Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.Lauchstädt. Thätigkeit davon. Die Lauchstüdter Sommermonate boten der Weimarer Gesell¬ Unter den Schauspielern, die das neue weimarische Ensemble bildeten: Becker, Lauchstädt. Thätigkeit davon. Die Lauchstüdter Sommermonate boten der Weimarer Gesell¬ Unter den Schauspielern, die das neue weimarische Ensemble bildeten: Becker, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0566" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150138"/> <fw type="header" place="top"> Lauchstädt.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1844" prev="#ID_1843"> Thätigkeit davon. Die Lauchstüdter Sommermonate boten der Weimarer Gesell¬<lb/> schaft alle Vortheile einer Wandertruppe ohne deren Schattenseiten, Goethe<lb/> selbst erklärt es in den „Tag- mit Jahres-Heften" (1791) für einen großen<lb/> Vortheil, daß die neubegründete Weimarer Gesellschaft des Sommers in Lauch-<lb/> städt habe spielen können, „Ein neues Publimm, aus Fremden, aus dem ge¬<lb/> bildeten Theil der Nachbarschaft, den kenntnißreichen Gliedern einer nächst ge¬<lb/> legenen Akademie und leidenschaftlich fordernden Jünglingen zusammengesetzt, sollten<lb/> Nur befriedigen. Neue Stücke wurden nicht eingelernt, aber die ältern durch-<lb/> geübt, und so kehrte die Gesellschaft mit frischem Muthe im Oetober nach Weimar<lb/> zurück," Auch 1794 und 1795 hebt er es wieder als einen doppelten Vortheil<lb/> der Lauchstädter Monate hervor, „daß eingelernte Stücke fortgeübt würden, ohne<lb/> dem Weimarischen Publikum verdrießlich zu fallen," daß die Schauspieler in<lb/> Lauchstüdt „durch Enthusiasmus belebt und durch gute Behandlung in der Ach¬<lb/> tung gegen sich selbst gesteigert worden seien" und daß dies sehr zur Ausrischung<lb/> ihrer Thätigkeit beigetrage» habe, „einer Thätigkeit, die, wenn man dasselbe<lb/> Publicum immer vor sich sieht, dessen Charakter, dessen Urtheilsweise man kennt,<lb/> gar bald zu erschlaffen pflegt,"</p><lb/> <p xml:id="ID_1845" next="#ID_1846"> Unter den Schauspielern, die das neue weimarische Ensemble bildeten: Becker,<lb/> Krüger, Voss, Mnleolmi, Graff, Gemahl, Beck, Caroline Jagemann, Amalie Mal-<lb/> colmi und andern, zu denen sich später Unzclmann und Pius Alexander Wolff<lb/> gesellten, war bald der allgemeine Liebling des Publicums, wie in Weimar, so<lb/> auch in Lauchstädt, Christiane Becker, geb, Naumann, der Goethe nach ihrem<lb/> frühzeitigen Tode (1797) in der herrlichen Elegie „Enphroshne" ein unvergäng¬<lb/> liches Denkmal gesetzt hat. Als noch nicht dreizehnjähriges Mädchen — ge¬<lb/> boren war sie am 15. December 1778 — verlor sie 1791, kurz vor der Auf¬<lb/> lösung der Bellvmvschen Gesellschaft, ihren Vater, der zu dieser Truppe gehört<lb/> hatte, und flehte Goethe, wie er selbst erzählt, um Ausbildung an. Er nahm<lb/> sich ihrer darauf mit besondern: Eifer an, da sie bereits seit ihrem neunten<lb/> Jahre Interesse erregt und Proben ihres ausgesprochnen Talents gegeben hatte.<lb/> Noch in demselben Jahre, 1791, studirte er ihr selbst die Rolle des Arthur in Shake¬<lb/> speares „König Johann" ein, in der sie sofort die allgemeinste Theilnahme er¬<lb/> regte. Goethe versichert, sie habe in dieser Rolle so wunderbare Wirkung ge¬<lb/> than, daß es nur seine Sorge habe sein müssen, die übrigen mit ihr in Harmonie<lb/> zu bringen. Später gehörte zu ihren Hauptrollen Minna von Barnhelm, Ma¬<lb/> rianne in den „Geschwistern", Emilia Galotti, Amalia in den „Räubern", Prin¬<lb/> zessin Eboli, Blauen im „Julius von Tarent", Clärchen im „Egmont" und<lb/> Ophelia. Wieland urtheilte über sie, daß, wenn sie nur uoch einige Jahre so<lb/> fortschritte, Deutschland nur eine Schauspielerin haben würde. Im Sommer<lb/> des Jahres 1798 heiratete sie in Lauchstädt den Weimarer Schauspieler Becker.<lb/> Diese frühzeitige Ehe wurde verhängnißvoll für sie. Nachdem sie ihrem Manne<lb/> zwei Töchter geboren, wurde sie 1796 brustleidend, und ihr Zustand wurde bald<lb/> so gefährlich und hoffnungslos, daß Goethe ihren Verlust für das Theater in<lb/> nicht allzuweiter Ferne voraussehen mußte. Das ganze schöne Ensemble des<lb/> Weimarer Theaters im Lustspiel, wie im Schan- und Trauerspiele war durch<lb/> ihre Krankheit zerrissen, und Ersatz war lange Zeit nicht zu beschaffen. Im<lb/> Frühjahr 1797 entzog sie ein starker Krankheitsanfall für längere Zeit ganz der<lb/> Bühne, vor Schluß der Saison trat sie in Weimar noch einige Male auf, zu¬<lb/> letzt am 14. Juni als Ophelia, dann ging sie mit ihrem Manne und der Ge¬<lb/> sellschaft nach Lauchstädt und spielte auch dort noch einige Male, so daß man</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0566]
Lauchstädt.
Thätigkeit davon. Die Lauchstüdter Sommermonate boten der Weimarer Gesell¬
schaft alle Vortheile einer Wandertruppe ohne deren Schattenseiten, Goethe
selbst erklärt es in den „Tag- mit Jahres-Heften" (1791) für einen großen
Vortheil, daß die neubegründete Weimarer Gesellschaft des Sommers in Lauch-
städt habe spielen können, „Ein neues Publimm, aus Fremden, aus dem ge¬
bildeten Theil der Nachbarschaft, den kenntnißreichen Gliedern einer nächst ge¬
legenen Akademie und leidenschaftlich fordernden Jünglingen zusammengesetzt, sollten
Nur befriedigen. Neue Stücke wurden nicht eingelernt, aber die ältern durch-
geübt, und so kehrte die Gesellschaft mit frischem Muthe im Oetober nach Weimar
zurück," Auch 1794 und 1795 hebt er es wieder als einen doppelten Vortheil
der Lauchstädter Monate hervor, „daß eingelernte Stücke fortgeübt würden, ohne
dem Weimarischen Publikum verdrießlich zu fallen," daß die Schauspieler in
Lauchstüdt „durch Enthusiasmus belebt und durch gute Behandlung in der Ach¬
tung gegen sich selbst gesteigert worden seien" und daß dies sehr zur Ausrischung
ihrer Thätigkeit beigetrage» habe, „einer Thätigkeit, die, wenn man dasselbe
Publicum immer vor sich sieht, dessen Charakter, dessen Urtheilsweise man kennt,
gar bald zu erschlaffen pflegt,"
Unter den Schauspielern, die das neue weimarische Ensemble bildeten: Becker,
Krüger, Voss, Mnleolmi, Graff, Gemahl, Beck, Caroline Jagemann, Amalie Mal-
colmi und andern, zu denen sich später Unzclmann und Pius Alexander Wolff
gesellten, war bald der allgemeine Liebling des Publicums, wie in Weimar, so
auch in Lauchstädt, Christiane Becker, geb, Naumann, der Goethe nach ihrem
frühzeitigen Tode (1797) in der herrlichen Elegie „Enphroshne" ein unvergäng¬
liches Denkmal gesetzt hat. Als noch nicht dreizehnjähriges Mädchen — ge¬
boren war sie am 15. December 1778 — verlor sie 1791, kurz vor der Auf¬
lösung der Bellvmvschen Gesellschaft, ihren Vater, der zu dieser Truppe gehört
hatte, und flehte Goethe, wie er selbst erzählt, um Ausbildung an. Er nahm
sich ihrer darauf mit besondern: Eifer an, da sie bereits seit ihrem neunten
Jahre Interesse erregt und Proben ihres ausgesprochnen Talents gegeben hatte.
Noch in demselben Jahre, 1791, studirte er ihr selbst die Rolle des Arthur in Shake¬
speares „König Johann" ein, in der sie sofort die allgemeinste Theilnahme er¬
regte. Goethe versichert, sie habe in dieser Rolle so wunderbare Wirkung ge¬
than, daß es nur seine Sorge habe sein müssen, die übrigen mit ihr in Harmonie
zu bringen. Später gehörte zu ihren Hauptrollen Minna von Barnhelm, Ma¬
rianne in den „Geschwistern", Emilia Galotti, Amalia in den „Räubern", Prin¬
zessin Eboli, Blauen im „Julius von Tarent", Clärchen im „Egmont" und
Ophelia. Wieland urtheilte über sie, daß, wenn sie nur uoch einige Jahre so
fortschritte, Deutschland nur eine Schauspielerin haben würde. Im Sommer
des Jahres 1798 heiratete sie in Lauchstädt den Weimarer Schauspieler Becker.
Diese frühzeitige Ehe wurde verhängnißvoll für sie. Nachdem sie ihrem Manne
zwei Töchter geboren, wurde sie 1796 brustleidend, und ihr Zustand wurde bald
so gefährlich und hoffnungslos, daß Goethe ihren Verlust für das Theater in
nicht allzuweiter Ferne voraussehen mußte. Das ganze schöne Ensemble des
Weimarer Theaters im Lustspiel, wie im Schan- und Trauerspiele war durch
ihre Krankheit zerrissen, und Ersatz war lange Zeit nicht zu beschaffen. Im
Frühjahr 1797 entzog sie ein starker Krankheitsanfall für längere Zeit ganz der
Bühne, vor Schluß der Saison trat sie in Weimar noch einige Male auf, zu¬
letzt am 14. Juni als Ophelia, dann ging sie mit ihrem Manne und der Ge¬
sellschaft nach Lauchstädt und spielte auch dort noch einige Male, so daß man
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