Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Lanchstädt.

einen Becker in seinen Laden an, bey dem man mir vor seinen Groschen nach
seinem Belieben fordern, und Semmel von Brod selbst wohl unterscheiden könne;
oder wenn sie auch denselben selbst fragen, so geschieht es entweder nur zufälliger
Weise, wenn er etwan wo in einer Wochen-Stube angetroffen wird, oder da sie
sich mich einmahl überwunden, denselben zu sich erfodern zu lassen, so geschiehet
es nur zum Behelfs vor eine Meinung, die sie sich schon liess in Kopff gesetzet
haben/' Selbstrath in Sachen der Gesundheit und des Lebens, er möge aus
eignem Gehirn oder aus Schriften genommen sein, sei immer bedenklich und der
Gefahr unterworfen.

Schon bei der Wahl eines Badeortes sei der Rath eines Arztes von rothen.
Man solle es ja nicht machen "wie diejenigen Heyraths-Leuthe, welche erst nach
unter ihnen selbst heimlich getroffenen Versprechen und Verbindung andere um
Rath fragen." Zwar meinten die Leute, mit einem Bade, als einer unschuldigen
Sache, habe es nicht so viel auf sich, deswegen erst einen großmächtigen Rath
einzuholen. "Es ist doch kein Gifft darinnen, heist es; es brauchen es jn alle
Menschen; GOtt würde es ja nicht erschaffen haben; und hilfst es nichts, so
wird es auch nichts schaden." Aber selbst die beste Arznei könne, zur Unzeit an¬
gewendet, dem Leibe zum Nachtheil gedeihen, "wo nicht gar den letzten Ehren-
Dienst gleich anbringen. Butter auff dein Brode ist gewiß kein Gifft, aber Schmiere
>>"r den Grind und Kopff damit, und siehe zu, ob das liebe Kind nicht am Leibe
M'fflauffen wird, als wenn es Gifft bekommen hatte." Man möge sich aber
auch wirklich an sachkundige und erfahrne Aerzte wenden, nicht an solche, "welche
um öffentliches Gewerbe damit treiben, entweder Städte und Märcke durch¬
gehen, oder in ihren Häusern bey vielem Zulaufs an Kamelen sich einer rechten
Jnstantz anmassen, und wieder alle gerechte Ansprüche als rechtmäßige Acrtzte
mit aller Gewalt angesehen wissen wollen, deren es an Schmieden, Schäfern,
Schindern, Schulmeistern, alten Weibern und allerhand abgesetzten, ver¬
kniffenem Gesindel überall und in Menge giebt," auch nicht an solche, "welche
zwar deu Nahmen eines Artztes oder einer Nertztin nicht leiden wollen, weil
sie sich nemlich desselben schähmen, aber sich doch theils auch aus Gesuch eines
Profitgenö und Vvrtheilgens, theils aus einer iiuzeitigen Barmhertzigkeit und
Werckheiligkeit der Sache anmassen, aber gnntz gewiß ihren Nächsten barmhertzig
bedienen, und wo nicht thätlich uns Leben bringen, doch in eine unersetzliche
Vcrsämnüß stnrtzcn, und ihre große Frömmigkeit uur auf eine andere und bessere
Art erweisen möchten."

Beim Baden selbst schärft Hcnckel el", ja nicht leichtfertig zu verfahren.
Wie oft geschehe es, daß man um Zeitersparnis; willen rin langem, häufigem
n"d heißem Baden sich übereile. Gewöhnlich setze man sich die Zeit sür eine


Lanchstädt.

einen Becker in seinen Laden an, bey dem man mir vor seinen Groschen nach
seinem Belieben fordern, und Semmel von Brod selbst wohl unterscheiden könne;
oder wenn sie auch denselben selbst fragen, so geschieht es entweder nur zufälliger
Weise, wenn er etwan wo in einer Wochen-Stube angetroffen wird, oder da sie
sich mich einmahl überwunden, denselben zu sich erfodern zu lassen, so geschiehet
es nur zum Behelfs vor eine Meinung, die sie sich schon liess in Kopff gesetzet
haben/' Selbstrath in Sachen der Gesundheit und des Lebens, er möge aus
eignem Gehirn oder aus Schriften genommen sein, sei immer bedenklich und der
Gefahr unterworfen.

Schon bei der Wahl eines Badeortes sei der Rath eines Arztes von rothen.
Man solle es ja nicht machen „wie diejenigen Heyraths-Leuthe, welche erst nach
unter ihnen selbst heimlich getroffenen Versprechen und Verbindung andere um
Rath fragen." Zwar meinten die Leute, mit einem Bade, als einer unschuldigen
Sache, habe es nicht so viel auf sich, deswegen erst einen großmächtigen Rath
einzuholen. „Es ist doch kein Gifft darinnen, heist es; es brauchen es jn alle
Menschen; GOtt würde es ja nicht erschaffen haben; und hilfst es nichts, so
wird es auch nichts schaden." Aber selbst die beste Arznei könne, zur Unzeit an¬
gewendet, dem Leibe zum Nachtheil gedeihen, „wo nicht gar den letzten Ehren-
Dienst gleich anbringen. Butter auff dein Brode ist gewiß kein Gifft, aber Schmiere
>>»r den Grind und Kopff damit, und siehe zu, ob das liebe Kind nicht am Leibe
M'fflauffen wird, als wenn es Gifft bekommen hatte." Man möge sich aber
auch wirklich an sachkundige und erfahrne Aerzte wenden, nicht an solche, „welche
um öffentliches Gewerbe damit treiben, entweder Städte und Märcke durch¬
gehen, oder in ihren Häusern bey vielem Zulaufs an Kamelen sich einer rechten
Jnstantz anmassen, und wieder alle gerechte Ansprüche als rechtmäßige Acrtzte
mit aller Gewalt angesehen wissen wollen, deren es an Schmieden, Schäfern,
Schindern, Schulmeistern, alten Weibern und allerhand abgesetzten, ver¬
kniffenem Gesindel überall und in Menge giebt," auch nicht an solche, „welche
zwar deu Nahmen eines Artztes oder einer Nertztin nicht leiden wollen, weil
sie sich nemlich desselben schähmen, aber sich doch theils auch aus Gesuch eines
Profitgenö und Vvrtheilgens, theils aus einer iiuzeitigen Barmhertzigkeit und
Werckheiligkeit der Sache anmassen, aber gnntz gewiß ihren Nächsten barmhertzig
bedienen, und wo nicht thätlich uns Leben bringen, doch in eine unersetzliche
Vcrsämnüß stnrtzcn, und ihre große Frömmigkeit uur auf eine andere und bessere
Art erweisen möchten."

Beim Baden selbst schärft Hcnckel el», ja nicht leichtfertig zu verfahren.
Wie oft geschehe es, daß man um Zeitersparnis; willen rin langem, häufigem
n»d heißem Baden sich übereile. Gewöhnlich setze man sich die Zeit sür eine


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0499" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150071"/>
          <fw type="header" place="top"> Lanchstädt.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1670" prev="#ID_1669"> einen Becker in seinen Laden an, bey dem man mir vor seinen Groschen nach<lb/>
seinem Belieben fordern, und Semmel von Brod selbst wohl unterscheiden könne;<lb/>
oder wenn sie auch denselben selbst fragen, so geschieht es entweder nur zufälliger<lb/>
Weise, wenn er etwan wo in einer Wochen-Stube angetroffen wird, oder da sie<lb/>
sich mich einmahl überwunden, denselben zu sich erfodern zu lassen, so geschiehet<lb/>
es nur zum Behelfs vor eine Meinung, die sie sich schon liess in Kopff gesetzet<lb/>
haben/' Selbstrath in Sachen der Gesundheit und des Lebens, er möge aus<lb/>
eignem Gehirn oder aus Schriften genommen sein, sei immer bedenklich und der<lb/>
Gefahr unterworfen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1671"> Schon bei der Wahl eines Badeortes sei der Rath eines Arztes von rothen.<lb/>
Man solle es ja nicht machen &#x201E;wie diejenigen Heyraths-Leuthe, welche erst nach<lb/>
unter ihnen selbst heimlich getroffenen Versprechen und Verbindung andere um<lb/>
Rath fragen." Zwar meinten die Leute, mit einem Bade, als einer unschuldigen<lb/>
Sache, habe es nicht so viel auf sich, deswegen erst einen großmächtigen Rath<lb/>
einzuholen. &#x201E;Es ist doch kein Gifft darinnen, heist es; es brauchen es jn alle<lb/>
Menschen; GOtt würde es ja nicht erschaffen haben; und hilfst es nichts, so<lb/>
wird es auch nichts schaden." Aber selbst die beste Arznei könne, zur Unzeit an¬<lb/>
gewendet, dem Leibe zum Nachtheil gedeihen, &#x201E;wo nicht gar den letzten Ehren-<lb/>
Dienst gleich anbringen. Butter auff dein Brode ist gewiß kein Gifft, aber Schmiere<lb/>
&gt;&gt;»r den Grind und Kopff damit, und siehe zu, ob das liebe Kind nicht am Leibe<lb/>
M'fflauffen wird, als wenn es Gifft bekommen hatte." Man möge sich aber<lb/>
auch wirklich an sachkundige und erfahrne Aerzte wenden, nicht an solche, &#x201E;welche<lb/>
um öffentliches Gewerbe damit treiben, entweder Städte und Märcke durch¬<lb/>
gehen, oder in ihren Häusern bey vielem Zulaufs an Kamelen sich einer rechten<lb/>
Jnstantz anmassen, und wieder alle gerechte Ansprüche als rechtmäßige Acrtzte<lb/>
mit aller Gewalt angesehen wissen wollen, deren es an Schmieden, Schäfern,<lb/>
Schindern, Schulmeistern, alten Weibern und allerhand abgesetzten, ver¬<lb/>
kniffenem Gesindel überall und in Menge giebt," auch nicht an solche, &#x201E;welche<lb/>
zwar deu Nahmen eines Artztes oder einer Nertztin nicht leiden wollen, weil<lb/>
sie sich nemlich desselben schähmen, aber sich doch theils auch aus Gesuch eines<lb/>
Profitgenö und Vvrtheilgens, theils aus einer iiuzeitigen Barmhertzigkeit und<lb/>
Werckheiligkeit der Sache anmassen, aber gnntz gewiß ihren Nächsten barmhertzig<lb/>
bedienen, und wo nicht thätlich uns Leben bringen, doch in eine unersetzliche<lb/>
Vcrsämnüß stnrtzcn, und ihre große Frömmigkeit uur auf eine andere und bessere<lb/>
Art erweisen möchten."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1672" next="#ID_1673"> Beim Baden selbst schärft Hcnckel el», ja nicht leichtfertig zu verfahren.<lb/>
Wie oft geschehe es, daß man um Zeitersparnis; willen rin langem, häufigem<lb/>
n»d heißem Baden sich übereile. Gewöhnlich setze man sich die Zeit sür eine</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0499] Lanchstädt. einen Becker in seinen Laden an, bey dem man mir vor seinen Groschen nach seinem Belieben fordern, und Semmel von Brod selbst wohl unterscheiden könne; oder wenn sie auch denselben selbst fragen, so geschieht es entweder nur zufälliger Weise, wenn er etwan wo in einer Wochen-Stube angetroffen wird, oder da sie sich mich einmahl überwunden, denselben zu sich erfodern zu lassen, so geschiehet es nur zum Behelfs vor eine Meinung, die sie sich schon liess in Kopff gesetzet haben/' Selbstrath in Sachen der Gesundheit und des Lebens, er möge aus eignem Gehirn oder aus Schriften genommen sein, sei immer bedenklich und der Gefahr unterworfen. Schon bei der Wahl eines Badeortes sei der Rath eines Arztes von rothen. Man solle es ja nicht machen „wie diejenigen Heyraths-Leuthe, welche erst nach unter ihnen selbst heimlich getroffenen Versprechen und Verbindung andere um Rath fragen." Zwar meinten die Leute, mit einem Bade, als einer unschuldigen Sache, habe es nicht so viel auf sich, deswegen erst einen großmächtigen Rath einzuholen. „Es ist doch kein Gifft darinnen, heist es; es brauchen es jn alle Menschen; GOtt würde es ja nicht erschaffen haben; und hilfst es nichts, so wird es auch nichts schaden." Aber selbst die beste Arznei könne, zur Unzeit an¬ gewendet, dem Leibe zum Nachtheil gedeihen, „wo nicht gar den letzten Ehren- Dienst gleich anbringen. Butter auff dein Brode ist gewiß kein Gifft, aber Schmiere >>»r den Grind und Kopff damit, und siehe zu, ob das liebe Kind nicht am Leibe M'fflauffen wird, als wenn es Gifft bekommen hatte." Man möge sich aber auch wirklich an sachkundige und erfahrne Aerzte wenden, nicht an solche, „welche um öffentliches Gewerbe damit treiben, entweder Städte und Märcke durch¬ gehen, oder in ihren Häusern bey vielem Zulaufs an Kamelen sich einer rechten Jnstantz anmassen, und wieder alle gerechte Ansprüche als rechtmäßige Acrtzte mit aller Gewalt angesehen wissen wollen, deren es an Schmieden, Schäfern, Schindern, Schulmeistern, alten Weibern und allerhand abgesetzten, ver¬ kniffenem Gesindel überall und in Menge giebt," auch nicht an solche, „welche zwar deu Nahmen eines Artztes oder einer Nertztin nicht leiden wollen, weil sie sich nemlich desselben schähmen, aber sich doch theils auch aus Gesuch eines Profitgenö und Vvrtheilgens, theils aus einer iiuzeitigen Barmhertzigkeit und Werckheiligkeit der Sache anmassen, aber gnntz gewiß ihren Nächsten barmhertzig bedienen, und wo nicht thätlich uns Leben bringen, doch in eine unersetzliche Vcrsämnüß stnrtzcn, und ihre große Frömmigkeit uur auf eine andere und bessere Art erweisen möchten." Beim Baden selbst schärft Hcnckel el», ja nicht leichtfertig zu verfahren. Wie oft geschehe es, daß man um Zeitersparnis; willen rin langem, häufigem n»d heißem Baden sich übereile. Gewöhnlich setze man sich die Zeit sür eine

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/499
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/499>, abgerufen am 23.07.2024.