Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Lauchstädt,

Wasser schwächer und kühler wird, zu geschweige", daß der Schwefeldunst durch
seinen Geruch Kopfschmerzen verursachet, so ist noch nöthig, um den Hals ein
starkes Tuch zu legen, und dadurch die Oefnungen noch mehr zu verschließen,
worm der Bademantel schon etwas beyträgt," Nachdem man eine halbe Stunde
bis eine Stunde im Bade zugebracht, wurde der Deckel abgezogen, man ließ im
Aufstehen das nasse Hemd fallen, wurde sofort "mit einem aufgewärmten Tuche
bedeckt, wohl abgetrocknet und in ein wohl ausgewärmtes, trockenes Hemde ge¬
kleidet, und in ein ausgewärmtes Bette gebracht. Dieses gehet aber niemals,
auch im warmen Zimmer, ohne eine widrige kalte Empfindung ab, weil der Leib,
der erwärmt und feucht ist, wenn er zweymal entblvsset wird und die Bewegung,
derer Helsenden die Luft in Bewegung setzet, allemal einen kalten Wind fühlet.
Vor dieser Beschwerung sind diejenigen gesichert, welche ohne ein Hemde sich mit
einem Mantel bekleidet in das Wasser setzen, diesen Mantel ausserhalb der Wanne
und über den Deckel lassen, also denselben trocken erhalten." Dieser Mantel fiel
beim Aufstehen von selbst wieder über den Körper, und so eingehüllt begab man
sich rasch ins Bett, nachdem die Füße abgetrocknet waren. "Die Kosten, welche
der Mantel macht, werden durch die Ersparung zweyer Hemden und des Tuches
zum Abtrocknen ersetzet, welche drey Stücke von dem Eisen gänzlich verderbet werde","

So fehlte es denn anfangs, wie Dr. Friedel in seiner 1719 erschienenen
"Beschreibung" des Lauchstädter Brunnens sagt, nicht an Leuten, "welche theils
von allen Bädern und überhaupt Spottlied reden", theils "aus Neid, Hartnäckigkeit,
?i'log.t-Intsr<Z88ö, Hochmuth und Unverstand, sich wieder auffnahme dieses edlen
Brunnens gesetzet oder nicht vor zulciuglich gehalten, zumahl da wir ihn nahe
und im Lande haben." Dennoch wuchs, gewiß zum Theil ebeu infolge der
kräftigen Reclcune Friedels, der übrigens nicht versäumt, bei jeder nur erdenk¬
lichen Gelegenheit bald seine "Magen-Lösen?" oder seine "I^xivr-Pillen", bald
seine "Kühl-^metur", sein "Biebergeil-Mixivr", seine "^ni-ssörviMv-HauPt- und
Fluß-Pillen" und seinen "Gelben Univei'M-gM'los" anzupreisen, der Besuch
des Bades derart, daß, wie Dr. Henckel mittheilt, man schon in den Jahren
1723--1726 "jährlich zu 140. biß zu 163. fremde Patienten als rechte Badc-
Gäste allda gehabt und bedienet, diejenigen nicht mit gerechnet, die dabey wohnen,
und manchmahl aufs der geschwinden Post ein Maul voll mitnehmen, auch
wohl Faß-weise verführen lassen." Die Liste von 1723 zählt außer den zu-n
Gefolge und zur Dienerschaft gehörigen Personen 136 Namen auf, darunter
zahlreiche adliche und selbst fürstliche Personen, wie die Erbprinzessin von Barby,
die Prinzessin Henriette von Anhalt-Dessau u, a. Von der heutigen Kunst,
die Fremdenlisten durch die Namen aller einzelnen Familienmitglieder zu ver¬
längern, machte man damals noch keinen Gebrauch. Bei geringen Leuten vollends


Lauchstädt,

Wasser schwächer und kühler wird, zu geschweige», daß der Schwefeldunst durch
seinen Geruch Kopfschmerzen verursachet, so ist noch nöthig, um den Hals ein
starkes Tuch zu legen, und dadurch die Oefnungen noch mehr zu verschließen,
worm der Bademantel schon etwas beyträgt," Nachdem man eine halbe Stunde
bis eine Stunde im Bade zugebracht, wurde der Deckel abgezogen, man ließ im
Aufstehen das nasse Hemd fallen, wurde sofort „mit einem aufgewärmten Tuche
bedeckt, wohl abgetrocknet und in ein wohl ausgewärmtes, trockenes Hemde ge¬
kleidet, und in ein ausgewärmtes Bette gebracht. Dieses gehet aber niemals,
auch im warmen Zimmer, ohne eine widrige kalte Empfindung ab, weil der Leib,
der erwärmt und feucht ist, wenn er zweymal entblvsset wird und die Bewegung,
derer Helsenden die Luft in Bewegung setzet, allemal einen kalten Wind fühlet.
Vor dieser Beschwerung sind diejenigen gesichert, welche ohne ein Hemde sich mit
einem Mantel bekleidet in das Wasser setzen, diesen Mantel ausserhalb der Wanne
und über den Deckel lassen, also denselben trocken erhalten." Dieser Mantel fiel
beim Aufstehen von selbst wieder über den Körper, und so eingehüllt begab man
sich rasch ins Bett, nachdem die Füße abgetrocknet waren. „Die Kosten, welche
der Mantel macht, werden durch die Ersparung zweyer Hemden und des Tuches
zum Abtrocknen ersetzet, welche drey Stücke von dem Eisen gänzlich verderbet werde»,"

So fehlte es denn anfangs, wie Dr. Friedel in seiner 1719 erschienenen
„Beschreibung" des Lauchstädter Brunnens sagt, nicht an Leuten, „welche theils
von allen Bädern und überhaupt Spottlied reden", theils „aus Neid, Hartnäckigkeit,
?i'log.t-Intsr<Z88ö, Hochmuth und Unverstand, sich wieder auffnahme dieses edlen
Brunnens gesetzet oder nicht vor zulciuglich gehalten, zumahl da wir ihn nahe
und im Lande haben." Dennoch wuchs, gewiß zum Theil ebeu infolge der
kräftigen Reclcune Friedels, der übrigens nicht versäumt, bei jeder nur erdenk¬
lichen Gelegenheit bald seine „Magen-Lösen?" oder seine „I^xivr-Pillen", bald
seine „Kühl-^metur", sein „Biebergeil-Mixivr", seine „^ni-ssörviMv-HauPt- und
Fluß-Pillen" und seinen „Gelben Univei'M-gM'los" anzupreisen, der Besuch
des Bades derart, daß, wie Dr. Henckel mittheilt, man schon in den Jahren
1723—1726 „jährlich zu 140. biß zu 163. fremde Patienten als rechte Badc-
Gäste allda gehabt und bedienet, diejenigen nicht mit gerechnet, die dabey wohnen,
und manchmahl aufs der geschwinden Post ein Maul voll mitnehmen, auch
wohl Faß-weise verführen lassen." Die Liste von 1723 zählt außer den zu-n
Gefolge und zur Dienerschaft gehörigen Personen 136 Namen auf, darunter
zahlreiche adliche und selbst fürstliche Personen, wie die Erbprinzessin von Barby,
die Prinzessin Henriette von Anhalt-Dessau u, a. Von der heutigen Kunst,
die Fremdenlisten durch die Namen aller einzelnen Familienmitglieder zu ver¬
längern, machte man damals noch keinen Gebrauch. Bei geringen Leuten vollends


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0496" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150068"/>
          <fw type="header" place="top"> Lauchstädt,</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1663" prev="#ID_1662"> Wasser schwächer und kühler wird, zu geschweige», daß der Schwefeldunst durch<lb/>
seinen Geruch Kopfschmerzen verursachet, so ist noch nöthig, um den Hals ein<lb/>
starkes Tuch zu legen, und dadurch die Oefnungen noch mehr zu verschließen,<lb/>
worm der Bademantel schon etwas beyträgt," Nachdem man eine halbe Stunde<lb/>
bis eine Stunde im Bade zugebracht, wurde der Deckel abgezogen, man ließ im<lb/>
Aufstehen das nasse Hemd fallen, wurde sofort &#x201E;mit einem aufgewärmten Tuche<lb/>
bedeckt, wohl abgetrocknet und in ein wohl ausgewärmtes, trockenes Hemde ge¬<lb/>
kleidet, und in ein ausgewärmtes Bette gebracht. Dieses gehet aber niemals,<lb/>
auch im warmen Zimmer, ohne eine widrige kalte Empfindung ab, weil der Leib,<lb/>
der erwärmt und feucht ist, wenn er zweymal entblvsset wird und die Bewegung,<lb/>
derer Helsenden die Luft in Bewegung setzet, allemal einen kalten Wind fühlet.<lb/>
Vor dieser Beschwerung sind diejenigen gesichert, welche ohne ein Hemde sich mit<lb/>
einem Mantel bekleidet in das Wasser setzen, diesen Mantel ausserhalb der Wanne<lb/>
und über den Deckel lassen, also denselben trocken erhalten." Dieser Mantel fiel<lb/>
beim Aufstehen von selbst wieder über den Körper, und so eingehüllt begab man<lb/>
sich rasch ins Bett, nachdem die Füße abgetrocknet waren. &#x201E;Die Kosten, welche<lb/>
der Mantel macht, werden durch die Ersparung zweyer Hemden und des Tuches<lb/>
zum Abtrocknen ersetzet, welche drey Stücke von dem Eisen gänzlich verderbet werde»,"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1664" next="#ID_1665"> So fehlte es denn anfangs, wie Dr. Friedel in seiner 1719 erschienenen<lb/>
&#x201E;Beschreibung" des Lauchstädter Brunnens sagt, nicht an Leuten, &#x201E;welche theils<lb/>
von allen Bädern und überhaupt Spottlied reden", theils &#x201E;aus Neid, Hartnäckigkeit,<lb/>
?i'log.t-Intsr&lt;Z88ö, Hochmuth und Unverstand, sich wieder auffnahme dieses edlen<lb/>
Brunnens gesetzet oder nicht vor zulciuglich gehalten, zumahl da wir ihn nahe<lb/>
und im Lande haben." Dennoch wuchs, gewiß zum Theil ebeu infolge der<lb/>
kräftigen Reclcune Friedels, der übrigens nicht versäumt, bei jeder nur erdenk¬<lb/>
lichen Gelegenheit bald seine &#x201E;Magen-Lösen?" oder seine &#x201E;I^xivr-Pillen", bald<lb/>
seine &#x201E;Kühl-^metur", sein &#x201E;Biebergeil-Mixivr", seine &#x201E;^ni-ssörviMv-HauPt- und<lb/>
Fluß-Pillen" und seinen &#x201E;Gelben Univei'M-gM'los" anzupreisen, der Besuch<lb/>
des Bades derart, daß, wie Dr. Henckel mittheilt, man schon in den Jahren<lb/>
1723&#x2014;1726 &#x201E;jährlich zu 140. biß zu 163. fremde Patienten als rechte Badc-<lb/>
Gäste allda gehabt und bedienet, diejenigen nicht mit gerechnet, die dabey wohnen,<lb/>
und manchmahl aufs der geschwinden Post ein Maul voll mitnehmen, auch<lb/>
wohl Faß-weise verführen lassen." Die Liste von 1723 zählt außer den zu-n<lb/>
Gefolge und zur Dienerschaft gehörigen Personen 136 Namen auf, darunter<lb/>
zahlreiche adliche und selbst fürstliche Personen, wie die Erbprinzessin von Barby,<lb/>
die Prinzessin Henriette von Anhalt-Dessau u, a. Von der heutigen Kunst,<lb/>
die Fremdenlisten durch die Namen aller einzelnen Familienmitglieder zu ver¬<lb/>
längern, machte man damals noch keinen Gebrauch. Bei geringen Leuten vollends</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0496] Lauchstädt, Wasser schwächer und kühler wird, zu geschweige», daß der Schwefeldunst durch seinen Geruch Kopfschmerzen verursachet, so ist noch nöthig, um den Hals ein starkes Tuch zu legen, und dadurch die Oefnungen noch mehr zu verschließen, worm der Bademantel schon etwas beyträgt," Nachdem man eine halbe Stunde bis eine Stunde im Bade zugebracht, wurde der Deckel abgezogen, man ließ im Aufstehen das nasse Hemd fallen, wurde sofort „mit einem aufgewärmten Tuche bedeckt, wohl abgetrocknet und in ein wohl ausgewärmtes, trockenes Hemde ge¬ kleidet, und in ein ausgewärmtes Bette gebracht. Dieses gehet aber niemals, auch im warmen Zimmer, ohne eine widrige kalte Empfindung ab, weil der Leib, der erwärmt und feucht ist, wenn er zweymal entblvsset wird und die Bewegung, derer Helsenden die Luft in Bewegung setzet, allemal einen kalten Wind fühlet. Vor dieser Beschwerung sind diejenigen gesichert, welche ohne ein Hemde sich mit einem Mantel bekleidet in das Wasser setzen, diesen Mantel ausserhalb der Wanne und über den Deckel lassen, also denselben trocken erhalten." Dieser Mantel fiel beim Aufstehen von selbst wieder über den Körper, und so eingehüllt begab man sich rasch ins Bett, nachdem die Füße abgetrocknet waren. „Die Kosten, welche der Mantel macht, werden durch die Ersparung zweyer Hemden und des Tuches zum Abtrocknen ersetzet, welche drey Stücke von dem Eisen gänzlich verderbet werde»," So fehlte es denn anfangs, wie Dr. Friedel in seiner 1719 erschienenen „Beschreibung" des Lauchstädter Brunnens sagt, nicht an Leuten, „welche theils von allen Bädern und überhaupt Spottlied reden", theils „aus Neid, Hartnäckigkeit, ?i'log.t-Intsr<Z88ö, Hochmuth und Unverstand, sich wieder auffnahme dieses edlen Brunnens gesetzet oder nicht vor zulciuglich gehalten, zumahl da wir ihn nahe und im Lande haben." Dennoch wuchs, gewiß zum Theil ebeu infolge der kräftigen Reclcune Friedels, der übrigens nicht versäumt, bei jeder nur erdenk¬ lichen Gelegenheit bald seine „Magen-Lösen?" oder seine „I^xivr-Pillen", bald seine „Kühl-^metur", sein „Biebergeil-Mixivr", seine „^ni-ssörviMv-HauPt- und Fluß-Pillen" und seinen „Gelben Univei'M-gM'los" anzupreisen, der Besuch des Bades derart, daß, wie Dr. Henckel mittheilt, man schon in den Jahren 1723—1726 „jährlich zu 140. biß zu 163. fremde Patienten als rechte Badc- Gäste allda gehabt und bedienet, diejenigen nicht mit gerechnet, die dabey wohnen, und manchmahl aufs der geschwinden Post ein Maul voll mitnehmen, auch wohl Faß-weise verführen lassen." Die Liste von 1723 zählt außer den zu-n Gefolge und zur Dienerschaft gehörigen Personen 136 Namen auf, darunter zahlreiche adliche und selbst fürstliche Personen, wie die Erbprinzessin von Barby, die Prinzessin Henriette von Anhalt-Dessau u, a. Von der heutigen Kunst, die Fremdenlisten durch die Namen aller einzelnen Familienmitglieder zu ver¬ längern, machte man damals noch keinen Gebrauch. Bei geringen Leuten vollends

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/496
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/496>, abgerufen am 23.07.2024.