Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Serpa pintos !venit"'lag durch Afrika,

und die Pinto mit charakteristischen Farben zu schildern weiß, bis das ganze Unter¬
nehmen nach seiner Ankunft am Zambesi von einer fürchterlichen Krisis be¬
troffen wurde.

Anfangs von dem Herrscher der dort wohnenden Baröze, dem König Lvbvssi,
freundlich aufgenommen und mit Lebensmitteln reichlich beschenkt, durfte der kiihnc
Reisende, dessen Proviant und Tauschartikel aus die Neige gingen, hoffen, durch
Anknüpfung von freundschaftlichen Beziehungen und durch Abschluß eiuer Art
von Handelsvertrag die Mittel zur Weiterreise zu gewinnen oder doch mindestens
auf kein Hinderniß zu stoßen. Aber aufs bitterste sah er sich in seinen Er-
wartungen getäuscht; sein Unternehmen und sein Leben schwebte in der äußersten
Gefahr, Die äußerlich knndgegebne Freundschaft des Königs Lobossi nahm nämlich
ab und machte einer bösartigen Feindschaft Platz, die das Leben Plutos bedrohte-
Zum Glück befand sich unter den Räthen des Königs ein ehemaliger Reise¬
gefährte Livingstones, der offen und heimlich den Reisenden unterstützte und ihn
vor dem Untergange durch rechtzeitige Warnung rettete. So wurde ein nächt¬
licher Angriff von mehreren Hundert Schwarzen auf das Lager, wenn auch mit
Verlust von Leuten und Munition, glücklich abgeschlagen. Aber noch schlimmeres
harrte seiner. Als er sich ans eine Anhöhe zurückgezogen hatte, entwich in der
Nacht der größte Theil der Träger mit Vorräthen und Gewehren und setzte
ihn in die denkbar gefährlichste Lage: ans wenig Getreue beschränkt, ohne Patronen
und Kugeln und ohne Lebensmittel, hätte er einem erneuten Angriff seiner Feinde
zweifellos unterliegen müssen. Es war ein entsetzlicher Zustand. "Als sie mich
verlassen hatten, setzte ich mich am Feuer nieder; meine Sinne waren verwirrt,
meine Glieder versagten den Dienst, denn der moralische Schlag wirkte auf meinen
durch das anhaltende Fieber schon stark mitgenommenen Körper. Die Arme auf
die Knie gestützt und das Gesicht in den Händen verborgen, starrte ich in das
Feuer, ohne daß ein Gedanke oder eine Idee in meinem Geiste feste Form erhielt.
Das Selbstvertrauen war mit der Kiste Patronen, meinem Schatz und einzigen
Reden ngsmittel, verschwunden,"

Aber die Energie, die er schon oft bewiesen, kehrte ihm zurück und mit ihr
der rettende Gedanke. Der König von Portugal hatte ihm bei der Abreise ein
Gewehr mit allein Zubehör geschenkt. Dies holte er jetzt hervor und goß aus
dem Blei eines Fischnetzes eine Anzahl Kugeln, deren Besitz ihm die innere
Sicherheit zurückgab, Unterdeß hatte sich auch Lobossi eines Bessern besonnen,
und wenn er auch nach langen Verhandlungen sich zu keiner Hilfeleistung herbei¬
ließ, so stand er doch von weitern Feindseligkeiten ab und legte dem Weitermarsch
kein Hinderniß in den Weg. Aber damit waren die Schwierigkeiten noch nicht
gehoben, und die Weiterreise begleitete voraussichtlich Mangel an Proviant und


Serpa pintos !venit«'lag durch Afrika,

und die Pinto mit charakteristischen Farben zu schildern weiß, bis das ganze Unter¬
nehmen nach seiner Ankunft am Zambesi von einer fürchterlichen Krisis be¬
troffen wurde.

Anfangs von dem Herrscher der dort wohnenden Baröze, dem König Lvbvssi,
freundlich aufgenommen und mit Lebensmitteln reichlich beschenkt, durfte der kiihnc
Reisende, dessen Proviant und Tauschartikel aus die Neige gingen, hoffen, durch
Anknüpfung von freundschaftlichen Beziehungen und durch Abschluß eiuer Art
von Handelsvertrag die Mittel zur Weiterreise zu gewinnen oder doch mindestens
auf kein Hinderniß zu stoßen. Aber aufs bitterste sah er sich in seinen Er-
wartungen getäuscht; sein Unternehmen und sein Leben schwebte in der äußersten
Gefahr, Die äußerlich knndgegebne Freundschaft des Königs Lobossi nahm nämlich
ab und machte einer bösartigen Feindschaft Platz, die das Leben Plutos bedrohte-
Zum Glück befand sich unter den Räthen des Königs ein ehemaliger Reise¬
gefährte Livingstones, der offen und heimlich den Reisenden unterstützte und ihn
vor dem Untergange durch rechtzeitige Warnung rettete. So wurde ein nächt¬
licher Angriff von mehreren Hundert Schwarzen auf das Lager, wenn auch mit
Verlust von Leuten und Munition, glücklich abgeschlagen. Aber noch schlimmeres
harrte seiner. Als er sich ans eine Anhöhe zurückgezogen hatte, entwich in der
Nacht der größte Theil der Träger mit Vorräthen und Gewehren und setzte
ihn in die denkbar gefährlichste Lage: ans wenig Getreue beschränkt, ohne Patronen
und Kugeln und ohne Lebensmittel, hätte er einem erneuten Angriff seiner Feinde
zweifellos unterliegen müssen. Es war ein entsetzlicher Zustand. „Als sie mich
verlassen hatten, setzte ich mich am Feuer nieder; meine Sinne waren verwirrt,
meine Glieder versagten den Dienst, denn der moralische Schlag wirkte auf meinen
durch das anhaltende Fieber schon stark mitgenommenen Körper. Die Arme auf
die Knie gestützt und das Gesicht in den Händen verborgen, starrte ich in das
Feuer, ohne daß ein Gedanke oder eine Idee in meinem Geiste feste Form erhielt.
Das Selbstvertrauen war mit der Kiste Patronen, meinem Schatz und einzigen
Reden ngsmittel, verschwunden,"

Aber die Energie, die er schon oft bewiesen, kehrte ihm zurück und mit ihr
der rettende Gedanke. Der König von Portugal hatte ihm bei der Abreise ein
Gewehr mit allein Zubehör geschenkt. Dies holte er jetzt hervor und goß aus
dem Blei eines Fischnetzes eine Anzahl Kugeln, deren Besitz ihm die innere
Sicherheit zurückgab, Unterdeß hatte sich auch Lobossi eines Bessern besonnen,
und wenn er auch nach langen Verhandlungen sich zu keiner Hilfeleistung herbei¬
ließ, so stand er doch von weitern Feindseligkeiten ab und legte dem Weitermarsch
kein Hinderniß in den Weg. Aber damit waren die Schwierigkeiten noch nicht
gehoben, und die Weiterreise begleitete voraussichtlich Mangel an Proviant und


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0512" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150084"/>
          <fw type="header" place="top"> Serpa pintos !venit«'lag durch Afrika,</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1711" prev="#ID_1710"> und die Pinto mit charakteristischen Farben zu schildern weiß, bis das ganze Unter¬<lb/>
nehmen nach seiner Ankunft am Zambesi von einer fürchterlichen Krisis be¬<lb/>
troffen wurde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1712"> Anfangs von dem Herrscher der dort wohnenden Baröze, dem König Lvbvssi,<lb/>
freundlich aufgenommen und mit Lebensmitteln reichlich beschenkt, durfte der kiihnc<lb/>
Reisende, dessen Proviant und Tauschartikel aus die Neige gingen, hoffen, durch<lb/>
Anknüpfung von freundschaftlichen Beziehungen und durch Abschluß eiuer Art<lb/>
von Handelsvertrag die Mittel zur Weiterreise zu gewinnen oder doch mindestens<lb/>
auf kein Hinderniß zu stoßen. Aber aufs bitterste sah er sich in seinen Er-<lb/>
wartungen getäuscht; sein Unternehmen und sein Leben schwebte in der äußersten<lb/>
Gefahr, Die äußerlich knndgegebne Freundschaft des Königs Lobossi nahm nämlich<lb/>
ab und machte einer bösartigen Feindschaft Platz, die das Leben Plutos bedrohte-<lb/>
Zum Glück befand sich unter den Räthen des Königs ein ehemaliger Reise¬<lb/>
gefährte Livingstones, der offen und heimlich den Reisenden unterstützte und ihn<lb/>
vor dem Untergange durch rechtzeitige Warnung rettete. So wurde ein nächt¬<lb/>
licher Angriff von mehreren Hundert Schwarzen auf das Lager, wenn auch mit<lb/>
Verlust von Leuten und Munition, glücklich abgeschlagen. Aber noch schlimmeres<lb/>
harrte seiner. Als er sich ans eine Anhöhe zurückgezogen hatte, entwich in der<lb/>
Nacht der größte Theil der Träger mit Vorräthen und Gewehren und setzte<lb/>
ihn in die denkbar gefährlichste Lage: ans wenig Getreue beschränkt, ohne Patronen<lb/>
und Kugeln und ohne Lebensmittel, hätte er einem erneuten Angriff seiner Feinde<lb/>
zweifellos unterliegen müssen. Es war ein entsetzlicher Zustand. &#x201E;Als sie mich<lb/>
verlassen hatten, setzte ich mich am Feuer nieder; meine Sinne waren verwirrt,<lb/>
meine Glieder versagten den Dienst, denn der moralische Schlag wirkte auf meinen<lb/>
durch das anhaltende Fieber schon stark mitgenommenen Körper. Die Arme auf<lb/>
die Knie gestützt und das Gesicht in den Händen verborgen, starrte ich in das<lb/>
Feuer, ohne daß ein Gedanke oder eine Idee in meinem Geiste feste Form erhielt.<lb/>
Das Selbstvertrauen war mit der Kiste Patronen, meinem Schatz und einzigen<lb/>
Reden ngsmittel, verschwunden,"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1713" next="#ID_1714"> Aber die Energie, die er schon oft bewiesen, kehrte ihm zurück und mit ihr<lb/>
der rettende Gedanke. Der König von Portugal hatte ihm bei der Abreise ein<lb/>
Gewehr mit allein Zubehör geschenkt. Dies holte er jetzt hervor und goß aus<lb/>
dem Blei eines Fischnetzes eine Anzahl Kugeln, deren Besitz ihm die innere<lb/>
Sicherheit zurückgab, Unterdeß hatte sich auch Lobossi eines Bessern besonnen,<lb/>
und wenn er auch nach langen Verhandlungen sich zu keiner Hilfeleistung herbei¬<lb/>
ließ, so stand er doch von weitern Feindseligkeiten ab und legte dem Weitermarsch<lb/>
kein Hinderniß in den Weg. Aber damit waren die Schwierigkeiten noch nicht<lb/>
gehoben, und die Weiterreise begleitete voraussichtlich Mangel an Proviant und</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0512] Serpa pintos !venit«'lag durch Afrika, und die Pinto mit charakteristischen Farben zu schildern weiß, bis das ganze Unter¬ nehmen nach seiner Ankunft am Zambesi von einer fürchterlichen Krisis be¬ troffen wurde. Anfangs von dem Herrscher der dort wohnenden Baröze, dem König Lvbvssi, freundlich aufgenommen und mit Lebensmitteln reichlich beschenkt, durfte der kiihnc Reisende, dessen Proviant und Tauschartikel aus die Neige gingen, hoffen, durch Anknüpfung von freundschaftlichen Beziehungen und durch Abschluß eiuer Art von Handelsvertrag die Mittel zur Weiterreise zu gewinnen oder doch mindestens auf kein Hinderniß zu stoßen. Aber aufs bitterste sah er sich in seinen Er- wartungen getäuscht; sein Unternehmen und sein Leben schwebte in der äußersten Gefahr, Die äußerlich knndgegebne Freundschaft des Königs Lobossi nahm nämlich ab und machte einer bösartigen Feindschaft Platz, die das Leben Plutos bedrohte- Zum Glück befand sich unter den Räthen des Königs ein ehemaliger Reise¬ gefährte Livingstones, der offen und heimlich den Reisenden unterstützte und ihn vor dem Untergange durch rechtzeitige Warnung rettete. So wurde ein nächt¬ licher Angriff von mehreren Hundert Schwarzen auf das Lager, wenn auch mit Verlust von Leuten und Munition, glücklich abgeschlagen. Aber noch schlimmeres harrte seiner. Als er sich ans eine Anhöhe zurückgezogen hatte, entwich in der Nacht der größte Theil der Träger mit Vorräthen und Gewehren und setzte ihn in die denkbar gefährlichste Lage: ans wenig Getreue beschränkt, ohne Patronen und Kugeln und ohne Lebensmittel, hätte er einem erneuten Angriff seiner Feinde zweifellos unterliegen müssen. Es war ein entsetzlicher Zustand. „Als sie mich verlassen hatten, setzte ich mich am Feuer nieder; meine Sinne waren verwirrt, meine Glieder versagten den Dienst, denn der moralische Schlag wirkte auf meinen durch das anhaltende Fieber schon stark mitgenommenen Körper. Die Arme auf die Knie gestützt und das Gesicht in den Händen verborgen, starrte ich in das Feuer, ohne daß ein Gedanke oder eine Idee in meinem Geiste feste Form erhielt. Das Selbstvertrauen war mit der Kiste Patronen, meinem Schatz und einzigen Reden ngsmittel, verschwunden," Aber die Energie, die er schon oft bewiesen, kehrte ihm zurück und mit ihr der rettende Gedanke. Der König von Portugal hatte ihm bei der Abreise ein Gewehr mit allein Zubehör geschenkt. Dies holte er jetzt hervor und goß aus dem Blei eines Fischnetzes eine Anzahl Kugeln, deren Besitz ihm die innere Sicherheit zurückgab, Unterdeß hatte sich auch Lobossi eines Bessern besonnen, und wenn er auch nach langen Verhandlungen sich zu keiner Hilfeleistung herbei¬ ließ, so stand er doch von weitern Feindseligkeiten ab und legte dem Weitermarsch kein Hinderniß in den Weg. Aber damit waren die Schwierigkeiten noch nicht gehoben, und die Weiterreise begleitete voraussichtlich Mangel an Proviant und

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/512
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/512>, abgerufen am 23.07.2024.