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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Zur Znscenirung classischer Opern.

Es liegt auf der Hand, daß Opern wie Ortso und ^Jos8w der scenischen
Pracht nicht entbehren können. Die Ausstattung muß einfachen Stils, aber
glänzend sein, damit man die volle Bedeutung des Vorgeführten nicht bloß ahne,
sonder" lebhaft empfinde. In dieser Hinsicht ist namentlich die Elysiumscenerie
eine hervorragende Aufgabe für die moderne Bühne. Niemand wird zwar be¬
anspruchen, daß man von dem Anblick der seligen Gefilde ebenso ergriffen werde,
als es Orpheus selbst auf der Scene zum Ausdruck bringt; aber soviel kann
man fordern, daß nicht infolge der Gewöhnlichkeit der Scenerie das Verhalten
des Helden -- (!Ks xuro visi "to. -- unsympathisch erscheint und seine Wirkung
verfehlt. Die Chöre in den fraglichen Werken sind von so unvergleichlicher
Schönheit, daß man nur gute und wohlklingende Stimmen zu ihrer Wiedergabe
heranziehen sollte. Was die Auffassung der Gluckschen Tempi angeht, worin
manches Schwanken herrscht, so lassen ^jci im allgemeinen gerade die beiden
italienischen Werke des Meisters viel Ruhe und Getragenheit zu, wie beispiels¬
weise die Furieuchöre oder das berühmte Stück L!it6 ka.ro langsamer gehn könnten,
als man gewöhnlich null. Dagegen sei als einer von den wenigen Sätzen, die
nicht verschleppt werden dürfen, die Arie Lnilrmo it mio l>su hervorgehoben.
Schon die zweimalige Wiederkehr dieses Satzes, die mau nicht umgehen darf,
würde eine gewisse Eintönigkeit verursachen, wenn die Klage zu feierlich ausfiele.

Ueber ^.rmiäö ist bereits von andrer Seite mancherlei angedeutet worden.
Es hat indeß bisweilen sein Mißliches, bloß die gedankliche Hebung im Auge
zu haben und liebgewordue, in mancher Beziehung reizvolle Theile geradezu zu
beseitigen. Man könnte demnach den ursprünglichen dritten und vierten Act in
der Weise zu einem zusammenziehn, daß die Verlockuugssceucn, die so wie so
vereinfacht werden müssen, in den dritten Act als Mittelstück eingeschoben werden.
Die beiden Ritter müßten dann als erst auf dem Wege begriffen, nicht schon
unmittelbar vor Armidens Palast angelangt zu denken sein. Das Ganze würde
folgenden Zusammenhang haben: 1. Scene: Unterirdische, nach hinten sich un¬
bestimmt öffnende Halle, a. Armida allein, ^.K! si ig. lidertö ?c. b. Die Zofen
kommen hinzu und jubeln in ihrer Unwissenheit über die Liebe, in die Rinaldo
versetzt ist. Armida entgegnet: I/Mehr n'a M Moors romM mon vspoiAirok :c.
Sie ahnt ein Unheil, das durch die Abgesandten Gottfrieds herbeigeführt werde,
und befiehlt, man möge eilen, die gefährlichen Ritter durch alle Arten von Zauber¬
kunst abzuhalten. 0. Armida allein, den Beiden bitter nachblickend: "Er liebt
mich? Erglüht für mich? O Flamme, die mich schmäht! Hier fleht nicht freie
Liebe; sie folgt dem Machtgebot der Zauberin allein. Wie anders ist die Glut,
die mich für ihn entbrannt!" Aber sie vermag nichts zu ändern und kehrt zu
den vier Anfangszeiten der alten Klage M! si la libsM :c. zurück, in denen


Zur Znscenirung classischer Opern.

Es liegt auf der Hand, daß Opern wie Ortso und ^Jos8w der scenischen
Pracht nicht entbehren können. Die Ausstattung muß einfachen Stils, aber
glänzend sein, damit man die volle Bedeutung des Vorgeführten nicht bloß ahne,
sonder» lebhaft empfinde. In dieser Hinsicht ist namentlich die Elysiumscenerie
eine hervorragende Aufgabe für die moderne Bühne. Niemand wird zwar be¬
anspruchen, daß man von dem Anblick der seligen Gefilde ebenso ergriffen werde,
als es Orpheus selbst auf der Scene zum Ausdruck bringt; aber soviel kann
man fordern, daß nicht infolge der Gewöhnlichkeit der Scenerie das Verhalten
des Helden — (!Ks xuro visi «to. — unsympathisch erscheint und seine Wirkung
verfehlt. Die Chöre in den fraglichen Werken sind von so unvergleichlicher
Schönheit, daß man nur gute und wohlklingende Stimmen zu ihrer Wiedergabe
heranziehen sollte. Was die Auffassung der Gluckschen Tempi angeht, worin
manches Schwanken herrscht, so lassen ^jci im allgemeinen gerade die beiden
italienischen Werke des Meisters viel Ruhe und Getragenheit zu, wie beispiels¬
weise die Furieuchöre oder das berühmte Stück L!it6 ka.ro langsamer gehn könnten,
als man gewöhnlich null. Dagegen sei als einer von den wenigen Sätzen, die
nicht verschleppt werden dürfen, die Arie Lnilrmo it mio l>su hervorgehoben.
Schon die zweimalige Wiederkehr dieses Satzes, die mau nicht umgehen darf,
würde eine gewisse Eintönigkeit verursachen, wenn die Klage zu feierlich ausfiele.

Ueber ^.rmiäö ist bereits von andrer Seite mancherlei angedeutet worden.
Es hat indeß bisweilen sein Mißliches, bloß die gedankliche Hebung im Auge
zu haben und liebgewordue, in mancher Beziehung reizvolle Theile geradezu zu
beseitigen. Man könnte demnach den ursprünglichen dritten und vierten Act in
der Weise zu einem zusammenziehn, daß die Verlockuugssceucn, die so wie so
vereinfacht werden müssen, in den dritten Act als Mittelstück eingeschoben werden.
Die beiden Ritter müßten dann als erst auf dem Wege begriffen, nicht schon
unmittelbar vor Armidens Palast angelangt zu denken sein. Das Ganze würde
folgenden Zusammenhang haben: 1. Scene: Unterirdische, nach hinten sich un¬
bestimmt öffnende Halle, a. Armida allein, ^.K! si ig. lidertö ?c. b. Die Zofen
kommen hinzu und jubeln in ihrer Unwissenheit über die Liebe, in die Rinaldo
versetzt ist. Armida entgegnet: I/Mehr n'a M Moors romM mon vspoiAirok :c.
Sie ahnt ein Unheil, das durch die Abgesandten Gottfrieds herbeigeführt werde,
und befiehlt, man möge eilen, die gefährlichen Ritter durch alle Arten von Zauber¬
kunst abzuhalten. 0. Armida allein, den Beiden bitter nachblickend: „Er liebt
mich? Erglüht für mich? O Flamme, die mich schmäht! Hier fleht nicht freie
Liebe; sie folgt dem Machtgebot der Zauberin allein. Wie anders ist die Glut,
die mich für ihn entbrannt!" Aber sie vermag nichts zu ändern und kehrt zu
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[0068] Zur Znscenirung classischer Opern. Es liegt auf der Hand, daß Opern wie Ortso und ^Jos8w der scenischen Pracht nicht entbehren können. Die Ausstattung muß einfachen Stils, aber glänzend sein, damit man die volle Bedeutung des Vorgeführten nicht bloß ahne, sonder» lebhaft empfinde. In dieser Hinsicht ist namentlich die Elysiumscenerie eine hervorragende Aufgabe für die moderne Bühne. Niemand wird zwar be¬ anspruchen, daß man von dem Anblick der seligen Gefilde ebenso ergriffen werde, als es Orpheus selbst auf der Scene zum Ausdruck bringt; aber soviel kann man fordern, daß nicht infolge der Gewöhnlichkeit der Scenerie das Verhalten des Helden — (!Ks xuro visi «to. — unsympathisch erscheint und seine Wirkung verfehlt. Die Chöre in den fraglichen Werken sind von so unvergleichlicher Schönheit, daß man nur gute und wohlklingende Stimmen zu ihrer Wiedergabe heranziehen sollte. Was die Auffassung der Gluckschen Tempi angeht, worin manches Schwanken herrscht, so lassen ^jci im allgemeinen gerade die beiden italienischen Werke des Meisters viel Ruhe und Getragenheit zu, wie beispiels¬ weise die Furieuchöre oder das berühmte Stück L!it6 ka.ro langsamer gehn könnten, als man gewöhnlich null. Dagegen sei als einer von den wenigen Sätzen, die nicht verschleppt werden dürfen, die Arie Lnilrmo it mio l>su hervorgehoben. Schon die zweimalige Wiederkehr dieses Satzes, die mau nicht umgehen darf, würde eine gewisse Eintönigkeit verursachen, wenn die Klage zu feierlich ausfiele. Ueber ^.rmiäö ist bereits von andrer Seite mancherlei angedeutet worden. Es hat indeß bisweilen sein Mißliches, bloß die gedankliche Hebung im Auge zu haben und liebgewordue, in mancher Beziehung reizvolle Theile geradezu zu beseitigen. Man könnte demnach den ursprünglichen dritten und vierten Act in der Weise zu einem zusammenziehn, daß die Verlockuugssceucn, die so wie so vereinfacht werden müssen, in den dritten Act als Mittelstück eingeschoben werden. Die beiden Ritter müßten dann als erst auf dem Wege begriffen, nicht schon unmittelbar vor Armidens Palast angelangt zu denken sein. Das Ganze würde folgenden Zusammenhang haben: 1. Scene: Unterirdische, nach hinten sich un¬ bestimmt öffnende Halle, a. Armida allein, ^.K! si ig. lidertö ?c. b. Die Zofen kommen hinzu und jubeln in ihrer Unwissenheit über die Liebe, in die Rinaldo versetzt ist. Armida entgegnet: I/Mehr n'a M Moors romM mon vspoiAirok :c. Sie ahnt ein Unheil, das durch die Abgesandten Gottfrieds herbeigeführt werde, und befiehlt, man möge eilen, die gefährlichen Ritter durch alle Arten von Zauber¬ kunst abzuhalten. 0. Armida allein, den Beiden bitter nachblickend: „Er liebt mich? Erglüht für mich? O Flamme, die mich schmäht! Hier fleht nicht freie Liebe; sie folgt dem Machtgebot der Zauberin allein. Wie anders ist die Glut, die mich für ihn entbrannt!" Aber sie vermag nichts zu ändern und kehrt zu den vier Anfangszeiten der alten Klage M! si la libsM :c. zurück, in denen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/68>, abgerufen am 26.08.2024.