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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Zum Jubiläum eines Buches.

1787 erschien die zweite Auflage desselben, und erst nachdem einige Freunde
und Verehrer Kants, wie Schulz, Reinhold, Beck n, a. Commentare dazu ge¬
schrieben hatten, fingen die darin niedergelegten Gedanken an, die ihnen zukommende
Beachtung und Anerkennung zu finden. Dann aber wuchs diese Anerkennung
mich mit außerordentlicher Schnelligkeit. Aus weiter Entfernung kamen Männer,
die durch das Studium seiner Schriften für Kant gewonnen waren, nach Königs¬
berg, um durch den persönlichen Verkehr mit dem Meister noch tiefer in seine
Lehren eingeweiht zu werde", und schon in den neunziger Jahren gab es in
Deutschland fast keine Universität, an der nicht Kantische Philosophie vorge¬
tragen wurde.

Es ist nicht bedeutungslos, daß Kants Hanptwirksamkeit in die Regierungs¬
zeit Friedrichs d. Gr. fiel; mir unter einem so toleranten und freisinnigen Regimente
konnte sich so frei und ungehindert eine philosophische Thätigkeit entfalten, die
mit rücksichtsloser Consequenz so manches philosophische und theologische Vor-
urtheil zu stürzen unternahm. Man hat Kant wohl den philosophischen Repräsen¬
tanten des Friderieianismus genannt, und nicht mit Unrecht. Er war ganz und
voll ein Sohn dieses aufgeklärten Zeitalters, in dem feine Bestrebungen wurzelten
und aus dem sie ihre Nahrung und Förderung zogen. An der Spitze des preußischen
Unterrichtswesens stand seit 1771 der Minister Frh. v. Zedlitz, ein Manu von
feinster und umfassendster Bildung, der sein hohes und wichtiges Amt ganz im
Geiste seines großen Königs verwaltete. Derselbe hatte schon früh Kants her¬
vorragende Bedeutung erkannt und schätzte ihn außerordentlich hoch. Bei jeder
Gelegenheit zeichnete er ihn vor andern Professoren ans, und als im Jahre 1778 die
Philosophische Professur in Halle, die damals für die erste in Preußen galt, er¬
ledigt war, bot er sie Kant unter möglichst guten Bedingungen an, ohne daß
dieser sich indeß entschließen konnte, sein liebes Königsberg zu verlasse". Diesem
hochherzigen, "in die Forderung der Wissenschaften hochverdienten Staatsmanne
nun widmete Kant seine "Kritik der reinen Vernunft." "Den Wachsthum der
Wissenschaften an seinem Theile befördern, heißt an Ew. Excellenz eignem Interesse
arbeiten; denn dieses ist mit jenem nicht bloß durch den erhabnen Posten eines
Beschützers, sondern dnrch das viel vertrautere eiues Liebhabers und erleuchteten
Kenners innigst verbunden," so beginnt die dem Buche vorgedrnckte Zuschrift,*)
welche beweist, von wie hoher Achtung auch Kant seinerseits vor dem Minister
erfüllt war. Er wußte die Förderung, die seineu philosophischen Bestrebungen
durch die Gönnerschaft dieses Mannes zu Theil wurde, Wohl zu würdigen, und



*) Diese Zuschrift ist vom 29. März 1781 datirt. doch wurde der Druck des Buches, wie
aus einem Briefe Hamanns an Herder hervorgeht, erst gegen Ende Juli desselben Jahres
vollendet.
Ärenzboten II. 1881. "8
Zum Jubiläum eines Buches.

1787 erschien die zweite Auflage desselben, und erst nachdem einige Freunde
und Verehrer Kants, wie Schulz, Reinhold, Beck n, a. Commentare dazu ge¬
schrieben hatten, fingen die darin niedergelegten Gedanken an, die ihnen zukommende
Beachtung und Anerkennung zu finden. Dann aber wuchs diese Anerkennung
mich mit außerordentlicher Schnelligkeit. Aus weiter Entfernung kamen Männer,
die durch das Studium seiner Schriften für Kant gewonnen waren, nach Königs¬
berg, um durch den persönlichen Verkehr mit dem Meister noch tiefer in seine
Lehren eingeweiht zu werde», und schon in den neunziger Jahren gab es in
Deutschland fast keine Universität, an der nicht Kantische Philosophie vorge¬
tragen wurde.

Es ist nicht bedeutungslos, daß Kants Hanptwirksamkeit in die Regierungs¬
zeit Friedrichs d. Gr. fiel; mir unter einem so toleranten und freisinnigen Regimente
konnte sich so frei und ungehindert eine philosophische Thätigkeit entfalten, die
mit rücksichtsloser Consequenz so manches philosophische und theologische Vor-
urtheil zu stürzen unternahm. Man hat Kant wohl den philosophischen Repräsen¬
tanten des Friderieianismus genannt, und nicht mit Unrecht. Er war ganz und
voll ein Sohn dieses aufgeklärten Zeitalters, in dem feine Bestrebungen wurzelten
und aus dem sie ihre Nahrung und Förderung zogen. An der Spitze des preußischen
Unterrichtswesens stand seit 1771 der Minister Frh. v. Zedlitz, ein Manu von
feinster und umfassendster Bildung, der sein hohes und wichtiges Amt ganz im
Geiste seines großen Königs verwaltete. Derselbe hatte schon früh Kants her¬
vorragende Bedeutung erkannt und schätzte ihn außerordentlich hoch. Bei jeder
Gelegenheit zeichnete er ihn vor andern Professoren ans, und als im Jahre 1778 die
Philosophische Professur in Halle, die damals für die erste in Preußen galt, er¬
ledigt war, bot er sie Kant unter möglichst guten Bedingungen an, ohne daß
dieser sich indeß entschließen konnte, sein liebes Königsberg zu verlasse». Diesem
hochherzigen, »in die Forderung der Wissenschaften hochverdienten Staatsmanne
nun widmete Kant seine „Kritik der reinen Vernunft." „Den Wachsthum der
Wissenschaften an seinem Theile befördern, heißt an Ew. Excellenz eignem Interesse
arbeiten; denn dieses ist mit jenem nicht bloß durch den erhabnen Posten eines
Beschützers, sondern dnrch das viel vertrautere eiues Liebhabers und erleuchteten
Kenners innigst verbunden," so beginnt die dem Buche vorgedrnckte Zuschrift,*)
welche beweist, von wie hoher Achtung auch Kant seinerseits vor dem Minister
erfüllt war. Er wußte die Förderung, die seineu philosophischen Bestrebungen
durch die Gönnerschaft dieses Mannes zu Theil wurde, Wohl zu würdigen, und



*) Diese Zuschrift ist vom 29. März 1781 datirt. doch wurde der Druck des Buches, wie
aus einem Briefe Hamanns an Herder hervorgeht, erst gegen Ende Juli desselben Jahres
vollendet.
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[0541] Zum Jubiläum eines Buches. 1787 erschien die zweite Auflage desselben, und erst nachdem einige Freunde und Verehrer Kants, wie Schulz, Reinhold, Beck n, a. Commentare dazu ge¬ schrieben hatten, fingen die darin niedergelegten Gedanken an, die ihnen zukommende Beachtung und Anerkennung zu finden. Dann aber wuchs diese Anerkennung mich mit außerordentlicher Schnelligkeit. Aus weiter Entfernung kamen Männer, die durch das Studium seiner Schriften für Kant gewonnen waren, nach Königs¬ berg, um durch den persönlichen Verkehr mit dem Meister noch tiefer in seine Lehren eingeweiht zu werde», und schon in den neunziger Jahren gab es in Deutschland fast keine Universität, an der nicht Kantische Philosophie vorge¬ tragen wurde. Es ist nicht bedeutungslos, daß Kants Hanptwirksamkeit in die Regierungs¬ zeit Friedrichs d. Gr. fiel; mir unter einem so toleranten und freisinnigen Regimente konnte sich so frei und ungehindert eine philosophische Thätigkeit entfalten, die mit rücksichtsloser Consequenz so manches philosophische und theologische Vor- urtheil zu stürzen unternahm. Man hat Kant wohl den philosophischen Repräsen¬ tanten des Friderieianismus genannt, und nicht mit Unrecht. Er war ganz und voll ein Sohn dieses aufgeklärten Zeitalters, in dem feine Bestrebungen wurzelten und aus dem sie ihre Nahrung und Förderung zogen. An der Spitze des preußischen Unterrichtswesens stand seit 1771 der Minister Frh. v. Zedlitz, ein Manu von feinster und umfassendster Bildung, der sein hohes und wichtiges Amt ganz im Geiste seines großen Königs verwaltete. Derselbe hatte schon früh Kants her¬ vorragende Bedeutung erkannt und schätzte ihn außerordentlich hoch. Bei jeder Gelegenheit zeichnete er ihn vor andern Professoren ans, und als im Jahre 1778 die Philosophische Professur in Halle, die damals für die erste in Preußen galt, er¬ ledigt war, bot er sie Kant unter möglichst guten Bedingungen an, ohne daß dieser sich indeß entschließen konnte, sein liebes Königsberg zu verlasse». Diesem hochherzigen, »in die Forderung der Wissenschaften hochverdienten Staatsmanne nun widmete Kant seine „Kritik der reinen Vernunft." „Den Wachsthum der Wissenschaften an seinem Theile befördern, heißt an Ew. Excellenz eignem Interesse arbeiten; denn dieses ist mit jenem nicht bloß durch den erhabnen Posten eines Beschützers, sondern dnrch das viel vertrautere eiues Liebhabers und erleuchteten Kenners innigst verbunden," so beginnt die dem Buche vorgedrnckte Zuschrift,*) welche beweist, von wie hoher Achtung auch Kant seinerseits vor dem Minister erfüllt war. Er wußte die Förderung, die seineu philosophischen Bestrebungen durch die Gönnerschaft dieses Mannes zu Theil wurde, Wohl zu würdigen, und *) Diese Zuschrift ist vom 29. März 1781 datirt. doch wurde der Druck des Buches, wie aus einem Briefe Hamanns an Herder hervorgeht, erst gegen Ende Juli desselben Jahres vollendet. Ärenzboten II. 1881. «8

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/541>, abgerufen am 23.07.2024.