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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Polens Wiedergeburt,

Nassau und Frankfurt ihren ehemaligen Herrschern oder deren Erben zu restituiren,
sondern anch die rheinischen und westfälischen Lande ihren rechtmäßigen Besitzern,
den Bischöfen und Erzbischöfen zu überantworten."


Diese Worte rufen auf den Bänken des Centrums einen Jubel hervor, der
aller Beschreibung spottet, und Windthorst beantragt, die französische Regierung
aufzufordern, dem deutschen Reichskanzler ohne Verzug den großen Moutyonschen
Tugendpreis zu ertheilen, widrigenfalls man ihn mit den Waffen in der Hand
holen und dann abermals fünf Milliarden als Kriegsentschädigung fordern werde.
Gerührt dankt der durchlauchtige Redner für die ihm erwiesne Anerkennung mit
dem ihm angebornen herzgewinnenden Lächeln und versucht den Enthusiasmus
seiner neuen Freunde im Centrum mit einigen Ermahnungen zur Mäßigung zu
beschwichtige", worauf er fortfährt:


"Die Zeiten sind vorüber, da man noch von Gewalt sprach. Um unsrer ganz
würdig zu sein, müssen wir -- ich kann es nicht oft genug wiederholen, nicht allein
dem edlen Polenvolke gerecht werden, sondern allen Völkern und in allen Stücken,
Sprechen Sie daher nicht von den unglückseligen Milliarden, die uns krachend be¬
wiesen haben, daß unrecht Gut nicht gedeiht; im Gegentheil, mit der Rückgabe von
Straßbnrg und Metz müssen wir auch die bereits cmpfcmgue Kriegseoutributivu
zurückerstatten, natürlich mit fünf Procent Zinsen, welche durch Herrn von Bleich-
röder gewissenhaft berechnet werden sollen."

Der Redner berichtet nun dem Hause, wie schmeichelhaft der französische
Minister sich über ihn geäußert, als Hohenlohe ihm den polnischen Plan Preußens
auseinandergesetzt. "Das haben wir ja stets befürwortet," hat der Herzog Decazes
zu unserm Botschafter geäußert; "denn um uns haben sich die Polen immer
besonders verdient gemacht, Haben sie sich doch auf allen Barrikaden ausge¬
zeichnet, und sind sie doch auch während der Commune unter den ersten gewesen,
Aber der Ruhm der Wiederherstellung Polens sollte uns nicht werden -- der
Fürst Bismarck hat Glück," fügte er seufzend hinzu. "Indeß gleichviel, Sie
können ihm Frankreichs Zufriedenheit mit dieser Großthat der preußischen Re¬
gierung ausdrücken." Darauf erzählt der Redner weiter:


"Nun aber können Sie sich vorstellen, meine Herren, wie Frankreich erst zu¬
frieden war, als Hohenlohe von der Rückgabe von Elsaß-Lothringen und von der
Rückzahlung der Milliarden anfing. Freudig überrascht wollte Decazes spornstreichs
in die Nationalversammlung eilen, um dort zu beantragen, daß die Bildsäule
Napoleons vou der Veudomesnule herabgenommen und durch die meinige ersetzt
werde , . , Glücklicherweise vermochte ihn Hohenlohe von solcher Ueberschwenglich-
keit zurückzuhalten; wußte er doch, daß alle äußern Monumente mir gleichgiltig
sind, und daß die Pariser, auch ohne mein Bild in Erz oder Stein vor Augen
zu haben, meiner stets eingedenk sein werden. Etwas gedämpft wurde der Enthusias-
mus des Herzogs auch dadurch, daß Hohenlohe ihm um bemerkte, wenn wir auf
die Bahn der Tugend zurückgekehrt und entschlossen seien, sie nach allen Richtungen
bis zu den letzten Cousegueuzeu zu verfolgen, wir auch zu der Erwartung berechtigt

Grenzboten II, 1881- 62
Polens Wiedergeburt,

Nassau und Frankfurt ihren ehemaligen Herrschern oder deren Erben zu restituiren,
sondern anch die rheinischen und westfälischen Lande ihren rechtmäßigen Besitzern,
den Bischöfen und Erzbischöfen zu überantworten."


Diese Worte rufen auf den Bänken des Centrums einen Jubel hervor, der
aller Beschreibung spottet, und Windthorst beantragt, die französische Regierung
aufzufordern, dem deutschen Reichskanzler ohne Verzug den großen Moutyonschen
Tugendpreis zu ertheilen, widrigenfalls man ihn mit den Waffen in der Hand
holen und dann abermals fünf Milliarden als Kriegsentschädigung fordern werde.
Gerührt dankt der durchlauchtige Redner für die ihm erwiesne Anerkennung mit
dem ihm angebornen herzgewinnenden Lächeln und versucht den Enthusiasmus
seiner neuen Freunde im Centrum mit einigen Ermahnungen zur Mäßigung zu
beschwichtige», worauf er fortfährt:


„Die Zeiten sind vorüber, da man noch von Gewalt sprach. Um unsrer ganz
würdig zu sein, müssen wir — ich kann es nicht oft genug wiederholen, nicht allein
dem edlen Polenvolke gerecht werden, sondern allen Völkern und in allen Stücken,
Sprechen Sie daher nicht von den unglückseligen Milliarden, die uns krachend be¬
wiesen haben, daß unrecht Gut nicht gedeiht; im Gegentheil, mit der Rückgabe von
Straßbnrg und Metz müssen wir auch die bereits cmpfcmgue Kriegseoutributivu
zurückerstatten, natürlich mit fünf Procent Zinsen, welche durch Herrn von Bleich-
röder gewissenhaft berechnet werden sollen."

Der Redner berichtet nun dem Hause, wie schmeichelhaft der französische
Minister sich über ihn geäußert, als Hohenlohe ihm den polnischen Plan Preußens
auseinandergesetzt. „Das haben wir ja stets befürwortet," hat der Herzog Decazes
zu unserm Botschafter geäußert; „denn um uns haben sich die Polen immer
besonders verdient gemacht, Haben sie sich doch auf allen Barrikaden ausge¬
zeichnet, und sind sie doch auch während der Commune unter den ersten gewesen,
Aber der Ruhm der Wiederherstellung Polens sollte uns nicht werden — der
Fürst Bismarck hat Glück," fügte er seufzend hinzu. „Indeß gleichviel, Sie
können ihm Frankreichs Zufriedenheit mit dieser Großthat der preußischen Re¬
gierung ausdrücken." Darauf erzählt der Redner weiter:


„Nun aber können Sie sich vorstellen, meine Herren, wie Frankreich erst zu¬
frieden war, als Hohenlohe von der Rückgabe von Elsaß-Lothringen und von der
Rückzahlung der Milliarden anfing. Freudig überrascht wollte Decazes spornstreichs
in die Nationalversammlung eilen, um dort zu beantragen, daß die Bildsäule
Napoleons vou der Veudomesnule herabgenommen und durch die meinige ersetzt
werde , . , Glücklicherweise vermochte ihn Hohenlohe von solcher Ueberschwenglich-
keit zurückzuhalten; wußte er doch, daß alle äußern Monumente mir gleichgiltig
sind, und daß die Pariser, auch ohne mein Bild in Erz oder Stein vor Augen
zu haben, meiner stets eingedenk sein werden. Etwas gedämpft wurde der Enthusias-
mus des Herzogs auch dadurch, daß Hohenlohe ihm um bemerkte, wenn wir auf
die Bahn der Tugend zurückgekehrt und entschlossen seien, sie nach allen Richtungen
bis zu den letzten Cousegueuzeu zu verfolgen, wir auch zu der Erwartung berechtigt

Grenzboten II, 1881- 62
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/517>, abgerufen am 23.07.2024.