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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Zur Jusceuiruug classischer Vperu.

Und sanft umfächelt Zephir nun die Blüthen;
Durchs Ganze der Natur herrscht süßer Frieden.
Komm, Bester! Komm, des Lebens zu genieße",
Ich harre dein -- mit tausend Liebesküssen!"

Man vergleiche damit den Schluß des jetzt gangbaren dentschen Textes:


"Die Blumen duften aus deu bunten Wiese";

Alles lockt uns zu Liede, Freud' und Wonne,

Komm doch, mein Trauter! laß lttuger mich nicht harren,

Komm, Trauter, daß ich mit Rosen kränze Dein Haupt!


Der Unterschied ist klar. Jenes paßt mir für das Drama, welches zu Hause im
Zusammenhange gelesen werden soll, "ut verstößt gröblich gegen die Mozartsche
Eompvsitivn; dieses hingegen ist mit den Noten im Einklang und nimmt sich
gut auf der Bühne aus, aber dafür liest es sich schlecht. Beide Forderungen
müssen zugleich erfüllt werden. Die betreffende Seine kau" außerdem dahin ab¬
geändert werden, daß Susanne, ohne belauscht zu sein, ihre wahren, dnrch Mar-
eelliueus Mittheilung hervvrgerufncn Gefühle zum Ausdruck bringt. Dadurch
wird die Situation besser und stimmt mehr zu dem Charakter der Musik.

Der komischen Oper OoÄ, kW kutes ist eingehende Beschäftigung gewidmet
worden. Der förmliche Schauder, den viele Leute vor diesem Sujet der Weiber-
nntrene aufspielen, erscheint in der That übertrieben. Besondre Bedeutung darf
freilich dem Werke nicht beigemessen werden; aber es ist besser und verwendbarer
als viele andre berühmt gewordne komische Opern, in denen weit unfeinere, ja
absolut schlechte Erfindungen vorkommen und die dessenungeachtet weniger Tadel
finden. Wäre der Inhalt wirklich verletzend, so hätte ein so edler Künstler und
Mensch lvie Mozart die Composition nicht in Angriff genommen. Das Mi߬
liche in Oosi t'im wees, worüber man sich selten Rechenschaft giebt, liegt nicht
sowohl in der Verstellung der Liebhaber zu dem Zwecke, die Frauentreue einer
Probe zu unterzieh", oder in der leichten Art, mit der hier die Dinge hin¬
genommen werden, als vielmehr in der Vereinigung der Prüfungsidee mit den
komischen Elementen, wodurch die fortgesetzten Trügereien etwas peinliches be¬
kommen. Ein weitrer Anstoß, der sich auf den Umstand bezieht, daß jeder der
beiden jungen Männer die Geliebte des andern zur Untreue verleitet, und der
mit der ursprünglichen satirischen Tendenz des Ganzen zusammenhängt, kann
glücklicher Weise ohne allzu große Gewalt vermieden werden. Der Vorwurf,
den man den Verkleidungen macht, als sei die Täuschung der Geliebten unwahr¬
scheinlich, ist gewiß nicht begründet, zumal da die ganze Behandlung leichten Genres
ist. Solche Mittel gehören zu den wenigen Vorrechten der Bühne, obgleich sie
in Wirklichkeit nicht vorkommen können. Denn in der Oper gilt der Mensch
nur nach dem, was man von ihm sieht; sein Kleid ist das einzige, äußerlich


Zur Jusceuiruug classischer Vperu.

Und sanft umfächelt Zephir nun die Blüthen;
Durchs Ganze der Natur herrscht süßer Frieden.
Komm, Bester! Komm, des Lebens zu genieße»,
Ich harre dein — mit tausend Liebesküssen!"

Man vergleiche damit den Schluß des jetzt gangbaren dentschen Textes:


„Die Blumen duften aus deu bunten Wiese»;

Alles lockt uns zu Liede, Freud' und Wonne,

Komm doch, mein Trauter! laß lttuger mich nicht harren,

Komm, Trauter, daß ich mit Rosen kränze Dein Haupt!


Der Unterschied ist klar. Jenes paßt mir für das Drama, welches zu Hause im
Zusammenhange gelesen werden soll, »ut verstößt gröblich gegen die Mozartsche
Eompvsitivn; dieses hingegen ist mit den Noten im Einklang und nimmt sich
gut auf der Bühne aus, aber dafür liest es sich schlecht. Beide Forderungen
müssen zugleich erfüllt werden. Die betreffende Seine kau» außerdem dahin ab¬
geändert werden, daß Susanne, ohne belauscht zu sein, ihre wahren, dnrch Mar-
eelliueus Mittheilung hervvrgerufncn Gefühle zum Ausdruck bringt. Dadurch
wird die Situation besser und stimmt mehr zu dem Charakter der Musik.

Der komischen Oper OoÄ, kW kutes ist eingehende Beschäftigung gewidmet
worden. Der förmliche Schauder, den viele Leute vor diesem Sujet der Weiber-
nntrene aufspielen, erscheint in der That übertrieben. Besondre Bedeutung darf
freilich dem Werke nicht beigemessen werden; aber es ist besser und verwendbarer
als viele andre berühmt gewordne komische Opern, in denen weit unfeinere, ja
absolut schlechte Erfindungen vorkommen und die dessenungeachtet weniger Tadel
finden. Wäre der Inhalt wirklich verletzend, so hätte ein so edler Künstler und
Mensch lvie Mozart die Composition nicht in Angriff genommen. Das Mi߬
liche in Oosi t'im wees, worüber man sich selten Rechenschaft giebt, liegt nicht
sowohl in der Verstellung der Liebhaber zu dem Zwecke, die Frauentreue einer
Probe zu unterzieh», oder in der leichten Art, mit der hier die Dinge hin¬
genommen werden, als vielmehr in der Vereinigung der Prüfungsidee mit den
komischen Elementen, wodurch die fortgesetzten Trügereien etwas peinliches be¬
kommen. Ein weitrer Anstoß, der sich auf den Umstand bezieht, daß jeder der
beiden jungen Männer die Geliebte des andern zur Untreue verleitet, und der
mit der ursprünglichen satirischen Tendenz des Ganzen zusammenhängt, kann
glücklicher Weise ohne allzu große Gewalt vermieden werden. Der Vorwurf,
den man den Verkleidungen macht, als sei die Täuschung der Geliebten unwahr¬
scheinlich, ist gewiß nicht begründet, zumal da die ganze Behandlung leichten Genres
ist. Solche Mittel gehören zu den wenigen Vorrechten der Bühne, obgleich sie
in Wirklichkeit nicht vorkommen können. Denn in der Oper gilt der Mensch
nur nach dem, was man von ihm sieht; sein Kleid ist das einzige, äußerlich


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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

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Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/73>, abgerufen am 27.08.2024.