
grobe Ueberschwenglichkeit und Byzantinismus bei Besuchen fürstlicher Personen
in der Provinz, wenn man diese Ergüsse der Ergebenheit gegen den Tribun einer
Republik liest. Zuerst kamen die Handlungsreisender, Gambettas bevorzugte
Anhänger, mit einer solchen verehrungsvollen Ansprache. Sehr charakteristisch
für die Stellung, welche der jetzige Kammerpräsident einnimmt, war der Um¬
stand, daß auch das Militär ihm huldigte, indem das Offizierscorps von Cahors,
den Commandeur, einen General, an der Spitze, vor ihm erschien, um ihm seine
Anhänglichkeit an die Republik zu betheuern und von ihm die Versicherung zu
empfange", daß er wisse, wieviel Intelligenz, guter Wille und Patriotismus
unter den Herren vorhanden seien, und welche Fortschritte sie gemacht Hütten.
Hierauf stellten sich die Gerichte mit einer Ergebenheitsadresse, die nur mit einer
beschränkten Belobigung erwidert wurde. Der Präsident des Abgeordnetenhauses
sprach dabei ganz, wie wenn er schon Präsident der Republik wäre, ja sein Ton
klang wiederholt ungefähr wie die Worte, die Napoleon III. 1859 beim Neu-
jahrsempfcuige an den österreichischen Gesandten gerichtet. "Meine Herren,"
sagten Se. Republikanische Hoheit mit gelinder Herbheit, "der von Ihnen so
würdig vertretne Richterstand ist ein nothwendiger Schiedsmcmn zwischen den
Parteien; leider aber zeigte er sich seit zehn Jahren gewissen Parteien zum Schaden,
andern günstig, man konnte selbst glauben, er wolle für sich selbst eine Partei
bilden. Diese Haltung, welche ich mit allen guten Bürgern bedauert habe, lenkte
von dieser großen und schönen Einrichtung die republikanische Meinung, d. h. die
Mehrheit der Nation, ab, und dies erklärt die Maßregeln, welche man gegen sie
zu ergreifen gedachte. Aber die Zeit führte in dieser Frage zu merklicher Be¬
ruhigung, zu der ich nur Glück wünsche . . . Ich wage nicht, zu behaupten, daß
die republikanische Meinung völlig zufrieden gestellt ist, aber eine Lösung im
Verlaufe der gegenwärtigen Session ist wenig wahrscheinlich, n"d es wird der


auf die er mit bewegter Stimme antwortete. Nachdem er seine Eltern umarmt,
stieg er mit diesen, dem Prcifeeten und dem Maire in eine Kutsche und fuhr
durch die reichbeflaggten Straßen unter fortgesetzten Hochrufen des Publicums
nach seinem Hotel. Abends war die Stadt ihm zu Ehren illuminirt.

Am folgenden Tage machten eine Menge von Deputationen dem Stern der
Zukunft Frankreichs ihre Aufwartung, und der Telegraph trug jedes der kost¬
baren Worte, die seinem Munde inbctreff dieser Zukunft entflossen, wie eine
wichtige Prophezeiung in die erwartungsvolle Welt hinaus. Der Imperialismus
feierte im bürgerlichen Rocke seine Auferstehung. Wie ehedem Louis Napoleon
mit seiner studirten Einfachheit und seinem beredten Schweigen im Norden Frank¬
reichs alle Philister bezaubert hatte, so entzückte jetzt der Präsident der Deputirten-
kammer durch seine schlichten Erwiderungen auf die an ihn gerichteten Anreden
die französische Demokratie alten und neuen Datums. Die ganze Jnseenirnng
zeigte, daß Gambetta seine Landsleute kennt und zu nehmen weiß. Ihm brachte
es Nutzen, und ihnen machte es Vergnüge». Man urtheilt nicht mehr herb über
grobe Ueberschwenglichkeit und Byzantinismus bei Besuchen fürstlicher Personen
in der Provinz, wenn man diese Ergüsse der Ergebenheit gegen den Tribun einer
Republik liest. Zuerst kamen die Handlungsreisender, Gambettas bevorzugte
Anhänger, mit einer solchen verehrungsvollen Ansprache. Sehr charakteristisch
für die Stellung, welche der jetzige Kammerpräsident einnimmt, war der Um¬
stand, daß auch das Militär ihm huldigte, indem das Offizierscorps von Cahors,
den Commandeur, einen General, an der Spitze, vor ihm erschien, um ihm seine
Anhänglichkeit an die Republik zu betheuern und von ihm die Versicherung zu
empfange», daß er wisse, wieviel Intelligenz, guter Wille und Patriotismus
unter den Herren vorhanden seien, und welche Fortschritte sie gemacht Hütten.
Hierauf stellten sich die Gerichte mit einer Ergebenheitsadresse, die nur mit einer
beschränkten Belobigung erwidert wurde. Der Präsident des Abgeordnetenhauses
sprach dabei ganz, wie wenn er schon Präsident der Republik wäre, ja sein Ton
klang wiederholt ungefähr wie die Worte, die Napoleon III. 1859 beim Neu-
jahrsempfcuige an den österreichischen Gesandten gerichtet. „Meine Herren,"
sagten Se. Republikanische Hoheit mit gelinder Herbheit, „der von Ihnen so
würdig vertretne Richterstand ist ein nothwendiger Schiedsmcmn zwischen den
Parteien; leider aber zeigte er sich seit zehn Jahren gewissen Parteien zum Schaden,
andern günstig, man konnte selbst glauben, er wolle für sich selbst eine Partei
bilden. Diese Haltung, welche ich mit allen guten Bürgern bedauert habe, lenkte
von dieser großen und schönen Einrichtung die republikanische Meinung, d. h. die
Mehrheit der Nation, ab, und dies erklärt die Maßregeln, welche man gegen sie
zu ergreifen gedachte. Aber die Zeit führte in dieser Frage zu merklicher Be¬
ruhigung, zu der ich nur Glück wünsche . . . Ich wage nicht, zu behaupten, daß
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/12>, abgerufen am 01.09.2024.