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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Die Entwicklung der Feudalität und das deutsche Kriegswesen im frühen Mittelalter.

fachen Wergeldes.^) Aus dieser trüstis cloimoicÄ sowie ans der Gesammt¬
heit aller Beamten am Hofe und im Reiche, die im weiter" Sinne sämmtlich
zum Comitate des Königs gehörten, entwickelt sich nun eine neue Aristokratie,
was um so leichter, ja, wenn man will, um so nothwendiger war, als von dem
alten Adel der Franken die königliche Familie ausschließlich übrig geblieben war.
Diese Entwicklung einer neuen Aristokratie geht jedoch nicht lediglich von dem
altgermanischen Institute des Cvmitats ans, vielmehr haben gallisch-romanische
Einrichtungen nud insbesondre die Besitzverhältnisse ebenso großen Einfluß darauf
gehabt, und darum ist es nothwendig, einen Blick auf die Zustände Galliens
im Augenblicke der fränkischen Eroberung zu werfen.

Nach altrömischem Rechte wurden besiegte Völker vollständig depossedirt;
ihr gesäumtes Gebiet, nicht nur das fiscalische, sondern auch das private, ging
als g-Mi' xiMiov.8 in das Staatseigenthum des römischen Volkes über, und die
bisherige" Inhaber behielten eben nur den Nießbrauch. Der Staat konnte den
Grund und Boden verkaufen oder verschenken, und er that dies nicht selten zu
Gunsten der Besitzer, die dann wieder wirkliche Eigenthümer wurden; aber er
that es auch zu Gunsten von Colonisten, welche er in dem eroberten Lande an-
zusiedeln wünschte. In beiden Füllen wurden die vom Staate hergcgebnen Grund¬
stücke (tuiM AonAti) freies Eigenthum des Empfängers; er besaß dieselben als
Herr (äominu") und durfte sie vererben, verkaufen oder verschenken. Ausgenommen
waren hiervon nur diejenigen Güter, welche als Grenzcrlchcn in den libsr dens-
llvim'um eingetragen waren und lediglich von einem Krieger auf deu andern
erbte". (Vgl. oben S. 96.)

Außer dein vollen Eigenthume und außer den Grcnzerlehen gab es nun
über im römischen Reiche noch eine dritte, nicht sowohl ungesetzliche als außer¬
gesetzliche Form des Grundbesitzes, welche beiMomiri oder xrövMum genannt
wurde und welche für die Entwicklung des mittelalterlichen Rechtszustandes wie
des mittelalterliche" Kriegswesens von entscheidender Wichtigkeit ist, weil sie die
vornehmste Quelle der Feudalität ward.

In den ältern Zeiten, als es Capital- und Mobiliar-Vermögen im modernen
Sinne kaum noch gab, also auch unter deu römischen Kaisern, beruhte die Macht
des Reichthums, beruhten die sociale Bedeutung und der politische Einfluß der
Besitzenden ausschließlich auf ihrem Grundeigenthum. Um dieses drehten sich
alle Interessen. In den Provinzen ging aus dem Kreise der bedeutenderen Land¬
besitzer jener vräo soiutwrws hervor, in dessen Händen die gesammte Localadmi-
"istration und auch el" großer Theil der Staatsverwaltung lag. Gewährte
somit der Grundbesitz namhafte Vorzüge, so hatte er dafür auch alle Stants-
lasten zu tragen, und der Steuerdruck, der in den letzten Zelte" des römischen



Wergeld Maungeld ist diejenige Buße, welche nach altdeutschem Rechte or>u einem
TvdschMger denen zu zahlen war, welche eigentlich zur Blutrache berufen waren.
Die Entwicklung der Feudalität und das deutsche Kriegswesen im frühen Mittelalter.

fachen Wergeldes.^) Aus dieser trüstis cloimoicÄ sowie ans der Gesammt¬
heit aller Beamten am Hofe und im Reiche, die im weiter» Sinne sämmtlich
zum Comitate des Königs gehörten, entwickelt sich nun eine neue Aristokratie,
was um so leichter, ja, wenn man will, um so nothwendiger war, als von dem
alten Adel der Franken die königliche Familie ausschließlich übrig geblieben war.
Diese Entwicklung einer neuen Aristokratie geht jedoch nicht lediglich von dem
altgermanischen Institute des Cvmitats ans, vielmehr haben gallisch-romanische
Einrichtungen nud insbesondre die Besitzverhältnisse ebenso großen Einfluß darauf
gehabt, und darum ist es nothwendig, einen Blick auf die Zustände Galliens
im Augenblicke der fränkischen Eroberung zu werfen.

Nach altrömischem Rechte wurden besiegte Völker vollständig depossedirt;
ihr gesäumtes Gebiet, nicht nur das fiscalische, sondern auch das private, ging
als g-Mi' xiMiov.8 in das Staatseigenthum des römischen Volkes über, und die
bisherige» Inhaber behielten eben nur den Nießbrauch. Der Staat konnte den
Grund und Boden verkaufen oder verschenken, und er that dies nicht selten zu
Gunsten der Besitzer, die dann wieder wirkliche Eigenthümer wurden; aber er
that es auch zu Gunsten von Colonisten, welche er in dem eroberten Lande an-
zusiedeln wünschte. In beiden Füllen wurden die vom Staate hergcgebnen Grund¬
stücke (tuiM AonAti) freies Eigenthum des Empfängers; er besaß dieselben als
Herr (äominu«) und durfte sie vererben, verkaufen oder verschenken. Ausgenommen
waren hiervon nur diejenigen Güter, welche als Grenzcrlchcn in den libsr dens-
llvim'um eingetragen waren und lediglich von einem Krieger auf deu andern
erbte». (Vgl. oben S. 96.)

Außer dein vollen Eigenthume und außer den Grcnzerlehen gab es nun
über im römischen Reiche noch eine dritte, nicht sowohl ungesetzliche als außer¬
gesetzliche Form des Grundbesitzes, welche beiMomiri oder xrövMum genannt
wurde und welche für die Entwicklung des mittelalterlichen Rechtszustandes wie
des mittelalterliche» Kriegswesens von entscheidender Wichtigkeit ist, weil sie die
vornehmste Quelle der Feudalität ward.

In den ältern Zeiten, als es Capital- und Mobiliar-Vermögen im modernen
Sinne kaum noch gab, also auch unter deu römischen Kaisern, beruhte die Macht
des Reichthums, beruhten die sociale Bedeutung und der politische Einfluß der
Besitzenden ausschließlich auf ihrem Grundeigenthum. Um dieses drehten sich
alle Interessen. In den Provinzen ging aus dem Kreise der bedeutenderen Land¬
besitzer jener vräo soiutwrws hervor, in dessen Händen die gesammte Localadmi-
"istration und auch el» großer Theil der Staatsverwaltung lag. Gewährte
somit der Grundbesitz namhafte Vorzüge, so hatte er dafür auch alle Stants-
lasten zu tragen, und der Steuerdruck, der in den letzten Zelte» des römischen



Wergeld Maungeld ist diejenige Buße, welche nach altdeutschem Rechte or>u einem
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[0107] Die Entwicklung der Feudalität und das deutsche Kriegswesen im frühen Mittelalter. fachen Wergeldes.^) Aus dieser trüstis cloimoicÄ sowie ans der Gesammt¬ heit aller Beamten am Hofe und im Reiche, die im weiter» Sinne sämmtlich zum Comitate des Königs gehörten, entwickelt sich nun eine neue Aristokratie, was um so leichter, ja, wenn man will, um so nothwendiger war, als von dem alten Adel der Franken die königliche Familie ausschließlich übrig geblieben war. Diese Entwicklung einer neuen Aristokratie geht jedoch nicht lediglich von dem altgermanischen Institute des Cvmitats ans, vielmehr haben gallisch-romanische Einrichtungen nud insbesondre die Besitzverhältnisse ebenso großen Einfluß darauf gehabt, und darum ist es nothwendig, einen Blick auf die Zustände Galliens im Augenblicke der fränkischen Eroberung zu werfen. Nach altrömischem Rechte wurden besiegte Völker vollständig depossedirt; ihr gesäumtes Gebiet, nicht nur das fiscalische, sondern auch das private, ging als g-Mi' xiMiov.8 in das Staatseigenthum des römischen Volkes über, und die bisherige» Inhaber behielten eben nur den Nießbrauch. Der Staat konnte den Grund und Boden verkaufen oder verschenken, und er that dies nicht selten zu Gunsten der Besitzer, die dann wieder wirkliche Eigenthümer wurden; aber er that es auch zu Gunsten von Colonisten, welche er in dem eroberten Lande an- zusiedeln wünschte. In beiden Füllen wurden die vom Staate hergcgebnen Grund¬ stücke (tuiM AonAti) freies Eigenthum des Empfängers; er besaß dieselben als Herr (äominu«) und durfte sie vererben, verkaufen oder verschenken. Ausgenommen waren hiervon nur diejenigen Güter, welche als Grenzcrlchcn in den libsr dens- llvim'um eingetragen waren und lediglich von einem Krieger auf deu andern erbte». (Vgl. oben S. 96.) Außer dein vollen Eigenthume und außer den Grcnzerlehen gab es nun über im römischen Reiche noch eine dritte, nicht sowohl ungesetzliche als außer¬ gesetzliche Form des Grundbesitzes, welche beiMomiri oder xrövMum genannt wurde und welche für die Entwicklung des mittelalterlichen Rechtszustandes wie des mittelalterliche» Kriegswesens von entscheidender Wichtigkeit ist, weil sie die vornehmste Quelle der Feudalität ward. In den ältern Zeiten, als es Capital- und Mobiliar-Vermögen im modernen Sinne kaum noch gab, also auch unter deu römischen Kaisern, beruhte die Macht des Reichthums, beruhten die sociale Bedeutung und der politische Einfluß der Besitzenden ausschließlich auf ihrem Grundeigenthum. Um dieses drehten sich alle Interessen. In den Provinzen ging aus dem Kreise der bedeutenderen Land¬ besitzer jener vräo soiutwrws hervor, in dessen Händen die gesammte Localadmi- "istration und auch el» großer Theil der Staatsverwaltung lag. Gewährte somit der Grundbesitz namhafte Vorzüge, so hatte er dafür auch alle Stants- lasten zu tragen, und der Steuerdruck, der in den letzten Zelte» des römischen Wergeld Maungeld ist diejenige Buße, welche nach altdeutschem Rechte or>u einem TvdschMger denen zu zahlen war, welche eigentlich zur Blutrache berufen waren.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/107>, abgerufen am 01.09.2024.